In den StuRa-Sitzungen werden die wichtigsten hochschulpolitischen Themen angesprochen. In der Sitzung vom 8.11. wurden neben diverser Anträge von Hochschulgruppen auch die Ergebnisse der Briefwahl für die StuRa-Exekutive und die StuRa-Referate besprochen und bekannt gegeben. Sehr politisch wurde es, als die aktuelle 3G-Regelung im Universitätsbetrieb zur Sprache kam. Wie sich zeigte, gehen die Meinungen im StuRa hierzu jedoch stark auseinander.
Es ist die erste Sitzung des StuRas in Präsenz seit langem. Für manche Mitglieder des StuRas ist es sogar die erste Sitzung in Präsenz seit Beginn ihrer Amtszeit. Zumindest gilt das für einen Teil der Anwesenden, denn von den siebzehn StuRa-Mitgliedern, die sich zur Sitzung eingefunden haben, befinden sich lediglich acht in physischer Anwesenheit vor Ort im Clubhausgebäude. Die restlichen Teilnehmer*innen sind dagegen, so auch ich, der Sitzung per Zoom hinzugeschaltet. So feiert der StuRa nach zahlreichen digitalen Sitzungen eine weitere Premiere in Form seiner ersten Sitzung in einem solchen Hybridformat.
Über die Webcam eines Laptops im Sitzungsraum können wir dabei den Raum und die dort Anwesenden gut überblicken. Doch wie schon so oft in den letzten Semestern, so merken wir alle auch dieses Mal ziemlich schnell, dass die Dinge in der Theorie oftmals besser funktionieren als in der Praxis. So sorgt gleich zu Beginn der Sitzung ein im Nebenraum musizierendes Orchester dafür, dass es in der Zoomrunde mitunter etwas schwierig ist, das Gesagte im Raum richtig zu verstehen.
Ein paar der StuRa-Mitglieder haben auch Schwierigkeiten, sich auf der Onlineplattform OpenSlides einzuloggen und so ihre Stimme zu den Anträgen abzugeben. So wird gleich zu Beginn beschlossen, dass über die Anträge auf der Tagesordnung erst ab dem nächsten Tag per Umlaufverfahren abgestimmt werden soll. Das heißt, dass die StuRa-Mitglieder im Anschluss an die Sitzung Briefwahlunterlagen beim StuRa-Büro beantragen. Diese müssen dann innerhalb von neun Tagen nach Ende der Sitzung ausgefüllt und an das StuRa-Büro zurückgeschickt werden. Sobald diese Formalität geklärt ist, geht es dann zu dem für die meisten Studierenden wohl wichtigsten Teil der StuRa-Sitzung über: den Anträgen von Hochschulgruppen auf Finanzierung ihrer Projekte.
Zwei von drei Anträgen erhalten die Zustimmung. Ein Antrag muss neu gestellt werden
Als erstes stellt die Muslimische Studierendengruppe (MST) ihren Antrag für einen Gastvortrag vor, der zu der Frage, wie im Koran Geschlechterverhältnisse und speziell Männer- und Frauenrollen thematisiert werden, abgehalten werden soll. Die Vertreterin der MST, erscheint dabei etwas besorgt, dass der StuRa Einwände haben könnte, weil die Anfahrt per Auto erfolgt, schließlich stellt die Grüne Hochschulgruppe (GHG) die meisten Mitgliedern im StuRa. Ihre Bedenken erweisen sich jedoch als unbegründet und der StuRa zeigt sich bereit auch die Fahrtkosten zu übernehmen. Auch wenn die offizielle Abstimmung erst im Umlaufverfahren erfolgen wird, holt der StuRa schonmal ein grobes Stimmungsbild unter den Anwesenden Mitgliedern darüber ein, ob sie geneigt wären dem Antrag ihre Zustimmung zu geben. Das Ergebnis zeigt, dass eine klare Mehrheit des StuRas den Antrag befürwortet. Die MST kann also fest damit rechnen, dass ihr Vortrag mit finanzieller Unterstützung des StuRa stattfinden kann.
Als nächstes präsentieren zwei Vertreter*innen von der UN-Hochschulgruppe ihren Antrag auf Finanzierung einer Filmvorführung. Und zwar soll der Dokumentarfilm „National Bird“ im Rahmen der nächsten Menschenrechtswoche im Juni 2022 gezeigt werden. Der Film beschäftigt sich mit dem Einsatz von Drohnen im Krieg gegen den Terror und nimmt dabei die Perspektive dreier amerikanischer Drohnenpilot*innen ein. Die UN-Hochschulgruppe begründet ihren Antrag damit, dass durch gezielte Tötungen per Drohnen Menschenrechte aufs massivste verletzt werden und der Film so eine hervorragende Ergänzung zum restlichen Programm der Menschenrechtswoche ergäbe. Auch hier zeigt sich eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten in einem Stimmungsbild geneigt dem Antrag ihre Zustimmung zu geben.
Bisher verlief die StuRa-Sitzung vergleichsweise glatt. Als es zum dritten und letzten Antrag der Hochschulgruppe Rethinking Economics übergeht, wird es dann aber zeitweise ein wenig chaotisch. Die Gruppe bittet den StuRa in ihrem Antrag um Übernahme der Druckkosten für ihren Bericht zu Pluralismus in den Wirtschaftswissenschaften. Es handelt sich dabei um das zentrale Thema der Hochschulgruppe, welche sich für eine stärkere Berücksichtigung unkonventioneller Perspektiven in den Wirtschaftswissenschaften einsetzt.
Für ihren Bericht haben sie mehrere Professor*innen befragt, denen sie nun gerne auch ein gedrucktes Exemplar ihres Berichts zukommen lassen würden. Dem StuRa reicht das als Begründung allerdings noch nicht aus. So wendet Jacob von der Fachschaftenvollversammlung (FSVV) ein, dass die Mittel des StuRas für die Studierendenschaft als Ganzes gedacht sind und daher nicht für Vorhaben verwendet werden können, die allein Dozierenden, in dem konkreten Fall den Interviewpartner*innen von Rethinking Economics, zugutekommen würden.
Daraufhin wird in der Runde diskutiert, ob und wie man den Vortrag so abändern könnte, dass er den Kriterien des StuRas entspricht und doch noch gefördert werden kann. Auf diese Art wird noch eine Weile hin und her debattiert, ohne dass der StuRa zu einem klaren Ergebnis kommt. Zusätzlich kommt es dann noch zu Verwirrung, als ein StuRa-Mitglied aus seinem Gedächtnis beziehungsweise einem digitalen Verzeichnis auf seinem Laptop einen älteren Antrag noch von vor der Pandemie von Rethinking Economics hervorkramt, in dem diese damals schon darum baten, dass der StuRa Druckkosten für ein- und denselben Bericht übernehmen möge. Warum Rethinking Economics bereits vor zwei Jahren denselben Antrag stellte, konnte im weiteren Verlauf der Sitzung nicht geklärt werden. Der StuRa bittet die Hochschulgruppe daher, einen neuen Antrag zu stellen, in dem präziser dargestellt wird, inwieweit auch die Interessen der bereiten Studierendenschaft berücksichtigt werden.
Jacob und Johanna als StuRa-Vorsitzende bestätigt
„Wer möchte sich erbarmen?“
Canel von der Juso-Hochschulgruppe auf der Suche nach Kandidat*innen für den Geschäftsführenden Ausschuss
Der nächste größere Punkt auf der Tagesordnung befasst sich mit der Wahl des Geschäftsführenden Ausschuss (GA) für die nächste Sitzung des StuRas. Der Geschäftsführende Ausschuss, bestehend aus zwei Personen, leitet dabei die Sitzungen und führt auch das Protokoll. „Wer möchte sich erbarmen?“, fragt Canel von der Juso-Hochschulgruppe und Teil der amtierenden GA mit nicht gerade unironischem Unterton in die Runde. Niemand, so scheint es zuerst, doch ein paar Augenblicke später erklären sich Jacob und Timo, ebenfalls von der FSVV, dazu bereits sich zu „erbarmen“ und man kann zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung übergehen.
Es folgen die Bestätigungen der Briefwahlergebnisse für die zentralen Ämter des StuRas: Der Exekutive bestehend aus den zwei Vorsitzenden und dem Finanzreferent beziehungsweise der Finanzreferentin, sowie den jeweils zwei Referent*innen für die insgesamt wiederum drei Referate des StuRas. Bezüglich der Exekutive kann dabei das Ergebnis der Wahl von Jacob sowie von Johanna von der GHG als gemeinsame Vorsitzende des StuRas bekanntgegeben werden. Auch wurde Moritz von der FSVV für das Amt des Finanzreferenten bestätigt. Des Weiteren sind Ornella und Maximilian für das Referat Studium und Lehre gewählt, sowie Sophia und Tim für das Referat gewerkschaftliche, soziale und ökologische Teilhabe.
Schwieriger gestaltet sich dagegen die Besetzung des Referats Presse & Öffentlichkeit. In der letzten Sitzung hatten sich keine Kandidat*innen gefunden, die bereit wären das Referat von dem scheidenden Referenten Lukas (GHG) zu übernehmen. Auch in dieser Sitzung bleibt die Suche nach einem Kandidaten oder einer Kandidatin vergeblich. So bemüht sich zwar Lukas sehr darum Werbung für sein Referat und dessen Arbeit zu machen, kann aber letztlich niemanden unter den Anwesenden überzeugen.
Uneinigkeit bezüglich des Testkonzepts
StuRa-Sitzungen haben oft den Ruf sich nur mit langweiligen, administrativen Fragen zu beschäftigen. Als Co-Vorsitzende Johanna dem StuRa einen Überblick über die Zuschriften gibt, die den StuRa seit der letzten Sitzung erreicht haben, wird es dann aber doch noch sehr politisch. So wird unter anderem diskutiert, wie, wenn überhaupt, sich der StuRa zu dem Gegenwärtigen 3G-Regelung im Universitätsbetrieb positionieren soll.
Eine Gruppe Studierender, die anonym bleiben möchte, hat sich hierzu in einem Schreiben an den StuRa gewandt, indem sie beklagen, dass die Testpflicht für Ungeimpfte an der Uni eine enorme finanzielle Belastung für sie darstellt. Die Studis bitten den StuRa daher sich bei der Universitätsleitung dafür einzusetzen, dass unter Aufsicht durchgeführte Selbsttest auch als Tests für Lehrveranstaltungen anerkannt werden. Die Gruppe beklagt zudem einer Stigmatisierung in Lehrveranstaltungen ausgesetzt zu sein, weil viele Dozenten die Impf- und Testzertifikate in der Praxis nicht vor der Tür, sondern für alle einsehbar im Vorlesungsaal beziehungsweise im Seminarraum prüfen würden.
Über das Schreiben wird in der Sitzung sehr angeregt diskutiert. Es zeigt sich recht schnell, dass der StuRa in dieser Frage zu gespalten ist, um sich klar positionieren zu können. So äußert Lukas diesbezüglich, dass er sich wünschen würde, dass der StuRa nicht nur die bisherige 3G-Regelung unterstützt, sondern sich sogar für eine 2G-Regelung im Lehrbetrieb aussprechen würde. Elena von der Liberale Hochschulgruppe, widerspricht im da deutlich. Stattdessen fordert sie, dass der StuRa sich in seiner Haltung solidarisch gegenüber denjenigen Studierenden zeigen sollte, die nur über geringe finanzielle Mittel verfügen und sich aus welchen Gründen auch immer bisher nicht haben impfen lassen. Des Weiteren spricht sie sich dafür aus, dass auf dem Universitätsgelände weitere Impfaktionen stattfinden sollten, um es noch mehr Studierenden zu ermöglichen, dass sie sich möglichst einfach impfen lassen können.
Mirek von der Grünen Hochschulgruppe spricht sich sogar ganz dagegen aus, dass der StuRa eine klare Stellung zu der 3G-Regelung oder gar möglichen 2G-Regelungen einnimmt. Hierzu, so argumentiert Mirek, fehle es den StuRa und seinen Mitgliedern schlicht ergreifend an der notwendigen medizinischen Fachkompetenz. Der frisch im Amt bestätigte Co-Vorsitzende Jacob versucht daraufhin einen Kompromiss auszuhandeln, indem er darauf hinweist, dass von der Stadt Tübingen ohnehin ein weiteres Modellprojekt geplant ist, in dessen Rahmen weiterhin kostenfreie Test vor Ort angeboten werden würden. Für ungeimpfte Studierende, die sich weiterhin nicht impfen lassen möchten, wäre es über dieses Angebot daher hoffentlich möglich am Lehrbetrieb teilzunehmen ohne, dass ihnen hohe Kosten entstünden. So trifft man daher am Ende die relativ einfache Entscheidung die schwierige Entscheidung darüber, wie sich der StuRa bezüglich zu der 3G-Regelung positionieren möchte, vorerst aufzuschieben.
Tübinger Modellprojekt bringt keine Entlastung für ungeimpfte Studierende
Seit Ende der Sitzung hat sich an der ursprünglichen Sachlage einiges verändert: Wie die Bundesregierung am Freitag (12.11) bekannt gab, werden ab Samstag die Kosten für einen Schnelltest pro Person und Woche, unabhängig vom Impfstatus, wieder vom Bund übernommen. Dies sollte es ungeimpften Studierenden ermöglichen, dass sie zumindest nicht mehr so viel wie bisher ausgeben müssen, um weiter studieren zu können. Es bleibt jedoch zu befürchten, dass für viele der ungeimpften Studierenden ein Test pro Woche allein nicht reichen wird, um all ihre Präsensveranstaltungen besuchen können. Für weitere Tests werden sie daher wohl zumindest noch so lange selbst aufkommen müssen, bis (und falls) das Modellprojekt der Stadt Tübingen die angekündigten Schnelltestungen kostenlos für alle anbietet.
Allerdings werden im Rahmen des Modellprojekt bereits kostenlose Schnelltest vor dem Tübingen Rathaus angeboten, es erhalten aber nur bestimmte Personengruppen auch ein Testzertifikat. Zu diesen Gruppen gehören bis jetzt nur Ungeimpfte, die mit ärztlichem Attest nachweisen können, dass sie sich nicht impfen lassen können. Für ungeimpfte Studierende, die sich dagegen aus einem nicht-medizinischen Grund nicht impfen lassen möchten, bietet auch das Tübinger Modellprojekt nicht den erhofften Ausweg. Es bleibt daher umso spannender, ob der StuRa das Thema in einer seinen zukünftigen Sitzungen deswegen wieder aufgreifen wird.
Gegen 22.55 Uhr endet schließlich die Sitzung, nachdem zuletzt noch die einzelnen Arbeitskreise des StuRas einen kurzen Bericht zu ihren Aktivitäten abgegeben haben. In seinen letzten Worten entschuldigt sich Canel nochmals bei allen Teilnehmer*innen dafür, dass es stellenweise ein wenig „holprig“ war. So geht auch die erste Hybridsitzung des StuRa zu Ende. Ob die nächste Sitzung weniger „holprig” abläuft, bleibt abzuwarten.
Foto: Sina Gramlich
Grafik: Johanna Grün