In der letzten Sitzung des Studierendenrates (StuRa) kamen Themen zur Sprache, die bereits den vergangenen Wahlkampf bestimmt haben. Etwa die Frage, ob es möglich ist, die vom StuRa geförderten Projekte von den Gruppen zu trennen, die diese Projekte organisieren. Des Weiteren wurde in der Sitzung die finanzielle Lage des StuRas näher besprochen. Diese ist dank hoher Rücklagen ausgesprochen gut, weshalb es sich der StuRa für das laufende Jahr leisten kann, mehr Anträge zu fördern, als es seine Einnahmen eigentlich zulassen würden.
Die vorletzte Sitzung des StuRas am 13. Juni war äußerst kurz. Bereits nach etwas mehr als zwei Stunden war die Sitzung für beendet erklärt worden – rekordverdächtig. In der Sitzung am 11. Juli hingegen sah sich der StuRa mit dem nicht weniger rekordverdächtigen Pensum von elf Anträgen konfrontiert.
Das führte dabei nicht nur dazu, dass die Sitzung im Vergleich zum letzten Mal deutlich länger ausfiel, sondern auch dazu, dass der StuRa in Einzelfällen genauer abwägen musste, ob sein Haushalt die Förderung eines Antrages hergibt oder nicht: Denn wie Finanzreferent Moritz (FSVV) gleich zu Beginn der Sitzung vorrechnete, beträgt die Fördersumme aller Anträge auf der Tagesordnung zusammen etwa 15.000 Euro. Der StuRa verfügt in seinem Haushalt für 2022 für Projekte, bei denen keine ECTS-Punkte vergeben werden, jedoch nur noch über Fördermittel von 20.000 Euro.
Moritz empfiehlt daher allen Antragstellenden zu prüfen, ob für die Teilnahme an einer Veranstaltung ECTS vergeben werden können. In diesem Fall können Veranstaltung über andere Fördertöpfe finanziert werden, beispielsweise über die Qualitätssicherungsmittel (QSM). Andernfalls bleibt dem StuRa langfristig entweder die Möglichkeit, weniger Anträge zu fördern oder aber einen Nachtragshaushalt zu verabschieden, in dem mehr Geld für Projekte ohne ECTS-Vergabe vorgesehen wären.
Finanziell könnte der StuRa einen Nachtragshaushalt ohne weiteres stemmen. Nach Schätzungen von Moritz verfügt der StuRa aktuell über etwa 800.000 Euro, von denen ein Großteil Rücklagen sind. Da es die Aufgabe des StuRas ist, die Gelder, die er über die Semesterbeiträge von den Studierenden einnimmt, für die Förderung studentischer Projekte auszugeben und nicht anzusparen, ist es seit langem erklärtes Ziel des StuRas, die Rücklangen Stück für Stück abzubauen. Nach Moritz’ Einschätzung kommt der StuRa bei diesem Ziel gut voran.
Hohe Spritpreise sorgen für hohe Kosten bei Exkursion zu erfolgreichen Schulen
Beim Antrag einer Gruppe Studierender aus pädagogischen und lehramtsnahen Studiengängen ging es um das meiste Geld. Sie wollen von erfolgreichen Schulen lernen, was genau eine gute Schule ausmacht. Hierfür möchte die Gruppe mittels zweier angemieteter Kleinbusse sieben Schulen innerhalb von dreizehn Tagen besuchen. Hinzu kommt eine wissenschaftliche Vor- und Nachbereitung der Besuche.
Eine ähnliche Exkursion fand bereits einmal mit Unterstützung des StuRas statt. Die Studierenden in diesem Jahr trifft jedoch besonders hart, dass die Benzinpreise seit dem Frühjahr derart stark angestiegen sind, dass sich ihr Förderbedarf im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls erhöht hat. Insgesamt werden nun 9.500 Euro für die Exkursion veranschlagt. Da manche der ausgewählten Schulen in ländlichen Gegenden liegen, wäre eine An- und Abreise mit anderen Verkehrsmitteln kaum machbar und wenn doch vermutlich noch teurer.
Im StuRa würde man dennoch gerne sämtliche Kosten für die Exkursionsteilnehmer*innen übernehmen, ist sich jedoch nicht sicher, ob einem ein Beschluss der Universitätsleitung einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Diese hatte vor längerem die Auflage beschlossen, dass bei Exkursionen, die mehr als ein paar tausend Euro kosten, die Teilnehmenden mindesten ein Drittel der Kosten selber tragen müssen. Wie Sebastian (GHG) erläuterte, war man im StuRa von Beginn an äußerst unzufrieden mit dem Beschluss, da, so die Befürchtung, Studierende mit weniger finanziellen Spielraum von der Teilnahme an Exkursionen ausgeschlossen werden könnten.
Sebastian versicherte den Antragsteller*innen, dass der StuRa so schnell wie möglich versuchen würde zu klären, ob die Auflagen der Universitätsverwaltung in ihrem Fall greifen oder nicht. Über den Antrag kann erst abgestimmt werden, sobald dies klar ist.
Kunstausstellungen am Wochenende bringen Kunstwerke aus der Region, Berlin und Leipzig nach Tübingen
Anträge aus dem Bereich Literatur und Kunst sind in der Sitzung zuhauf vertreten: Insgesamt bitten eine Literatur- sowie eine Kunstzeitschrift und zwei Kunstausstellungen den StuRa um eine Förderung. Darunter ist auch die Kupferblaue Kunstschau, die diesen Freitag und Samstag in der Shedhalle eine Reihe von künstlerischen Beiträgen von Tübinger Kunstschaffenden ausstellen wird.
Ebenfalls am Wochenende von Freitag bis Sonntag wird eine weitere Kunstausstellung zu der Frage „Was ist ein Mann?“ im selbstverwalteten Wohnheim in der Münzgasse 7 stattfinden. Das Bündnis Diversität hat hierzu eine Reihe von Kunstobjekten von Kunstschaffenden aus Berlin, Leipzig und Tübingen zusammengetragen. Zu sehen sein werden Fotos, Collagen, Skulpturen, aber auch Videos. Beide Kunstausstellung erhielten die Förderung des StuRas.
Dem künstlerischen Bereich ist auch der Antrag des Panoptic Magazine zuzurechnen. Die Zeitschrift erschien erstmals im Wintersemester 2021 auf Deutsch und Englisch und veröffentlicht neben verschiedensten Textbeiträgen auch und vor allem hochwertige Fotografien. Die neue Ausgabe umfasst dabei Beiträge von Künstler*innen aus Deutschland, Österreich, England und Spanien und soll im September erscheinen. Den StuRa bat Panoptic Magazine um die Übernahme eines Teils der Druckkosten. Über die Website von Panoptic Magazine können Interessierte schon bald ein Exemplar vorbestellen.
Im Bereich der Literatur hat sich an der Uni Tübingen ebenfalls einiges getan: So gründete sich in diesem Semester eine Literaturzeitschrift namens „The Open Sewers Collective“. In dieser Zeitschrift sollen ebenfalls, wie man am Titel erahnen kann, Beiträge auf Deutsch und auf Englisch erscheinen, darunter Essays, Rezensionen und Übersetzungen rund um das Thema Literatur. Vorerst bittet The Open Sewer Collective den StuRa jedoch nur um Unterstützung bei dem Druck von Info- und Werbematerialien. Bevor man den Druck der Erstausgabe plant, möchte man sicherstellen, dass Interessierte von der Gründung der Zeitschrift überhaupt erst erfahren.
Im Fall der Zeitschriften wird der StuRa erst per Umlaufverfahren entscheiden können, da die FSVV zuvor noch ein Stimmungsbild bei den Fachschaften zu beiden Anträgen einholen möchte. Jedoch stoßen sie jetzt schon mehrheitlich auf Sympathie in der Runde.
Kann man ein Projekt einer Gruppe fördern, ohne die Gruppe zu fördern?
Im Vorfeld der StuRa-Wahlen (zum Beispiel bei der Elefantenrunde) wurde häufig darüber diskutiert, welche Anträge von welchen Gruppen der StuRa finanziert. Eine der umstritteneren Gruppen ist dabei die Tübinger Ortsgruppe von Ende Gelände. Die Tübinger Vertreter von Ende Gelände – die Gruppe ist bundesweit vor allem für illegale Boykott- und Blockadeaktion gegen Energiekonzerne wie RWE bekannt – planen für den 19. Juli einen Vortrag zu Raub- und Verschmutzung von Wasservorkommen in Mexiko durch große Unternehmen.
Elena (LHG) sprach sich gegen die Förderung aus, weil sie in Ende Gelände eine extremistische Gruppe sieht. Die Gruppe sollte daher auch keinerlei Förderung vom StuRa bekommen. Johanna (GHG) äußerte dazu, dass der StuRa prinzipiell nur Projekte und keine Gruppen fördere. Elena wollte diese Trennung zwischen Projekt und Gruppe jedoch nicht gelten lassen. Sie argumentierte, dass bei Förderung einer Veranstaltung durch den StuRa zwangsläufig auch die Gruppe profitiere, unabhängig davon, dass die Mittel des StuRas nur projektgebunden vergeben werden.
Sebastian (GHG) wandte ein, dass das Thema des Vortrages sehr relevant sei und der Antrag allein deswegen förderungswürdig sei, unabhängig davon, wer ihn veranstalte. Elena konterte mit der Frage, ob Sebastian auch bereit wäre, denselben Antrag zu fördern, wenn er von der Identitären Bewegung käme. Sebastian antwortete, dass er auch in dem Fall bereit wäre, für den Antrag zu zustimmen, er sich jedoch sicher sei, dass die Identitäre Bewegung niemals einen Vortrag zu diesem oder einem ähnlich relevanten Thema organisieren würde.
Als die eigentliche Debatte bereits beendet wurde und die Abstimmung über den Antrag schon begonnen hatte, meldete sich Sebastian nochmals zu Wort: Für ihn gehe der Vergleich von Ende Gelände mit der Identitären Bewegung zu weit. Er sehe in Ende Gelände eine Organisation „die vor allem demokratische Teilhabe ermöglicht”. Ende Gelände könne daher auch auf keinen Fall mit der Identitären Bewegung verglichen oder gar gleichgesetzt werden.
Trotz der Uneinigkeit wurde der Antrag angenommen. Mit drei Gegenstimmen erhielt er von allen Anträgen auf der Tagesordnung jedoch die größte Ablehnung.
Finanzreferent Moritz sieht sich dem Vorwurf der Veruntreuung ausgesetzt
Gegen Ende der Sitzung kam die gleiche Thematik noch einmal auf, als Moritz den Wunsch äußerte, einige der Aussagen der LHG im StuRa-Wahlkampf erneut aufzugreifen. Moritz erläuterte lautstark, dass die LHG, indem sie dem StuRa vorwerfe, die Antifa zu finanzieren, Falschbehauptungen verbreitet hätte und ihm in seiner Funktion als Finanzreferent damit unterstellen würde, die Gelder des StuRas zu veruntreuen. Da dies jetzt zum wiederholten Mal passiert sei, sei er mit seiner Geduld am Ende und wolle sich das als langjähriger Finanzreferent nicht länger bieten lassen.
Die Behauptung, dass der StuRa die Antifa finanziere, ist falsch, da, wie bereits angesprochen, der StuRa Antragstellern immer nur projektbezogene Kosten erstattet, jedoch keinen Antragstellern pauschal Geld zur Verfügung stellt. Letzteres wäre juristisch gesehen eine Veruntreuung, weswegen ihm die LHG dies indirekt unterstellt, wenn sie davon spricht, dass der StuRa die Antifa finanziert.
Elena verteidigte dennoch Haltung ihrer Hochschulgruppe. Sie verwies darauf, dass neben Ende Gelände auch Anträge des Offenen Treffens gegen Faschismus und Rassismus (OTFR) angenommen wurden. Elena bat Moritz zu bedenken, dass im Wahlkampf manche Sachverhalte überspitzt dargestellt würden und sie die besagte Darstellung der LHG als eine solche legitime Überspitzung einordnen würde.
Elena räumte jedoch ein, dass sie, was die juristische Einschätzung des Sachverhaltes angeht, nicht vom Fach sei und sich hierzu nicht näher äußern könne und werde.
Trotzt des angeregten Beginns der Diskussion kam es zu einem ruhigen Abschluss. Moritz betonte, dass es nicht seine Absicht gewesen sei, sich so emotional auszudrücken. Auch Elena kam Moritz in der Debatte entgegen, beharrte jedoch auf der Position ihrer Hochschulgruppe.
Studierendenwerk plant Bau eines Wohnheims auf dem Schiebparkplatz – StuRa plant Übernahme der Cafeteria im Clubhaus
Co-Vorsitzende Johanna berichtete von dem Treffen mit dem Geschäftsführer des Studierendenwerkes, Oliver Schill: Das Studierendenwerk plane, an der Stelle des Schieberparkplatzes gegenüber des Brechtbau ein Studierendenwohnheim mit über hundert Zimmern zu errichten. Des Weiteren treffe der StuRa Vorbereitungen, um die Cafeteria im Clubhaus, die das Studierendenwerk nicht länger weiterbetreiben möchte, zu übernehmen. Weitere Details werden voraussichtlich in den künftigen Sitzungen besprochen werden.
StuRa geht in die Sommerpause – Die nächste Sitzung ist für 12. September geplant
„Im Großen und Ganzen läuft alles nach Plan“
Moritz (FSVV), Finanzreferent – Einschätzung zum Quartalsbericht des StuRa-Haushaltes
Mit dem Ausblick und nach Vorstellung des Quartalsberichts des StuRa-Haushaltes durch Finanzreferent Moritz endet auch diese StuRa-Sitzung. Der StuRa geht für die Semesterferien gewissermaßen in die Sommerpause. Die nächste Sitzung findet am 12. September statt – was natürlich nicht bedeutet, dass die StuRa-Mitglieder in der langen Zwischenzeit keine Hochschulpolitik betreiben werden.
Die Differenzen zwischen LHG und GHG und FSVV, was die Förderung von Anträgen bestimmter Organisationen angeht, werden wohl weiterhin bestehen bleiben. Die jüngsten Wahlergebnisse legen jedoch nahe, dass zumindest der Teil der Studierendenschaft, der wählen geht, die Einwände der LHG nicht teilt.
Fotos: Pixabay, Johanna Grün, Thomas Kleiser, OTFR