Unter dem Motto “Ressourcen fallen nicht vom Himmel” wurde am gestrigen Sonntag um 19 Uhr die achte Menschenrechtswoche Tübingen im Welt-Ethos-Institut eröffnet. Über die gesamte Woche hinweg wird es ein, von ganz unterschiedlichen Initiativen gestaltetes Programm geben, das sich mit dem Motto auseinander setzt.
Kurz nach 19 Uhr lädt das Streichquartett musikalisch die Besucher*innen im Welt-Ethos-Institut dazu ein sich zu setzen. In dem gut klimatisierten Gebäude finden sich nur noch vereinzelte leere Stühle, als das Streichquartett sFOURzando mit einem Stück von Joseph Hydn feierlich den Abend beginnt.
Nach zwei Jahren Corona bedingter Pause kann die Menschenrechtswoche 2022 endlich wieder in Präsenz stattfinden. Die Schirmherrin und Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe Luise Amtsberg ist leider dennoch nicht persönlich anwesend. Nach einem kurzem technischen Umbau wendet sie sich per Videobotschaft an die anwesenden Personen.
Ein Plädoyer für feministische Außenpolitik
Luise Amtsberg betont in ihrer Botschaft die Wichtigkeit von feministischer Außenpolitik. Deren Ziel sei es keineswegs nur Politik für Frauen zu machen, sondern Missstände und Ungerechtigkeiten aufzudecken. Diese beträfen leider sehr häufig Frauen und marginalisierte Gruppen. Doch Frauenrechte und Menschenrechte seien sicherheitspolitikrelevant. Wenn Frauen an Friedensverhandlungen beteiligt sind, sei der Frieden nachhaltiger, da Frauen mehr darauf achten würden, Ressourcen gleichmäßig und gerecht zu verteilen.
Luise Amtsberg bedankt sich bei den teilnehmenden Initiativen der Menschenrechtswoche, die mit ihren Veranstaltungen auch auf diese Missstände hinweisen. Auch dank ihnen könne man dem Ziel, dass Menschenrechte gewahrt werden, jeden Tag ein Stück näher kommen.
Tübingen ist offen und bewegt
Vor Ort anwesend war die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Tübingen, Luiza Köberlein, die sich zu Beginn ihrer Rede freut, in so viele Gesichter blicken zu können. Sie gibt zu bedenken, dass wir seit dem 4. Mai auf Pump leben, was die natürlichen Ressourcen, die sich innerhalb von einem Jahr auf der Erde regenerieren können, angeht. Die Menschenrechtssituation in dieser einen Welt hänge auch davon ab, ob und wie schnell man der Klimakrise begegne.
In Tübingen habe man das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden. Und Tübingen sei eine offene und bewegte Stadt mit vielen Menschen, die sich einbringen, um Ziele zu erreichen. Auch die Menschenrechtswoche sei Teil davon. Deshalb bedankt sie sich zum Abschluss bei dem Organisationsteam dafür, dass es trotz der Herausforderungen den Kopf nicht in den Sand steckt.
Revolution für das Leben
Nach einer kurzen Vorstellung betritt die eingeladene Festrednerin Hannah Pilgrim die Bühne. Sie ist Koordinatorin des Arbeitskreises Rohstoffe bei PowerShift e.V. und verkündet, sehr stolz zu sein, nach Frau Amtsberg und Frau Köberlein sprechen zu dürfen. Sie stehe aber nicht alleine vorne, sagt sie zu Beginn ihrer Rede. Das Buch “Revolution für das Leben” von Eva von Radecker habe sie so geprägt, dass sie ihr auch einen Platz auf der Bühne gibt.
Der Fokus ihrer Rede liegt auf den metallischen Rohstoffen und deren Ausnutzung. Die Auseinandersetzung mit der Erschöpfung des Planeten ist anstrengend, gibt sie zu. Doch sie lässt ausblicken, dass sie ihre Rede mit einer positiven Aussicht enden lassen möchte. Zunächst aber beschwört sie ein ziemlich düsteres Bild herauf. 99% der aus Bergbau gewonnenen Rohstoffe in Deutschland seien importiert. Vornehmlich aus Ländern in denen das Risiko auf Menschenrechts- und Umweltverletzungen sehr hoch ist.
Eine Möglichkeit, diese Ressourcen zu schonen, wäre zum Beispiel, das Recyclingpotenzial besser auszunutzen. Es werde nicht einmal die Hälfte aller Elektrogeräte adäquat entsorgt. Unser Wirtschaftssystem basiere auf Fortschritt und Wachstum, sagt Hannah Pilgrim. Ihr Vorschlag ist nicht, den Kapitalismus zu stürzen, sondern neue Erzählungen zu etablieren, was “Fortschritt und Wachstum” bedeuten. Folgen unserer Lebensweise sollten mit bedacht werden. Unsere Aufgabe sei es zu überlegen, wie die Transformation in die postfossile Zukunft aussieht. Die Menschenrechtswoche Tübingen sei ein guter Ort dafür. Ein guter Ort für neue Erzählungen, ein guter Ort für Revolutionen für das Leben.
Ehre, wem Ehre gebührt
Für den Menschenrechtspreis 2022 waren in diesem Jahr Andreas Linder, Polish Women on Strike und Black Vision and Voices nominiert. Laut Vorstand Bent Henke seien eigentlich alle Gewinnerinnen und Gewinner. In kurzen Videos stellten sich die Initiativen selbst vor.
Bevor es allerdings zum Höhepunkt das Abends kam, wurden die beiden Gewinner der letzten zwei Jahre auf die Bühne gebeten. Aufgrund der Corona Pandemie konnte die Menschenrechtswoche nur digital stattfinden, deshalb erhielten sie nachträglich noch ihren verdienten Applaus für ihr Engagement.
Als man sich im Oktober 2020 überlegte, welches Motto die nächste Menschenrechtswoche haben sollte, entschied man sich dafür, dass es wichtig sei, immer wieder auf Rassismus aufmerksam zu machen. Weil es eben nicht reicht, einmal schwarze Kacheln auf Instagram zu posten, sondern man jeden Tag auf Rassismus aufmerksam machen müsse, freut sich Bent Henke, den diesjährigen Menschenrechtspreis an Black Vision and Voices übergeben zu können.
Zum Abschluss des Abends wurde noch zu Getränken und Brezeln eingeladen. Auch das Streichquartett zeigt noch mal sein Können, und sogar eine Zugabe wird gewünscht. Gegen 20.40 Uhr endete die Veranstaltung.
Fotos: Marvin Feuerbacher