Kultur

Eine Nation, einfach unfertig – Eine Dichterin mit Hoffnung

Amerika, vielleicht auch die ganze Welt, stand still nach Amanda Gormans Lesung am Tag der Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten Joe Biden am 06.01.2021. In den Sozialen Medien stand allerdings nichts still. Der Feed war voll von der jungen Amerikanerin, die mit ihrem Gedicht “The Hill We Climb” Amerika so kurz nach dem Sturm auf das Kapitol neue Hoffnung gab. Doch dies war erst der Anfang. Fast ein Jahr später las Gorman  das Gedicht “New Day’s Lyric” an Silvester auf Instagram vor, veröffentlichte Ende des letzten Jahres ihre Gedichtsammlung “Call Us What We Carry” und war auf dem Cover des Time Magazines zu sehen. Ein Portrait einer herausragenden Frau.

Eine junge Frau mit Träumen, die die Welt verändern könnten

Die am 7. März 1998 in Kalifornien geborene junge Frau ist eine amerikanische Dichterin und Aktivistin. Internationalen Erfolg erlangte sie zwar erst nach ihrer Lesung bei der Amtseinsetzung des amerikanischen Präsidenten Joe Biden, Erfolge feierte Sie allerdings schon davor. Gorman studierte Soziologie an der Harvard University und publizierte ihr erstes Buch “The One for Whom Food Is Not Enough” in 2015. Zudem war sie in 2017 die jüngste Dichterin die jemals die Literary Season für die Library of Congress eröffnen durfte. Die junge Frau möchte allerdings nicht dort stoppen. In mehreren Interviews gab sie an, 2036 als Präsidentin der Vereinigten Staaten kandidieren zu wollen und sagte, dass sie jetzt, nachdem sie sehen kann, wie stark sie als eine schwarze junge Frau Menschen inspirieren kann, in die Politik gehen möchte:

“I don´t just want to speak words; I want to turn them into realities and actions.”

– Amanda Gorman
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Hoffnung auf eine bessere Zukunft

In der Woche vor der Amtseinführung von Joe Biden sagte Gorman der Washington Post: “My hope is that my poem will represent a moment of unity for our country” und “with my words, I’ll be able to speak to a new chapter and era for our nation”. So kurz nach der Stürmung auf das Kapitol, erreichte sie genau das. Ihr Gedicht “The Hill We Climb” ermutigt, hoffnungsvoll zu sein und in eine bessere Zukunft zu schreiten –  gemeinsam. Licht, Dunkelheit und spezifisch wie die USA als Nation aus dem Schatten in das Licht gelangen kann, dominieren gemeinsam mit Bildern der Zukunft, der Vergangenheit und Hoffnung ihr Gedicht. 

Eine Nation, nicht gebrochen, sondern einfach unfertig

“When day comes we ask ourselves, where can we find light in this never-ending shade?” Mit diesen zwei Zeilen beginnt das Gedicht. Schon kurz danach spricht sie die Worte aus, die man als das Herz des Gedichtes bezeichnen könnte. Gorman bezeichnet Amerika als eine Nation, die nicht gebrochen, sondern einfach unfertig sei und schafft damit den poetischen Grundstein für Hoffnung, für den Weg in eine neue Ära. Sie spricht sich selbst an und bezeichnet Amerika als als ein Land in dem “a skinny black girl descended from slaves and raised by a single mother, can dream of becoming president, only to find herself reciting for one”. 

Gorman bezieht sich in ihrem Gedicht allerdings nicht nur auf Hoffnung und Gemeinschaft, sondern spricht Waffengewalt, die Stürmung des Kapitols, den Mord an George Floyd, der Kampf nach gleichen Rechten für alle und so viel mehr an. Der “Hill” symbolisiert den Weg, den Amerika gerade geht und wie weit das Land sozial und politisch noch gehen muss, um die Spitze des Berges zu erreichen. Abschließend ermutigt sie jeden Einzelnen ihrer Zuhörer*innen mutig zu sein und den Weg in eine neue Zukunft zu wagen – in Gemeinschaft.

“And so we lift our gazes not to what stands between us but what stands before us/ We close the divide because we know, to put our future first, we must first put our differences aside/ Lay down our arms/ so we can reach out our arms to one another.”

aus “The Hill We Climb” – Amanda Gorman

Ein Gespräch mit Michelle Obama

Michelle Obama interviewte Gorman etwas später für das Time Magazine. Die beiden sprachen in dem empfehlenswerten Interview unter anderem über Gorman’s Ziele und Motivation, aber auch darüber, was es bedeutet, eine schwarze Frau im Spotlight zu sein. Die junge Frau ist Teil einer Generation, die keine Angst davor hat Rassismus und Ungerechtigkeit auszurufen und in dem Interview erzählt sie, dass Kunst für sie ein Weg und Mittel sei über “the black experience” zu informieren. Gedichte seien dabei überall und oft der Herzschlag von Bewegungen des Wandels. Ein Beispiel dafür sind die Banner der Black Lives Matter-Proteste. Gorman warnte davor, niemals die Kraft der Kunst als universelle Sprache der Menschen zu unterschätzen. 

Eine Dichterin, die nicht sprechen konnte

Ausführlich sprachen die zwei Frauen auch über Gormans jahrelange Sprachprobleme. So konnte sie bis vor wenigen Jahren einige Buchstaben nur mühsam aussprechen. Heute aber sieht sie den Weg, den sie gehen musste, um ihre Sprachprobleme zu überwinden, als ein Geschenk. Schließlich ist sie erst dadurch zu einer Autorin geworden. Die junge Frau musste früh andere Wege finden, um zu kommunizieren. So sagt sie, habe es ihr geholfen, die Komplexität von dem Klang, der Aussprache und der Betonung von Wörtern zu verstehen, was ihr weiter in ihrer Karriere als Dichterin half.

Mit “The Hill We Climb” wollte die junge Frau ein Gedicht für ihre Nation schreiben, “that is worthy of a new chapter” und diese Hoffnung nach Einheit und Neuanfängen, hat sie vor einem Jahr definitiv verbreitet. Hoffentlich nimmt Amerika sich ihre Worte auch in Zukunft zum Herzen.
Um die Künstlerin ist es allerdings nicht still geworden. Am 07.12.2021 wurde ihr neuer Gedichtband “Call Us What We Carry”  veröffentlicht und ist überall erhältlich, wo es Bücher gibt.

Foto: (c) Getty images

Beitragsfoto: (c) TED Conferences (CC BY–NC–ND 4.0)

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