Abbau von Personal, Einsparung von Flächen, schlechte Bezahlung von HiWis – bei all diesen Themen beschweren wir uns gerne über die Uni. Die hat aber nur begrenzten Einfluss, denn letztendlich sind sie an Geld und Vorgaben des Landes Baden-Württemberg gebunden. Am Mittwoch, den 12.07.23 war der Finanzminister Dr. Danyal Bayaz an der Universität Tübingen zu Besuch und musste sich all diesen Themen stellen, auf die er durchaus einiges an Einfluss hat. Von Kundgebung über Vortrag und Interview bis hin zu einer Fragerunde war an dem Abend alles dabei.
Wenn der Finanzminister des Landes Baden-Württemberg an die Uni kommt, ist das natürlich ein Anlass, um prekäre finanzielle Situationen zu kritisieren und Forderungen zu stellen. Bereits vor der offiziellen Veranstaltung versammeln sich Studierende vor der Neuen Aula, um auf ein Thema besonders aufmerksam zu machen: Sie fordern einen Tarifvertrag für Studierende, die an der Universität als Hilfskräfte oder Tutor*innen angestellt sind. In den Redebeiträgen der Kundgebung wird klar, dass sowohl Lohn als auch Arbeitsbedingungen zu wünschen übrig lassen. Hilfskräfte ohne Abschluss bekommen Mindestlohn, mit Bachelorabschluss bekommt man ganze 35 Cent mehr. Viele Studierende seien auf diesen Job und das Geld angewiesen, unabhängig davon, dass solch ein Job oft als Chance für die Karriere der Studierenden angesehen werde. Es wird auf die schwierige ökonomische Lage vieler Studierender hingewiesen, gleichzeitig seien die Reallöhne im Vergleich zu früher durch die Inflation deutlich gesunken.
„Nicht Dankbarkeit, sondern Wut ist hier angebracht.“
Jan, Student, kämpft für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte
Tarifvertrag und Studiengebühren
Im Moment finden in Baden-Württemberg zwischen Ver.di und dem Land Verhandlungen über einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte statt, Finanzminister Bayaz hat sich hierzu noch nicht positioniert. Die Teilnehmenden der Kundgebung werden dazu aufgefordert, bei der Veranstaltung mit Fragen Druck zu machen. Margrit Paal von Ver.di betont noch einmal, dass man bei den Tarifverhandlungen alles versuchen werde. Wenn das Ergebnis am Ende nicht zufriedenstellend sei, dürfe man nicht den Gewerkschaften die Schuld geben. Ein weiteres Thema, bei dem Bayaz durchaus eine wichtige Rolle spielt, wird ebenfalls bei der Kundgebung angesprochen: Internationale Studierende, die nicht aus der EU kommen, müssen in Baden-Württemberg pro Semester 1.500 Euro Studiengebühren bezahlen. Diese Summen seien nur schwer zu stemmen, nicht alle Internationals haben reiche Eltern. Es sei nicht die Aufgabe von internationalen Studierenden, Finanzlücken zu schließen.
Nach der Kundgebung geht es dann rein ins Audimax, wo um 18:15 Uhr die offizielle Veranstaltung beginnt. Prof. Dr. Ansgar Thiel, Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, begrüßt den grünen Finanzminister Dr. Bayaz freundlich, legt aber auch gleich den Finger in die Wunde und kritisiert die mangelnde Finanzierung der Universität Tübingen. Man sei bereits am Rande der Belastbarkeit, sei aber dennoch gezwungen, Einsparungen beim Personal zu tätigen. Dies liege vor allem daran, dass man bisher keine Zusage vom Land habe, dass die Mehrkosten, die durch die gestiegenen Energiepreise entstehen, übernommen werden. Thiel verweist darauf, wie wichtig gut ausgestattete Universitäten in Zukunft seien, um Krisen zu meistern.
„Universitäten scheinen nicht das Lieblingskind zu sein.“
Prof. Dr. Ansgar Thiel, Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät
Vortrag zum Thema Finanzpolitik nach der Zeitenwende
Es folgt ein Vortrag von Bayaz, in dem er den Anwesenden ein paar Gedanken zur Finanzpolitik mitgeben will. Er geht auf die Krisen der letzten Jahre ein und betont, dass der Staat funktioniert habe; nur weil die Schuldenbremse funktioniere, sei es überhaupt möglich gewesen, so viele Gelder bereitzustellen. Natürlich habe der Staat auch Fehler gemacht, hier stehe er für eine positive Fehlerkultur; von Schuldzuweisungen halte er nichts. Jetzt sei eine Rückkehr zur Normalität angesagt, man müsse politische Prioritäten setzen. Trotzdem ist es ihm wichtig zu betonen, dass Baden-Württemberg keinen Sparhaushalt habe. Trotz Inflation und Rezession gebe es keine Sparprogramme und nichts werde hinten angestellt.
„Wir sind immer noch ein reiches Bundesland.“
Dr. Danyal Bayaz, Finanzminister von Baden-Württemberg
Bayaz macht einen kleinen Abstecher zur Bundespolitik und drückt seine Sorge aus, dass – Stichwort Wärmepumpen – Klimaschutz zum Kulturkampf werde. Für den Klimaschutz sei es wichtig, dass ein CO₂-Preis eingeführt werde, der sozial kompensiert wird. Tankrabatte oder die Energiepauschale halte er dagegen nicht für zielführend. Auch könne der Staat nicht alle Investitionen in Klimaschutz selbst tätigen, hier gelte es auch, privatem Kapital eine Richtung zu geben. Ein gutes Stichwort, um uns einen Finanztipp mit auf den Weg zu geben: Die Investition in Baden-Württembergische Staatsanleihen lohne sich. Dann kommt er konkret auf die Universitäten zu sprechen. Als Reaktion auf die Kritik von Thiel sagt er, jede Institution, die er besuche, habe das Gefühl, sie werde von ihm besonders vernachlässigt. Auch die Polizei berichte ihm, dass ihnen bald das Geld für das Benzin ausgehe. Das sei aber natürlich nicht der Fall, man habe die Universitäten im Blick. Jeder dritte Euro werde in Baden-Württemberg für Bildung ausgegeben, man brauche sich hier nicht zu verstecken.
Übernimmt das Land die Energiekosten?
Nach einer Feststellung seinerseits, dass er, ganz der Politiker, viel länger geredet habe, als er eigentlich wollte, geht es weiter mit einem kurzen Interview. Dies wird von Prof. Dr. Christine Osterloh-Konrad, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Steuerrecht sowie Rechtsphilosophie, geführt. Sie geht nochmals auf die fehlende Zusage zur Übernahme der gestiegenen Energiekosten ein: Spare man hier nicht doch irgendwie, auch wenn man keinen Sparhaushalt habe? Bayaz erklärt, dass man Geld zurückgelegt habe, gerade auch, um solchen Problemen gerecht zu werden. Er verweist auf bereits fortgeschrittene Gespräche zwischen Universitäten und dem zuständigen Wissenschaftsministerium und zeigt sich zuversichtlich, dass man zu einer guten Lösung kommen werde. Auf die Nachfrage, wann man denn mit Geld rechnen könne, betont er, dass er keine falschen Versprechungen machen wolle, es sich aber nur noch um Monate handle.
„Machen Sie sich da keine Sorgen.“
Dr. Danyal Bayaz, Finanzminister des Landes Baden-Württemberg, zum Thema Übernahme der Energiekosten
Es geht weiter mit Fragen aus dem Publikum. Eine Studentin verweist auf die prekären Bedingungen, unter denen Studierende teilweise leben und als Hilfskräfte an den Universitäten arbeiten. Jetzt werden sogar noch BAföG-Mittel vom Bund gekürzt. Warum sei er darüber nicht empört und unterstütze er die Forderung nach einem Tarifvertrag für Studierende? Bayaz erwidert, sie stelle die Situation zu einseitig dar; außerdem löse Empörung keine Probleme. Im Vergleich mit anderen Bundesländern laufe es in Baden-Württemberg nicht schlecht, auch wenn es natürlich Dinge gebe, die man besser machen könne. Er sei zwar dafür, dass auch die Studierenden von einer Erhöhung von Gehältern profitieren. Einen Tarifvertrag unterstütze er aber nicht; hier sei die Beibehaltung einer gewissen Flexibilität gut.
Viel Unmut, aber keine konkreten Zusagen
Ein weiterer Redebeitrag aus dem Publikum macht auf den Sanierungsstau bei Uni-Gebäuden aufmerksam, nur bei gut sanierten Gebäuden gebe es auch wirklich Potential, Energiekosten einzusparen. Viele Uni-Gebäude werden vom Land verwaltet, weshalb eine Sanierung in dessen Zuständigkeit fallen würde. Bayaz weist auf das ambitionierte Ziel hin, als Landesverwaltung bis 2030 klimaneutral zu sein. Dafür werde schon einiges gemacht. Man wolle auf alle geeigneten Dächer PV-Anlagen bauen und sei an Lösungen für Wärmeeffizienz dran. Auch müsse man, was Flächen angeht, effizienter werden; hier müsse man einfach genügsamer sein. Die einzige Ausnahme dafür sei das Cyber Valley. Auf Sanierungen geht Bayaz in seiner Antwort nicht konkret ein. Auf die Nachfrage, ob auch an Lehrräumen eingespart werden solle, gibt er keine konkrete Antwort. Er betont aber, dass dies eben die neue Realität sei und eben nicht mehr so viel Geld zur Verfügung stehe, wie man vielleicht von früher gewohnt sei. Dennoch wolle man den Wissenschaftsstandort erhalten.
Aus dem Publikum kommt zurück, dass dies aber nicht funktioniere, wenn die besagten Energiekosten nicht oder nur zu geringem Teil übernommen werden. Bayaz antwortet, dass er nicht Verhandlungen auf offener Bühne darüber anfangen werde, welchen Prozentsatz die Uni übernehme. Osterloh-Konrad drückt bei diesem Thema ihre Hoffnung auf Gleichbehandlung mit den Hochschulen in Baden-Württemberg aus, deren Mehrkosten an Energie komplett vom Land übernommen werden. Das andere Thema der Kundgebung, die Studiengebühren für internationale Studierende, wird nun ebenfalls nochmal von einer Studentin aus dem Publikum aufgegriffen. „Wir sind die zukünftigen Arbeitskräfte in Baden-Württemberg“, stellt sie fest. Bayaz betont, dass der Beschluss zur Abschaffung der Studiengebühren bereits gefasst sei, man sei ganz klar auf internationale Studierende angewiesen. Allerdings sei bisher die Finanzierung noch nicht geklärt, die man auch nicht den Universitäten überlassen möchte. Deshalb sei noch nicht klar, wann die Abschaffung auch umgesetzt werde.
Positiver Blick in die Zukunft
Im Publikum wird noch einmal betont, dass Universitäten am Beginn der Wertschöpfungskette stünden, Unternehmen hervorbrächten und davon auch die Wirtschaft direkt profitiere. Dem kann Bayaz nur zustimmen; Baden-Württemberg konkurriere nicht mit Schleswig-Holstein, sondern im Zweifel mit dem Silicon Valley. Abschließend stellt er fest, dass es kein einfacher Termin gewesen sei, dass er „ordentlich gegrillt wurde“. Er wünsche sich, trotz großer Herausforderungen, einen gewissen Grundoptimismus von den Menschen. Es wäre schön, wenn mehr Leute ein positives Bild der Zukunft hätten und mit hoffnungsfrohem Blick nach vorne schauen würden. Mit diesem Appell endet die Veranstaltung, viele der Studierenden schütteln den Kopf über manche seiner Aussagen, andere machen noch ein Selfie mit dem Finanzminister.
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