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BAföG 2.0?

Bei jeder neuen Wahl steht BAföG ganz oben auf der Liste der Themen, die Studierenden wichtig sind. Unsere Umfrage hat ergeben: Von langer Bearbeitungsdauer und unzureichenden Beträgen können die BAföG-Beziehenden ein Liedchen singen. Da das System weithin als ineffizient kritisiert wird, hat die neue Regierung einige Änderungen beschlossen. Was genau geplant ist, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Was ist BAföG?

von Leo Merkle

BAföG steht für Bundes-Ausbildungsrderungs-Gesetz. Dieses Gesetz bietet eine „finanzielle Förderung für Studierende und andere Auszubildende, die sich selbst nicht finanzieren und auch von ihren Eltern nicht ausreichend unterstützt werden können“. So beschreibt es das Schüler- und Studi-Magazin unicum online. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung formuliert den Grundgedanken hinter dem BAföG folgendermaßen:

„Ziel ist es, allen jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation eine Ausbildung zu absolvieren, die ihren Fähigkeiten und Interessen entspricht.“

bafög.de

Diese finanzielle Förderung erfolgt zur Hälfte in Form eines Zuschusses, der nicht zurückgezahlt werden muss – die Hälfte ist also geschenkt. Die andere Hälfte bekommt man in Form eines Darlehens, das fünf Jahre nach Ablauf der Förderung in monatlichen Raten zurückgezahlt werden muss. Mehr als 10.010 Euro müssen grundsätzlich nicht zurückgezahlt werden, selbst wenn man insgesamt mehr als das Doppelte erhalten hat.

Die Geschichte der Ausbildungsförderung

Im Jahre 1955 wurde eine Studienförderung beschlossen, eine Art Vorläufer des späteren BAföG. Das BAföG trat 1971 unter Willy Brandt in Kraft, anfangs noch als Vollzuschuss. Die Studierenden hatten damit sogar einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Förderung, wenn sie die Förderkriterien erfüllten.

Als nach den Bundestagswahlen 1982 Helmut Kohl das Kabinett stellte, sollte sich jedoch einiges ändern: Von 1983 bis 1990 war das BAföG auf einmal nicht mehr ein vollständiger Zuschuss, sondern ein vollständiges Darlehen. Ein Wandel von „alles geschenkt“ hin zu „alles zurückzahlen“. Viele Studierende machten Schulden von 70 000 DM, was heutigen 35 000 Euro entspricht.

Im Zuge der Wiedervereinigung 1990 wurde schließlich die 50/50-Regelung eingeführt, unter anderem, weil die Studierendenförderung der DDR seit 1953 eine deutlich niedrigere Studierendenförderung besaß als die BRD, allerdings auch ohne Verschuldung. Aufgrund anderer gesetzlicher Einschränkungen in den 80ern und 90ern war die Anzahl an gesetzlich Geförderten im Jahre 1998 auf 13% gesunken.

Unter Bundeskanzler Schröder wurden 2001 einige Änderungen der Kohl-Kabinette zugunsten der Studierenden rückgängig gemacht. Durch zusätzliche Veränderungen wie das Deckelungsprinzip konnten 2003 wieder über 25% der Studierenden die Förderung beziehen. Unter dem Deckelungsprinzip versteht man die bereits angesprochene Regelung, nicht mehr als 10.010 Euro zurückzahlen zu müssen.

Wer und wie wird gefördert?

Eine Voraussetzung für eine BAföG-Förderung ist die deutsche Staatsbürgerschaft oder eine Aufenthaltsgenehmigung. Eine andere: Du musst deine Ausbildung vor Vollendung des 29. Lebensjahres beginnen, bei Master-Studiengängen gilt eine Altersgrenze von 34 Jahren. 

Einmal bewilligt, läuft die Förderung höchstens bis ins letzte Semester der Regelstudienzeit, der Förderantrag muss jedes Jahr neu gestellt werden. Außerdem wird bei einem Fachwechsel im Studium die Förderung nur dann weiter gezahlt, wenn der Wechsel spätestens vor Beginn des 4. Fachsemester geschieht. 

Ob und wie viel Förderung man erhält, hängt vom Vermögen und Einkommen der Studierenden sowie vom Einkommen der Eltern und ggf. des Partners ab. Dies soll gewährleisten, dass nur diejenigen eine Förderung des Staates erhalten, die diese auch wirklich benötigen.

Das BAföG wurde 1971 unter Willy Brandt eingeführt. ©Jonas Grauer

Persönliche Erfahrungen mit BAföG

von Jonas Grauer

Nach euren Erfahrungen zum Thema BAföG haben wir euch in unserer (natürlich nicht repräsentativen) Kupferblau Sonntagsumfrage auf Instagram gefragt. Dabei stellte sich heraus, dass nur 17% von euch überhaupt die Unterstützung des Staates in Anspruch nehmen. Auch eure individuellen Eindrücke habt ihr mit uns geteilt.

„Monatelang ohne Antwort warten“

„Wegen Studiumswechsel krieg ich kein BAföG mehr. Ziemlich dreckig, dass die Fristen da so starr sind.“

„Lange Bearbeitungszeiten und immer den gleichen Mist einreichen, um einen komplett anderen Betrag zu kriegen.“

„In so vielen Fällen heißt es, dass sich der Aufwand gar nicht erst lohnt.“

Da scheint es wenig verwunderlich, dass 97% von euch der Meinung waren, dass eine BAföG-Reform nötig wäre.

Die Probleme, von denen ihr und auch andere Studierende im Zusammenhang mit dem BAföG immer wieder berichten, wurden mittlerweile auch von den deutschen Studierendenwerken aufgenommen und in 10 Eckpunkten mit diversen Verbesserungsvorschlägen zusammengefasst. Diese beinhalten unter anderem die Forderung, das BAföG existenzsichernd, flexibel und mit Planungssicherheit auszugestalten.

Der Förderbetrag soll regelmäßig an die aktuelle Lebenssituation im Land angepasst werden, der Anteil der Förderberechtigten soll wieder deutlich steigen und die Entscheidung über eine Förderung soll für die Dauer des gesamten Studiengangs gefällt werden. Ebenso wird der Wunsch kommuniziert, die Beantragung des BAföG zu entbürokratisieren und digitaler zu machen. Auch Studienfachwechsel sollen in Zukunft einfacher möglich sein. Nicht zuletzt wird gefordert, den BAföG-Notfallmechanismus der Coronakrise im Gesetz zu manifestieren, um Studierende auch in möglichen zukünftigen Notlagen schnell unterstützen zu können.

Problembewusstsein der Bundesregierung

Zu ihrem Amtsantritt machte nun auch die neue Bundesregierung deutlich, dass ihr die BAföG-Problematik bewusst sei, und dass man jetzt gegensteuern wolle. Ausschlaggebender Punkt hierfür war und ist die stetig sinkende Zahl der Geförderten, die auch in unserer Sonntagsumfrage auszumachen war. Dies wiederum ist aber zweifelsohne darauf zurückzuführen, dass so vieles im BAföG-Prozess nicht rund läuft. Daher fand das BAföG gleich an mehreren Stellen im Koalitionsvertrag der „Ampel“ Erwähnung. Unter anderem heißt es dort:

Wir richten das BAföG neu aus und legen dabei einen besonderen Fokus auf eine deutliche Erhöhung der Freibeträge. Außerdem werden wir u. a. Altersgrenzen stark anheben, Studienfachwechsel erleichtern, die Förderhöchstdauer verlängern, Bedarfssätze […] anheben [und] einen Notfallmechanismus ergänzen. Freibeträge und Bedarfssätze werden wir künftig regelmäßiger anpassen. […] Die Beantragung und Verwaltung des BAföG werden wir schlanker, schneller und digitaler gestalten […].“ (S. 98)

 

Insgesamt klingt das recht vielversprechend – die Ziele der Bundesregierung decken sich zumindest in Teilen mit den Forderungen der Studierendenwerke. Dennoch ist diese Absichtserklärung mit Vorsicht zu genießen, denn Formulierungen wie „deutliche Erhöhung“ oder „regelmäßiger anpassen“ lassen viel Spielraum für Interpretation hinsichtlich konkreter Zahlen und Daten. Trotzdem ist die Erwartungshaltung angesichts einer solchen Absichtserklärung natürlich hoch, und die Bundesregierung wird sich an ihren Ambitionen im Koalitionsvertrag messen lassen müssen.

Kaum ein halbes Jahr nachdem die Ampel-Koalition ihre Arbeit aufgenommen hat, steht nun auch schon der erste Gesetzentwurf zur Anpassung des BAföG in den Startlöchern. Am 8. April 2022 stellte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger das Dokument vor, welches sich in einigen wesentlichen Punkten zusammenfassen lässt.

Der Gesetzentwurf

An erster Stelle steht die Erhöhung des Freibetrages um 20%. Dieser steigt von 2.000€ auf 2.400€ bei verheirateten Eltern und von 1.330€ auf 1.600€ pro Elternteil, wenn diese getrennt leben. Mit dieser Maßnahme möchte das Bundesministerium für Bildung und Forschung das BAföG wieder mehr der Mittelschicht zugänglich machen.

Ebenso sollen die Bedarfssätze um 5% angehoben werden. Somit würde der Grundbedarf für Studierende von 427€ auf 449€ steigen. Im gleichen Zug soll die Wohnpauschale jetzt mit 360€ bemessen werden, wenn Studierende nicht mehr bei ihren Eltern leben.

Priorität wird zudem auf die Vereinfachung der digitalen BAföG-Beantragung gelegt. Dies ist zwar schon jetzt mit dem digitalen Antragsassistenten ‚BAföG-Digital‘ möglich, jedoch benötigt man hierfür Zugang zu einem elektronischen Authentisierungsverfahren (z.B. die eID-Funktion des Personalausweises), was bisher noch wenig verbreitet ist. Daher soll nun der Verzicht auf jenes Verfahren, sowie auch auf das Schriftformerfordernis erfolgen. Ein BAföG-Antrag könnte dann rechtswirksam vollständig elektronisch eingereicht werden.

Auch ein sogenannter Notfallmechanismus hält nun Einzug in die BAföG-Regularien. Um bei bundesweiten gravierenden Krisensituationen schneller handeln zu können, soll die Bundesregierung künftig die Förderungsdauer des BAföG bei Bedarf entsprechend angemessen verlängern können, wie dies erstmalig in der Coronakrise geschehen ist.

Die Bundesregierung hat bereits einen Gesetzesentwurf zur BAföG-Reform vorlegt – in diesem sind allerdings nur wenige Forderungen des Studierendenwerks enthalten. ©Pixabay

Anpassung des BAföG: Realitätscheck

Positiv zu bemerken ist zunächst, dass immerhin zwei der von den Studierendenwerken geforderten Änderungen in dem neuen Gesetzentwurf untergekommen sind. Der Notfallmechanismus in Katastrophenlagen und die Entbürokratisierung und Digitalisierung des Antragsprozesses. Wie dies dann in der Praxis funktioniert, wird sich zeigen müssen, sobald das Gesetz die Zustimmung des Parlamentes erhalten hat. Alle anderen acht Forderungen aus dem Eckpunkteplan der Studierendenwerke sind allerdings entweder gar nicht oder nur unzureichend angegangen worden, wie eine genauere Betrachtung zeigt:

Die Erhöhung der Freibeträge beim Elterneinkommen um 20% fällt zwar höher aus als erwartet und auch die Studierendenwerke zeigen sich hier positiv überrascht. Jedoch werden diese 20% dem Anspruch der Bundesregierung nicht gerecht, das BAföG wieder mehr in Richtung Mittelschicht zu öffnen. So gehört in Deutschland zur Mittelschicht, wer in einer Familie mit zwei Kindern mindestens 3.000€ im Monat zur Verfügung hat. Davon ist der angestrebte Freibetrag von 2.400€ noch ein gutes Stück entfernt. Ähnlich sieht es beim Freibetrag bei Alleinerziehenden aus.

Auch der auf 449€ festgesetzte Grundbedarf kommt im Realitätscheck nicht gut davon. Zunächst ist es kaum verständlich, wie dieser bei einer gleichzeitigen Inflationsrate von +7,4% im April 20221 nur um 5% angehoben werden kann. Mit dieser Erhöhung bewegt sich der BAföG-Grundbedarf nun auf demselben Niveau wie der aktuelle Hartz IV Regelsatz. Aus Sicht des Staates ist das zwar nachvollziehbar, jedoch ist auch mehr als strittig, ob Hartz IV tatsächlich zum Leben reicht. Spätestens beim Vergleich mit den durchschnittlichen monatlichen Lebenshaltungskosten von 496€ ohne Miete für Studierende in Deutschland2 wird klar, dass die im aktuellen Gesetzentwurf geplante Erhöhung des Grundbedarfs wohl kaum die finanziellen Probleme der BAföG-Empfänger*innen lösen wird.

Eine ähnliche Problematik lässt sich in Sachen Wohnpauschale beobachten. Die vorgeschlagenen 360€ pro Monat bleiben weit hinter dem zurück, was Studierende heute häufig für ein WG-Zimmer bezahlen müssen. Von den zahlenmäßig fünf größten Universitätsstädten in Deutschland liegt die durchschnittliche monatliche Warmmiete für ein WG-Zimmer nur in Aachen knapp unter 360€3. Und auch in Tübingen ist die Warmmiete mit durchschnittlich 458€ pro Monat deutlich höher als das, was mit der BAföG-Wohnpauschale bezahlbar wäre.

Insgesamt kann der neue Gesetzentwurf zur Anpassung des BAföG also kaum den Erwartungen gerecht werden, die Betroffene angesichts der vielen Probleme haben. Wenig Hoffnung macht dabei zudem die Erklärung der Bundesbildungsministerin, man habe mit dem vorliegenden Gesetzentwurf bereits den Großteil der angestrebten Änderungen umgesetzt. Natürlich kann der Staat nicht jeden mit größeren Geldmengen ausstatten – staatliche Unterstützung ist eben kein Wunschkonzert. Doch wer sich als Regierung auf die Fahnen schreibt, Probleme erkannt zu haben und angehen zu wollen, der sollte dies dann nicht nur zur Hälfte erledigen und gegebenenfalls enger mit den Betroffenen, in diesem Fall den Studierendenwerken, zusammenarbeiten.

Beitragsbild: Hannah Burckhardt

Bilder: Jonas Grauer, Pixabay

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1 Kommentar

  1. Maria Burckhardt sagt:

    Interessanter Artikel!

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