Eine Sorge weniger haben die Bewohner*innen des Wohnheims in der Münzgasse 13 seit der Verhandlung vergangenen Donnerstag. Nachdem das Studentenwerk e.V. sie auf Nutzungsentschädigungen in Höhe von insgesamt 30 000€ verklagt hatte, haben sich beide Parteien nun vor Gericht auf eine Zahlung der Hälfte der eingeklagten Beträge geeinigt.
Circa dreißig Personen waren am Donnerstag im Amtsgericht anwesend, um der Verhandlung zwischen Bewohner*innen der Münzgasse 13, genannt Münze, und dem Studentenwerk e.V. beizuwohnen. Etwa fünfzehn davon waren als Zuschauer*innen erschienen. Das Studentenwerk e.V. mietet die Münzgasse 13 vom Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim und vermietet sie an die Bewohner*innen weiter. Die Bewohner*innen wurden vom Studentenwerk verklagt, weil sie von März bis Dezember 2021 die Mieten einbehalten hatten. Laut Website der Münze gab es dafür zweierlei Gründe: Zum einen sind die Bewohner*innen schon seit Jahren bestrebt, das Gebäude in der Münzgasse 13 zu erwerben. Die Einstellung der Mietzahlungen sollte bezwecken, das Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim gemeinsam mit dem Studentenwerk e.V. an einen Tisch zu bekommen, um über diese Frage zu beraten. Mittlerweile steht die Münze tatsächlich in Verhandlungen mit dem Amt Vermögen und Bau und dem Studierendenwerk, nicht aber mit dem Studentenwerk e.V. Der zweite Grund für die Einstellung der Mietenzahlungen war eine Liste von Mängeln am Haus, derer sich Studierendenwerk und StuWe e.V. annehmen sollten.
Zwar zahlen die Bewohner*innen seit Januar 2022 wieder und haben auch die zunächst einbehaltenen Mieten im Nachhinein samt Zinsen beglichen, doch vor Gericht verlangte das StuWe noch mehr. Etwa 150€ monatlich sollten sie mehr zahlen, insgesamt wären das circa 30 000€. Denn: Das StuWe hatte den Bewohner*innen drei Monate nach der ersten Mieteinbehaltung gekündigt, die daraufhin statt der Miete zu zahlende Nutzungsentschädigung richtet sich nach dem lokalen Mietenniveau. Zu zahlen gewesen wäre dann also noch die Differenz zwischen der verlangten Nutzungsentschädigung und den Mieten.
Profitinteressen schlagen Wohl der Studierenden?
Es war ein komplexer Prozess, in dem es laut Richterin „viele Stellschrauben“ gibt. Und: „Der Ausgang ist völlig offen.“ Außerdem gehe es offenbar weniger um das Geld selbst, als um die Beziehung zwischen Münze-Bewohner*innen und dem Studentenwerk. Dr. David Greiner, Verteidiger der angeklagten Seite, sieht das anders, es habe sich fürs Studentenwerk recht eindeutig ums Geld gedreht. Die Klage kann er sich nur so erklären, dass aus den Bewohner*innen „noch mehr Geld herausgepresst“ werden sollte. Ein derartiges Verhalten von einer Institution, die sich eigentlich um das Wohl der Studierenden sorgen sollte, findet er „unsäglich“. Zudem gehe es bei der Verhandlung nicht nur um die Mieten von drei Monaten, sondern „um alles“: Eine Festlegung der Nutzungsentschädigung auf ein Niveau 150€ über der bisherigen Miete hätte höchstwahrscheinlich eine auch künftig geltende Mieterhöhung bedeutet.
Kümmerten sich die Vermieter ausreichend?
Gegenstand der Verhandlung war im Kern die Entscheidung, ob die Mieteinbehaltung der Bewohner*innen rechtens gewesen war, oder nicht. Wenn der*die Vermieter*in Mängel am Gebäude nicht beseitigt, so haben Mieter*innen ein Recht auf Einbehaltung der Miete. Das StuWe zweifelte vor Gericht an, dass dieser Fall hier vorliegt. Die Zielsetzung der Mieteinbehaltung sei nicht klar gewesen – war das Anliegen der Bewohner*innen nun die Mängel oder war es die Bestrebung des Hauskaufs? Greiner betonte in diesem Zusammenhang, dass Zielsetzungen durchaus heterogen sein können.
Eine längere Diskussion entspann sich um die Liste der Mängel am Haus, die die Münze-Bewohner*innen vorgelegt hatten. Laut Greiner sei das Gebäude ganz eindeutig in einem „total heruntergekommenen Zustand“. Die Liste attestierte unter anderem undichte Fenster in jedem Raum. Die Richterin befand die Liste für ausreichend, doch Herr Schneid, der beim StuWe für Angelegenheiten der Mängelbeseitigung zuständig ist, hielt dagegen: Er könne mit der Mängelliste nichts anfangen. Statt ungenauen Allgemeinaussagen wolle er spezifische Beschwerden von einzelnen Mieter*innen, dann könne er diese Mängel auch gezielt beheben. Das Problem: Aus Sicht der Bewohner*innen ist die Münze als Ganzes sanierbedürftig – wenn alle Fenster undicht sind, sind nun mal alle Fenster undicht.
Auch um verbesserungswürdige Kommunikation ging es: Die Bewohner*innen der Münze machten beispielsweise darauf aufmerksam, dass kaum kommuniziert worden sei, an wen sie sich zur Mängelbeseitigung wenden können. Schneid erklärte, dass er Beschwerden immer ans Studierendenwerk weitergeleitet habe, da dieses als Eigentümer für die Sanierung zuständig ist. Außerdem beklagte er, dass die Bewohner*innen es ihm schwer gemacht hätten, Begutachtungstermine auszumachen. Die Richterin wies darauf hin, dass eine bloße Weiterleitung nicht ausreichend sei, sondern dass das Studentenwerk als Vermieter verpflichtet sei, an einer solchen Sache auch längerfristig dranzubleiben. Die tatsächlichen Hergänge sind im Bezug auf die Kommunikation recht unklar, die Diskussion zeigt jedoch den Aspekt der Beziehung zwischen Münze und Studentwerk auf, den die Richterin bereits zu Beginn angesprochen hatte. Zudem fällt auf, dass der Wunsch der Bewohner*innen nach einer ganzheitlichen Sanierung des Hauses bei Studentenwerk und Studierendenwerk kaum anzukommen scheint und eine Umsetzung durch die unklaren Verantwortungsverhältnisse zwischen den beiden Institutionen erschwert werden könnte.
Mit weniger zufrieden
Um dem Aufwand und den Kosten der Beauftragung eines sachverständigen Gutachters zu entgehen, der die Mängel und Sanierungsbedürftigkeit der Münze feststellen könnte, schlug die Richterin einen Kompromiss vor: Die Bewohner*innen sollten die Hälfte der ursprünglich eingeklagten Beträge bezahlen. Beide Seiten stimmten dem Vorschlag zu. Ein Vertreter des Studentenwerk e.V. betonte jedoch: „Ich möchte dieses Spiel nicht noch einmal spielen müssen.“ Die Richterin appellierte an beide Seiten, künftig klarer zu kommunizieren und Missverständnisse bereits im Vorfeld auszuräumen.
Nach der Verhandlung zeigten sich die Bewohner*innen der Münze zufrieden mit dem Ergebnis. Zwar wäre ein Gutachten laut Greiner vermutlich zugunsten der Angeklagten ausgefallen, jedoch hätten sie auch die Kosten dafür tragen müssen. Zudem hätten die Bewohner*innen derzeit mit den Gesprächen rund um den Hauskauf und weiteren persönlichen Angelegenheiten bereits „genug Baustellen offen,“ wie es Greiner formulierte, sodass sie sich für den Kompromiss entschieden hatten. Mit der Einigung sei für sie nun eine Last weggefallen und die zu zahlenden Beträge seien stemmbar, urteilen die Bewohner*innen.
Fotos: Hannah Burckhardt