Auch die StuRa-Sitzung am 16. Mai blieb von kontroversen Grundsatzdiskussionen und deutlichen Meinungsverschiedenheiten nicht verschont. Diesmal stand die Hochschulgruppe “Studentenmission in Deutschland” im Mittelpunkt. Außerdem stand der StuRa vor der Frage, wie er eigentlich Gelder vergeben, und ob er als politisches oder administratives Organ agieren sollte. Abgesehen davon wurde die Förderung von Faktor 14 und der Menschenrechtswoche sowie die Mitwirkung an der “stop the cuts”-Kampagne beschlossen.
Es war die zweite StuRa-Sitzung in Präsenz, für viele Mitglieder sogar die erste StuRa-Sitzung in Präsenz überhaupt. Aus dem Nebenraum tönte wieder das Orchester, als der Geschäftsführende Ausschuss (Gabriel von der Linken Liste und Elena von der Liberalen Hochschulgruppe) die Sitzung eröffnete. Nachdem die Bestätigung der Ergebnisse des Umlaufverfahrens erfolgt war – u.a. werden Flinta-Schach und Impro-Theater gefördert werden – wurde der Termin für die nächste StuRa-Sitzung festgelegt. Wegen des Pfingstfeiertages in drei Wochen entschied man sich, sie in vier Wochen abzuhalten.
Den ersten Antrag stellte das studentische Magazin Faktor 14. Sie beantragen Förderung aus den Qualitätssicherungsmitteln des StuRa. Faktor 14 berichtet über die Forschung in Tübingen und hilft Studierenden dabei, ihre Abschlussarbeiten populärwissenschaftlich umzuschreiben und zu veröffentlichen. Da sie die Druckkosten nicht alleine stemmen können, hätten sie vom StuRa gerne 2618 Euro für 1500 neue Exemplare. Es gab weder Fragen noch Einwände und der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Studentenmission in Deutschland
Sehr viel mehr Redebedarf gab es zum zweiten Antrag. Eine Vertreterin der Hochschulgruppe “Studentenmission in Deutschland” stellte ihn vor. Sie beantragte eine Förderung der Hochschultage 2022, welche ein viertägiges Event mit zwölf Veranstaltungen sein werden. Die Hochschulgruppe will Möglichkeiten zum Diskurs über Wissenschaft und Glauben eröffnen, und auf aktuelle Themen sowohl eine christliche als auch wissenschaftliche Perspektive eröffnen. Zu diesem Zweck hat sie vier Referent*innen eingeladen, u.a. den Biochemiker Alexander Fink und den Althistoriker Jürgen Spieß, für dessen Honorar sie die Förderung des StuRa in erster Linie verwenden will. Bestandteil der Hochschultage ist außerdem Flyer-Verteilen in der Altstadt.
Die erste kritische Frage stellte Jakob von der FSVV: “Inwiefern ist die Reihe wissenschaftlich, und inwiefern ist sie Werbung für christliche Hochschulgruppen?” Die Vertreterin der SMD betonte, dass das Hauptziel nicht Werbung sei, sondern Inhalte zu übermitteln, und dass nicht im großen Stil Flyer verteilt würden. Jakob erwiderte, dass die Veranstaltungen, die normalerweise gefördert würden, wissenschaftlicher seien, und dass die Titel mancher Vorträge eher wie ein Gottesdienst klängen. Die Antragstellerin wies diesen Einwand zurück: Ziel sei es nicht, einen Gottesdienst abzuhalten, es werde keine Gebete und keine christliche Musik geben. Der Althistoriker Jürgen Spieß erkläre in seinem Vortrag nicht mit religiösen, sondern mit historischen Argumenten, wie man die Bibel belegen könne.
Johanna von der Grünen Hochschulgruppe fragte nach, inwiefern sich die Tübinger SMD von anderen Missionsgruppen in Deutschland – zum Beispiel Dresden, Jena oder Greifswald – distanziere. Die Vertreterin der Tübinger Gruppe wusste nicht, worauf Johanna anspielte, aber erklärte, dass die SMD Tübingen zwar unter dem Dachverband stehe, aber eine eigenständige Ortsgruppe sei, die keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen anderer Ortsgruppen habe. Sie würde nicht vom Dachverband gesponsert, sondern finanziere sich aus Tübinger Spendenbeiträgen.
Eine über Zoom hinzugeschaltete Person, die als Gast an der StuRa-Sitzung teilnahm, fragte nach, ob die Hochschulgruppe missionieren wolle. “Ich frage nur, weil ihr es im Namen habt.” Die Vertreterin antwortete, dass das Angebot eine Einladung sei, die nur ausgesprochen würde, wenn jemand Lust habe. Flyer würden niemandem aufgedrängt, und ein “Nein” werde akzeptiert. Die Person erwiderte: “Für mich klingt das nach einem StuRa-finanzierten Missionswochenende. Du hast jetzt nur erklärt, wie ihr missioniert. Es ist zwar ein sanftes Missionieren, aber dennoch Missionieren.” Die Antragstellerin antwortete, die Gruppe wolle niemanden überzeugen, sondern sich über Weltanschauungen austauschen, aber natürlich handele es sich bei ihrer Weltanschauung um die christliche.
Veranstaltungen fördern, nicht Gruppen
Bastian von der Juso-HSG sprach sich für eine Förderung des Antrags aus. Er wies darauf hin, dass der StuRa keine Gruppen, sondern Veranstaltungen finanziere, gleiches gelte für bestimmte Aktionen des OTFR, die man schon gefördert habe. Religiöse Veranstaltungen generell auszuschließen, halte er für ungerecht, da das Christentum eine legitime Weltanschauung sei. Er fände es schade, wenn man diesem Antrag nicht stattgeben würde, nur weil man inhaltlich nicht hundertprozentig einverstanden sei. Die Vertreterin der SMD erklärte, dass für die Tübinger Gruppe das Christentum eine von vielen Weltanschauungen sei, und dass sie andere Weltanschauungen genau so akzeptieren würde.
Gabriel von der Linken Liste meldete sich zu Wort: Die Arbeit von politischen Gruppen wie dem OTFR könne man genau so als politische Mission oder Indoktrinierung verstehen. Er sprach einen Vortrag von Dr. Natasha A. Kelly an, die im Moment am Institut für Medienwissenschaft als Gastprofessorin lehrt (hier berichteten wir über den Vortrag). Diesen nicht vom StuRa geförderten Vortrag verstand er als “unwissenschaftliche Identitätspolitik”, und hinterfragte, warum solche Vorträge stattfinden dürften, aber die Veranstaltung der SMD nicht. Veranstaltungen mit muslimischem und jüdischem Hintergrund würden sofort gefördert, was richtig sei, aber das Christentum habe unsere Kultur am meisten geprägt.
Sebastian von der Grünen Hochschulgruppe warf ein, dass man nicht darüber spräche, ob die Veranstaltungen stattfinden dürfe oder nicht, sondern ob sie aus Mitteln der Studierendenschaft finanziert würde. Seines Ermessens nach habe die Hochschulgruppe genug Mittel, um die Veranstaltung anderweitig zu finanzieren, und man solle sich lieber auf Veranstaltungen konzentrieren, die sonst nicht stattfinden könnten.
Ist der StuRa politisch oder administrativ?
Der Finanzreferent Moritz sprach einen neuen Themenbereich an: Der StuRa sei berechtigt, politische Entscheidungen zu treffen. Man könne nicht jeden Antrag durchwinken, nur weil er formal korrekt sei.
Nun meldeten sich auch die Vertreter des Rings Christlich Demokratischer Studenten zu Wort. Anton konstatierte, man messe mit zweierlei Maß. Ansonsten fördere man auch Anträge, die mit der eigenen Weltanschauung nichts zu tun hätten. Bei politischen Veranstaltungen werde genau so versucht, Nachwuchs für die eigene Hochschulgruppe zu finden. Felipe war der gleichen Meinung: Der StuRa habe genug Geld; er müsse es eher “loswerden”. Bei der letzten Sitzung habe man zu lange über das Flinta-Schach diskutiert, es wäre unfair gewesen, diesen Antrag nicht zu fördern, nur weil er von einer feministischen Gruppe käme, genau so müsse man sich aber auch beim Thema Christentum an Artikel 3 des Grundgesetzes – Gleichheit – halten. Der StuRa sei zwar ein politisches, aber auch ein administratives Organ, und somit verfassungsgebunden. Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass die Direktionsaufsicht zwar gegen die Förderung des OTFR keinen Einspruch erhoben habe, allerdings mit dem Einwand, man müsse auf Pluralität achten.
Schließlich wurde der Antrag mit acht Gegenstimmen, sechs Für-Stimmen und zwei Enthaltungen abgelehnt. Die Vertreterin der SMD verließ höflich dankend die Sitzung.
Menschenrechtswoche und “Stop the Cuts”
Die nächsten beiden Anträge stellte eine Vertreterin der Menschenrechtswoche Tübingen vor. Diese wird dieses Jahr unter dem Motto “Ressourcen fallen nicht vom Himmel – wovon hängen Menschenrechte ab?” stehen. Das Ziel ist es, das Bewusstsein für Menschenrechte in Tübingen zu stärken. Verschiedene Initiativen haben sich zusammengefunden, und es soll Vorträge und Festakte geben. Da einer der Anträge nicht fristgerecht eingegangen ist, wird über ihn im Umlaufverfahren abgestimmt werden. Über den anderen konnte direkt abgestimmt werden. Die Einwände waren weniger zahlreich als beim vorherigen Thema. Es wurde darauf hingewiesen, dass Geschenke nicht gefördert werden dürfen, und dass lieber kein Geld in Instagram- und Facebook-Werbung gesteckt werden sollte, da diese ineffektiv, und das Unternehmen Meta nicht unterstützenswert sei. Die Antragstellerin erwiderte, dass junge Menschen über andere Plattformen oder Medien schwer zu erreichen seien.
Mit elf Ja-Stimmen, einem Nein und zwei Enthaltungen wurde der Antrag angenommen.
Den nächste Antrag wurde von der Grünen Hochschulgruppe gestellt. Es ging um eine Mitwirkung an der “Stop the Cuts”-Kampagne, welche gegen Bildungsungerechtigkeit demonstriert. Sowohl die Fachschaften als auch die Arbeitskreise sollen diese Kampagne aktiv unterstützen. Dieser Antrag wurde ebenfalls angenommen, obwohl er die Abschaffung der Schuldenbremse fordert, was kritisiert wurde.
Es folgten die Berichte aus den Arbeitskreisen. Der Finanzreferent Moritz berichtete von einer Erhöhung der Ausgaben, zum Beispiel wegen des Notlagenstipendiums, das nun auch für ukrainische Studierende ausreichen sollte, oder wegen des RACT-Festivals. Außerdem wurde der studentische Radverkehr stärker gefördert. Diese Kosten werden durch die Rücklagen des StuRa gedeckt. Dass diese nun langsam etwas sinken, während sie in den letzten Jahren immer bei rund einer Million Euro waren, ist laut Moritz erstrebenswert.
Im Arbeitskreis Soziales macht man sich Gedanken über die Bedeutsamkeit der asynchronen Lehre für Studierende Beeinträchtigung und mit Kindern, und der Arbeitskreis Gleichstellung kümmert sich um Spenden für Tampons und Binden. Man erklärte sich erfreut über die Wahl der neuen Rektorin und über die letzten beiden Clubhausfeste. Der Arbeitskreis Presse und Öffentlichkeitsarbeit wird bald in Zusammenarbeit mit der Kupferblau eine Elefantenrunde für die nächste Wahl organisieren, weitere Details werden auf unseren Social Media Kanälen (Instagram, Facebook, Twitter) zu finden sein. Die Sitzung endete kurz nach 23 Uhr.