Senat und Universitätsrat sind am vergangenen Mittwoch, den 27. April, zusammengekommen, um die Nachfolgerin des aktuellen Rektors Bernd Engler zu wählen. Der Rektor geht im Oktober in den Ruhestand. Im zweiten Wahlgang wählten die beiden Wahlgremien Karla Pollmann zur künftigen Trägerin des Rektor*innenamts.
“Die Wahlgremien wählen in einer gemeinsamen Sitzung unter der Leitung der oder des Vorsitzenden des Hochschulrats die hauptamtlichen Rektoratsmitglieder. Gewählt ist, wer die erforderliche Mehrheit in beiden Wahlgremien erreicht. Im ersten Wahlgang ist die Mehrheit der Stimmen der Mitglieder, im zweiten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder und im dritten Wahlgang die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Wird auch im dritten Wahlgang die erforderliche Mehrheit nicht erreicht, ist das Wahlverfahren zu beenden und die Stelle erneut auszuschreiben.”
So zitiert Bernhard Sibold, Vorsitzender des Universitätsrats und damit Leiter der Rektorinnenwahl, das Landeshochschulgesetz. Er erklärt den Wahlvorgang, beschreibt ihn als “Ende eines Informations- und Meinungsbildungsprozesses”, der von hoher Bedeutung für die Zukunft der Universität sei. Bereits im November habe das Bewerbungsverfahren begonnen, im Februar hätten Senat und Universitätsrat dann die drei Kandidatinnen Beatrix Busse, Monique Scheer und Karla Pollmann zur Wahl vorgeschlagen. Im März habe das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sein Einverständnis ausgesprochen, die Kandidatinnen hätten anschließend ihre Ideen und Vorstellungen vorgestellt.
Auf Sibolds Frage nach seinem Einverständnis mit dem beschriebenen Wahlvorgang bezeichnet der anwesende Vertreter des Ministeriums diesen als “konstruktives Rennen für den besten Vorschlag für die Universität Tübingen”. Dazu habe auch die vorherige “Bestenauslese” durch das Bewerbungsverfahren gehört. Er mahnt zu einem gewissenhaften Umgang mit der Wahl, denn: “Es geht um eine ganze Menge!”
“Dann bitte ich, zur Wahl zu schreiten”
Weil auch auf erneute Nachfrage Sibolds hin niemand das Wort gegen das Wahlverfahren erheben möchte, äußert sich Sibold: “Dann bitte ich, zur Wahl zu schreiten.” Im ersten Wahlgang entfallen von den 34 abgegebenen Stimmen der 35 Senatsmitglieder zehn auf Beatrix Busse, dreizehn auf Karla Pollmann und elf auf Monique Scheer. Von den elf Mitgliedern des Universitätsrats stimmen drei für Beatrix Busse, sieben für Karla Pollmann und eines für Monique Scheer. Obwohl hier im Universitätsrat ein eindeutiges Ergebnis vorliegt, muss es einen zweiten Wahlvorgang geben, da keine der Kandidatinnnen im Senat die erforderliche Mehrheit erreicht. Eine Stunde lang ziehen sich die Wahlgremien zur Beratung zurück.
Zweiter Wahlgang
Im zweiten Wahlgang reichen nach Landeshochschulgesetz die Stimmen der anwesenden Wahlgremienmitglieder aus. Die Stimmen der beiden Briefwähler*innen aus Senat und Universitätsrat entfallen somit; die anwesenden 33 Senatsmitglieder und zehn Mitglieder des Universitätsrats stimmen also erneut ab. Bevor sie dies tun verkündet Sibold, Beatrix Busse ziehe angesichts des Ergebnisses im ersten Wahlgang ihre Kandidatur zurück – man spreche ihr dafür großen Respekt zu und bedanke sich für ihr Engagement. Im Senat stimmen 25 Mitglieder für Karla Pollmann, sieben Mitglieder für Monique Scheer. Ein Mitglied enthält sich. Im Universitätsrat hingegen gibt es keine Enthaltung, sieben der zehn Stimmen entfallen diesmal auf Karla Pollmann, drei auf Monique Scheer. Karla Pollmann erreicht somit die erforderliche Mehrheit und wird künftige Rektorin der Universität Tübingen. Ihre sechsjährige Amtszeit beginnt am 01. Oktober 2022.
Wahlsiegerin Pollmann betont die Wichtigkeit der Wahl
“Ich bin wirklich sehr glücklich, dass Sie mir dieses Amt anvertraut haben”, äußert sich Wahlsiegerin Pollmann. Mit dem Ablauf der Wahl habe die Universität bewiesen, dass sie in der Lage sei, zusammenzurücken, wenn es nötig sei. Das sei etwas besonderes, denn an einer Universität kämen viele Kräfte und Statusgruppen zusammen. Pollmann meint: “Die Universität ist dafür da, dem Spiel der Kräfte Raum zu geben”. Im Rahmen dieses Spiels habe sie in den vergangenen Wochen einige Gespräche geführt, sie freue sich auf alle weiteren, in denen alle Statusgruppen ihre Sorgen und Ambitionen herantragen können.
Historische Bedeutung des Wahlergebnisses
Mit dem Ende einer “16-Jahre-Ära”, wie Sibold Englers Amtszeit nennt, und der erstmaligen Wahl einer Frau zur Inhaberin des Rektor*innenamts ist das Wahlergebnis von historischer Bedeutung. Engler habe mit seinem “überragenden Einsatz” eine hohe Messlatte gesetzt, so Sibold. Trotz des Umbruchs für die Universität werde man daran arbeiten, einen möglichst nahtlosen Übergang zu ermöglichen. Die Wahlgremien und der Vorsitzende des Universitätsrats haben mit ihrem Wahlergebnis ihre Hoffnung, auch künftig als Universität Exzellenzstatus tragen und zusammenstehen zu können, erstmals in eine Frau als Rektorin gesetzt.
Fotos: 1 und 2 – Kristina Remmert. 3 – Friedhelm Albrecht.