Unileben

Geflüster auf dem Schloss – Ein Podcast als wissenschaftliches Sprachrohr

Im Mittelalter war Hohentübingen eine Burg. Heute beherbergt das in der Renaissance modernisierte Schloss neben universitären Institutionen auch das Museum der Universität Tübingen (MUT). Die Idee zum Podcast Schlossgeflüster entstand 2020 während der Corona-Pandemie im Rahmen des fakultätsübergreifenden Seminars „Vermittlungsformate mit MUT“. Wie das digitale Format Wissenschaft kommuniziert und die Arbeit im Museum transparenter macht, erklären die Podcast-Mitglieder*innen im Gespräch mit der Kupferblau.

„Bei uns geht es um die Metainformation.

Wir wollen aus den Objekten die Geheimnisse rausflüstern.“

Tatjana Dörrer, studiert Kunstgeschichte mit dem Masterprofil „Museum und Sammlungen“.
Wie alles begann 

Das Schlossgeflüster (den Podcast findest du hier) nahm 2020 seinen Anfang. Ziel des MUT war die Ausweitung seines Vermittlungsangebots in der Form eines zweisemestrigen Praxisseminars, das von Museumsdirektor Prof. Dr. Ernst Seidl, Kurator Dr. Michael La Corte und Museumsmanagerin Bettina Zundel M.A. geleitet wurde. Die drei Kunstgeschichte-Masterstudentinnen Paulin Asunción Schleich, Lena Harnisch und Julia Kailuweit hatten die Idee zu einem fakultätsübergreifenden Podcast, dessen Reihe ein junges Publikum sowohl informiert als auch unterhält.

Nach der Konzeption wurden in einem zweiten Praxisseminar, unter anderem von Studierenden des Masterprofils „Museum und Sammlungen“, die ersten Folgen geplant und aufgenommen. Das Profil ist interdisziplinär und wird von Studierenden der Ägyptologie, über Ethnologie bis hin zur Musikgeschichte und weiteren Fächern, die ihren Sitz überwiegend auf dem Schloss haben, besucht. Der Podcast ist nicht nur Wissenschaftskommunikation, die aus dem Schloss zur Bevölkerung dringt, sondern regt auch den interdisziplinären Diskurs an. So sagt etwa Paulin: „Mir ist wichtig, das Verständnis und Wissen über andere Fächer zu erweitern.“ Doch bleibt für sie das Ziel immer, „für das Museum zu werben“. Wir wollten junge Leute erreichen. Und da kam die Idee des Podcasts auf“, erzählt Paulin weiter. Da ein Podcast allerdings keinen visuellen Einblick bietet, entschied sich das Team von Beginn des Projekts an, parallel einen gleichnamigen Instagram-Account (diesen findest du hier) zu erstellen. Via Social Media werden Objekte, die im Podcast genannt werden, bildlich zugänglich gemacht. Anhand von Videos und Reels zeigen und erklären Team-Mitglieder*innen und Expert*innen die Gegenstände.

Podcast-Aufnahme der fünften Folge mit der Provenienzforscherin des MUT Frau Dr. Fabienne Huguenin
(© Paulin Schleich)
Logo-Design (© Sophie Godzik)

„Gleichbedeutend wichtig ist für uns auch die visuelle Komponente mit Instagram.“

Julia Kailuweit, studiert Kunstgeschichte im Masterprofil „Museum und Sammlungen“.
Engagement und Themenfindung

Mittlerweile sind sechs Folgen in Eigenregie erschienen, knapp drei Jahre vergangen und ECTS-Punkte nicht mehr von Relevanz. Das Team hatte beschlossen den Podcast nach der ersten Folge – trotz Ende des Seminars – fortzuführen. Das bedeutet allerdings nicht, dass er ein privates Projekt wurde, denn die Folgen entstehen immer in Absprache mit dem MUT. Das Team begrüßt das Vertrauen von Seiten der Uni. 

Vom ersten Kontakt bis zur Veröffentlichung erstreckt sich die Arbeit an einer Folge über zwei Monate – wobei das Team auf Instagram stetig frischen Content produziert. Die Themen, die sich allesamt auf die Sammlungen und die Arbeit vom MUT beziehen, wählt Team eigenständig aus. Aus eigenen Interessen, bei dem ein oder anderen Seminar und bei regelmäßigen Rundgängen im Museum kommen Themen-Ideen, die laut Julia auch den Zeitgeist widerspiegeln und neugierig machen sollen. Zu jeder Folge ist eine Person mit Expertise zum jeweiligen Themenschwerpunkt zu Gast und bietet Einblick in ihren Arbeitsbereich. Die bisherigen Folgen beschäftigen sich zum Beispiel damit, wie die Griechen feierten oder inwiefern die Antike heutige Mode-Muse ist. Zudem wird über die Geschichte des MUT, die Entwicklung der Drucktechnik, aber auch über Provenienzforschung (das ist die Forschung über die Herkunft von Gegenständen) gesprochen. Inspiration für die Forschungen bieten beispielsweise die Keramik- oder die Abguss-Sammlung.

„Das MUT war überrascht, dass wir den Podcast trotz Seminarabschluss weiterführen.“

Jonas Brachmann, studiert Kunstgeschichte und Klassische Archäologie.
Warum Schlossgeflüster?

Bei uns geht es um die Metainformation. Wir wollen aus den Objekten die Geheimnisse rausflüstern“, sagt Tatjana. Und: „Wir wollen amüsante Anekdoten von den Expert*innen hören“, ergänzt Julia. Über Podcast und Instagram werden die Objekte mit ihren Geschichten und Kontexten in Verbindung gesetzt. Der Ansporn des Teams ist das Interesse an neuen Themen und die intensive Auseinandersetzung mit ihnen. Dabei tauscht sich das vierköpfige Kernteam gerne im Dialog aus. Vor allem während der Corona-Pandemie war die Konzeption und Durchführung des Podcasts für das Team ein wirksames Mittel zum Austausch und Diskurs – ein Mittel, das auch unabhängig von den Öffnungszeiten des Museums funktionierte.

Das Kern-Team „Schlossgeflüster aus Tübingen“:
Julia Kailuweit, Tatjana Dörrer, Paulin Schleich und
Jonas Brachmann (v.l., © Schlossgeflüster)
Mund-zu-Mund-Geflüster

Für einen Museums-Podcast haben wir recht viele Follower“, sagt Jonas Brachmann, der mittlerweile festes Team-Mitglied ist. 100 Menschen folgen Schlossgeflüster auf Spotify und 384 auf Instagram, während einzelne Folgen eine Reichweite von ca. 500 Personen haben. Der Podcast wird hauptsächlich via Veranstaltungen von Dozierenden, über Instagram oder im persönlichen Gespräch beworben.

Sprachrohr für Objekte und Expertise

Da wir das Sprachrohr sind, wollen die Gesprächspartner so viel sagen wie möglich“, erklärt Paulin. Pro Folge werden etwa 45 Minuten Gesprächszeit angepeilt – meist geht es allerdings länger. Für Tatjana stellt das kein Problem dar, denn: „Wir wollen die Stimme nicht so arg kürzen. Es wäre schade, die Exkurse der Personen zu streichen.“ Um das Gespräch authentisch zu halten, werden daher nur Pausen geschnitten.

Die Zielgruppe sind insbesondere Menschen, die sich für kulturelle Themen interessieren und sehen wollen, was Tübingen zu bieten hat. Paulin sagt daher, dass der Podcast sowohl „für Nicht-Studierende als auch für Studis anderer Disziplinen“ gedacht ist. Dabei sei der Anspruch, wissenschaftlich hochwertige Beiträge zu liefern, und auch Fachbegriffe zu verwenden – diese aber stets veranschaulichend. Über den Podcast vernetzen sich die Studierenden und kommen in den wissenschaftlichen Austausch. So wurde etwa die Intromusik von Sounddesigner Mario Walter-Kugler extra aus Berlin angefertigt. Über den Gesprächspartner der ersten Folge (Dr. Alexander Heinemann, klassische Archäologie) kam ein Kontakt mit Stefan Hagel zustande. Hagel rekonstruiert historische Klänge – entlockt etwa alten Instrumenten antike Musik.

Auf dem Schloss flüstern nicht nur die Objekte und auch zu Studierenden dringen die Klänge durch. Jonas erzählt, dass ihn fremde Studierende auf den Podcast ansprechen. So entstehen Gespräche. Für Tatjana ist das Schönste, wenn die Gesprächsperson während der Podcast-Aufnahme ins Erzählen kommt: „Dann verfallen sie in Begeisterung, da geht’s dann nicht mehr nur ums Lehren. Es ist ein Gespräch auf Augenhöhe.“

Das Schlossgeflüster-Team in voller Größe: Menitor Kadrija, Ioana Mihalache, Julia Kailuweit, Tatjana Dörrer, Jonas Brachmann, Paulin Schleich
(v.l., © Paulin Schleich)

Das Kernteam löst sich nun nach über zwei Jahren aufgrund von erfolgreichen Masterabschlüssen teilweise auf. Doch der Podcast soll weitergeführt und an die nächste Studierenden-Generation weitergegeben werden. Neu im Team sind Ioana Mihalache und Menitor Kadrija. Sie sehen im interdisziplinären Dialog große Chancen. Für Ioana wäre es „eine sehr eingemauerte Sicht, sich nur auf ein Fach zu fokussieren“.

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1 Kommentar

  1. Thomas Klank sagt:

    Im Mittelalter war Hohentübingen eine Burg, keine Festung.
    In der Renaissance wurde das Schloss nicht renoviert, es wurde schlechterdings gebaut.

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