Als wir die schwere Tür der St. Johannes-Kirche am Donnerstag, 08.12., öffnen und hindurchgehen, ist es, als hätten wir den Weg in eine andere Welt gefunden. Der Innenraum der Kirche ist fast völlig dunkel – nur die auf den hölzernen Sitzbänken aufgereihten Kerzen spenden ein wenig Licht. Die Flammen flackern und die Ruhe des Kirchengemäuers lässt auch uns still werden.
Nachtkonzert im Kerzenschein
Vielleicht 100 Menschen kamen an diesem Abend in St. Johannes zusammen, um der Barockmusik im Kerzenschein zu lauschen. Das Barockkonzert war Teil einer Veranstaltungsreihe der St. Johannes-Kirche, die am 01. Dezember begann und an drei aufeinander folgenden Donnerstagen im Advent musikalische Abende anbietet. Das nächste Nachtkonzert findet in der kommenden Woche am 15. Dezember statt und wird im Zeichen der Renaissance stehen. Der Eintritt ist frei, um eine Spende wird am Ausgang gebeten.
Am vergangenen Donnerstag spielten Martin Jantzen und Niels Pfeffer gemeinsam Werke der Barockmusik. Jantzen spielte die Viola da gamba, ein historisches Streichinstrument, das aussieht wie ein kleines Cello. Seine ersten Studienjahre widmete er auch dem Cello, um dann seine Liebe zur Viola da gamba zu entdecken. Martin Jantzens vielfache Auszeichnungen sprechen für sich. Niels Pfeffer brachte gleich zwei Instrumente mit: Eine Truhenorgel und eine Theorbe (diese gehört zur Familie der Lauten). Der talentierte Musiker hat diverse Abschlüsse erworben, unter Anderem einen Masterabschluss in Generalbass und Cembalo und auch einen M.A. in Gitarre. Zur Zeit ist er am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Tübingen angestellt.
Virtuoses Musizieren in eisiger Kälte – ganz in Schwarz
Das musikalische Duo betritt verhalten und unauffällig den Altarraum, der heute als Bühne dienen wird. Beide Musiker tragen schwarze Hosen, schwarze Pullover und keine Jacken.
Als Niels Pfeffer und Martin Jantzen beginnen, ihre Instrumente aufeinander zu stimmen, endet auch das letzte geflüsterte Gespräch im Raum und die Zuhörenden werden ganz stillt. Dann beginnt das Konzert mit der dezent einsetzenden Viola da gamba, die im pianissimo von Martin Jantzen gestrichen wird. Spätestens jetzt fällt auch dem letzten Zuhörenden auf, wie fantastisch die Akustik in der St. Johannes-Kirche ist – da fällt es doch etwas leichter, die Kälte des alten Gemäuers zu ertragen.
Langsam geht Niels Pfeffer an seinem spielenden Kollegen vorbei und betritt die Kanzel; von wo aus normalerweise die sonntägliche Predigt erfolgt, wird nun eine andere Form der Andacht stattfinden. Einige Minuten lang lauscht er noch dem wehmütigen Klang der Viola da gamba und setzt dann mit seinem ersten Instrument, der Taschenorgel, ein. Die Orgel dient nun mit langgezogenen Tönen als perfekter Hintergrund für Jantzens kunstfertiges Spielen. Die beiden Musiker spielen Werke des barocken Meisters Johann Sebastian Bach, sie spielen August Kühnel (selbst seinerzeit ein grandioser Gambist) und Antoine Forqueray, der als Musiker am Hofe Ludwigs XIV angestellt war. Beide Männer haben zwar ein Notenpult vor sich, jedoch verirren sich ihre Blicke kaum dorthin, sondern wandern durch den großen Raum.
Nach den ersten Stücken wechselt Niels Pfeffer dann von der Orgel zur Laute, nimmt sie zur Hand, beginnt aber noch nicht, zu spielen. Wieder lauschen wir der Viola da gamba alleine, die fantastisch leicht von Martin Jantzens flinken Fingern gespielt wird. (Wie beeindruckend eine solche Fingertechnik ist, wird sicher jedem Lesenden klar sein, der einmal versucht hat, eine Nachricht auf dem Smartphone mit eiskalten Fingern zu tippen.)
Der Mittelgang wird zur erweiterten Bühne
Niels Pfeffer hebt seine Laute auf und beginnt, die Kirche bis zum Mittelgang zu durchschreiten, wo er sich hinsetzt und auf seinen Kollegen wartet. Als die letzten Takte der Viola da gamba verklungen sind, erklingt die Laute endlich auch und begleitet Martin Jantzen, der ebenfalls sein Instrument aufnimmt und seinem Kollegen in den Mittelgang folgt. Die Musiker sitzen sich jetzt so nah gegenüber, dass man von den hinteren Reihen aus kaum mehr unterscheiden kann, wer welches Instrument spielt, wo der Arm des Einen aufhört und der des Anderen beginnt. Noch lebhafter erklingt die Musik nun, accelerando (schneller werdend) und im crescendo (lauter werdend) spielen die beiden virtuos ihre letzten Stücke. Und, als wäre es perfekt abgestimmt gewesen, kaum sind die letzten Striche der Viola da gamba und die letzten gezupften Saiten der Theorbe verklungen, als draußen in der Nacht eine Kirchenglocke zu läuten beginnt.
Langanhaltender Applaus und (hoffentlich) großzügige Spenden belohnen das musikalische Duo und zufriedene Zuhörer*innen verlassen die St. Johannes-Kirche wieder.
Auch uns hat das Nachtkonzert im Kerzenschein ausgezeichnet gefallen und wir empfehlen jedem*jeder Liebhaber*in guter Musik, beim nächsten Mal mit dabei zu sein. Unser kleiner Tipp für diejenigen, die einen Konzertbesuch in St. Johannes planen: Taschenwärmer, Mütze und ein langer Mantel. Vielleicht auch einen Glühwein vorab.
Fotos: Sophie Traub & Pixabay