Auf dem 25. Markt der Möglichkeiten gab es dieses Jahr wieder Kunst und Handwerk zu bestaunen – Spannend waren aber nicht nur die Waren, sondern auch die Menschen hinter den Ständen. Warum ein Studium nicht immer das Richtige ist und Selbstständige vielleicht die glücklicheren Menschen sind. Ein Besuch auf dem Tübinger Markt der Möglichkeiten.
Vergangenen Samstag gab es rund um die Jakobuskirche fast kein Durchkommen. Circa 30 Stände präsentierten am Wochenende des 28. und 29. Mai bei Sonnenschein Kunst und Handwerk aller Art. Dicht an dicht drängten sich die Menschen in der Tübinger Innenstadt um Keramik, Fotokunst, Schmuck, Kleidung, Glasarbeiten und Vieles mehr. Mit dabei ist auch Robert Balke. Er verkauft Bilder, die durch selbstgebaute Zeichenmaschinen entstehen. Vor Ort hat er eine dieser spannenden Maschinen dabei. Die Besucher*innen des Marktes können so zusehen, als seine Konstruktion filigrane Linien auf das Papier zeichnet. Fasziniert von der Originalität seiner Kunst stelle ich mir schnell eine Frage: Wie kommt man zu so einem Beruf?
Robert Balke ist Quereinsteiger. Seine Kenntnisse aus dem Design-Studium sind nützlich, aber nicht nötig. „Im Grunde habe ich mir das alles selber beigebracht“, so Balke. Die meisten Biografien der Austeller*innen hier sehen wohl ähnlich aus. Auch Kathrin Marotta von der Seifenmanufaktur Kronseifen hat sich das Handwerk des Seife Siedens selber gelehrt und leitet heute ein kleines Familienunternehmen – bestehend aus ihr, ihrem Mann und einer Mitarbeiterin.
Die Mutter von zwei Kindern ist studierte Bankfachwirtin und Maklerin. Irgendwann hat sie aber gemerkt, dass man „mit Karriere keine Kinderherzen glücklich machen kann“. Seit 2008 siedet Kathrin hobbymäßig Seifen, im Bekanntenkreis sprachen sich die Naturprodukte schnell rum. Vor drei Jahren machte sie sich dann selbstständig, mittlerweile kann sie davon leben.
„Wenn du den Schritt machst, dann musst du ihn voll und ganz machen!“, meint Kathrin. Sich mit einem Handwerk in die Selbstständigkeit begeben, das erfordert Arbeit, Hingabe und vor allem: Mut. Sie nennt ihre Tätigkeit mit einem Augenzwinkern „Minirevolution“. Aber dann äußert sie ernste Kritik: Viele junge Erwachsene studieren vor allem, weil großer sozialer Druck bestehe. Man wolle in ein Bild reinpassen und gefallen. Kathrin findet, dass gerade Studierende sich die Fragen stellen sollten: Was kann ich gut? Wie möchte ich meine Zeit wirklich verbringen? Für wen arbeite ich?
Den konventionellen Karriereverlauf hinter sich zu lassen hat sich für die 39-Jährige jedenfalls gelohnt. Sie spricht professionell über ihrem Job, aber trotzdem geht der Enthusiasmus und die Herzlichkeit nie verloren. „Am Ende vom Tag zu sehen, dass ich 500 Seifen gesiedet habe – das macht mir mehr Spaß als ein Abschluss mit `ner halben Millionen.“ So muss sich wohl eine erfüllende Arbeit anfühlen. Stirnrunzelnd fügt sie hinzu: „Und wer hat davon was? Wer verdient dann an der Sache, die ich hier mache?“.
So systemkritisch wie Kathrin Marotta sind nicht alle Aussteller*innen auf dem Markt. Für manche ist die Selbständigkeit in Kunst oder Handwerk auch einfach nur der persönliche Weg, der genau richtige Lebensentwurf. Eines steht fest: Die Menschen hier wirken glücklich mit dem, was sie tun.
Hier geht’s zur Website des Markt der Möglichkeiten: 25. Markt der Möglichkeiten – Kunst & Handwerk in Tübingen – Markt der Möglichkeiten (marktdermoeglichkeiten.de)
Bilder: Inga Lenßen