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Komm, wir brechen zusamm’n

kaputt gehen. So heißt die neue EP vom New Wave-Duo GAST aus Tübingen. Seit dem 8. September sind die sechs neuen Songs auf allen Plattformen zugänglich. In ihrer mittlerweile zweiten EP verhandelt GAST das Gefühlschaos einer toxischen Liebesbeziehung. Als Release Event traten die beiden Musiker in einem echten Boxkampf gegeneinander an. Die Kupferblau Im Interview mit Linus von GAST.

GAST. Das sind Tim Rausch und Linus Rappold, zwei junge Musiker, die seit etwa einem Jahr unter ihrem Pseudonym gemeinsam Musik veröffentlichen. Gitarrist und Leadsänger Tim ist gebürtiger Tübinger und lebt mittlerweile in Mannheim, Linus studiert Kognitionswissenschaften an der Eberhard Karls Universität. Auf der Bühne steht er am Synthesizer. Kennengelernt haben sie sich bei einem anderen gemeinsamen Musikprojekt, der Tübinger Band Lummerland, in der sie beide noch immer spielen. Seit der Veröffentlichung ihrer ersten EP GAST im November 2022 hat das gleichnamige Duo ein Jahr voller Konzerte hinter sich und zählt mittlerweile als ein fester Bestandteil zur Musikszene der Neuen Neuen Deutschen Welle. Während die ersten drei Songs von GAST inhaltlich frei voneinander gestaltet wurden, setzt sich kaputt gehen als kohärentes Werk mit einem konkreten Thema auseinander. Dabei wird nichts dem Zufall überlassen. Zum Auftakt der neuen EP lieferten sich Tim und Linus einen Schlagabtausch, mit allem, was dazu gehört. Der Club Cann in Stuttgart wurde dafür im September extra für einen Tag in einen Boxring verwandelt.

In den Ring

Die Promo-Phase für kaputt gehen startete bereits Mitte August auf Instagram. In Form von 15 Kurzvideos wurde dort die fiktive Geschichte von Rausch und Rappold erzählt, zwei Boxer, die sich auf einen Boxkampf vorbereiten. Verkörpert werden sie dabei von Tim (Rausch) und Linus (Rappold) selbst. Die Clips sind im Arthouse/Noir-Stil gedreht und zeigen mal eindeutiger, mal abstrakter Einblicke in das Verhältnis der beiden Protagonisten zueinander. Klar wird dabei auf jeden Fall: Die Sache zwischen den beiden ist etwas Persönliches.

“Das ist Entertainment, das ist Sportsgeist, das ist romantisch und nicht zu verpassen.”

Robinson Rönnfeld

Ebenso persönlich ist das Anliegen der Künstler mit ihrer EP. Das zeigt allein die Sorgfalt und der Aufwand, der in die Promo Phase gesteckt wurde. Die Geschichte von Rausch und Rappold folgt einem ausgearbeiteten Drehbuch. Verantwortlich dafür ist Robinson Rönnfeld. Christiane Munoz übernahm bei den Clips die Regie. Am 8. September, dem Release-Tag von kaputt gehen, gipfelte das Ganze dann in einen echten Showkampf von Rausch und Rappold. Nach hartem Schlagabtausch musste sich Rappold letztlich geschlagen geben. Als Zeichen der Niederlage wurden ihm die Haare abrasiert.

Werbeplakat für den Boxkampf Rausch VS. Rappold. Bild: GAST
Rausch beim Training. Bild: GAST

Was ist das Konzept hinter kaputt gehen?

Mit kurzen Haaren und einem Grinsen begrüßt mich Linus zum Interview. Zwei Monate nach der Release-Show ist seine Frisur immer noch dieselbe. Die EP kommt gut an. Der meistgestreamte Song von kaputt gehen ist ‚Rapsfeldgelb‘ mit über 140 Tausend Streams auf Spotify. Auch live überzeugen die Songs. Zuletzt spielte GAST beim Lichternebel-Festival im Sudhaus Anfang November vor 700 Menschen. Als ich ihn zum Konzept der EP frage, antwortet Linus prompt aber bedacht.

Linus: „Das Konzept ist easy: kaputt gehen an einer toxischen Beziehung. Die sechs Lieder sind Fragmente aus den Situationen, in die man dabei kommt. Deshalb auch die ganze Geschichte mit dem Boxkampf. Das impliziert eine gewisse Gewalt, die in einer toxischen Beziehung auf psychischer Ebene auch herrschen kann. Gleichzeitig haben Rausch und Rappold eine romantische und vielleicht auch sexuelle Anziehung zueinander.“

Beim Durchscrollen der EP fallen mir die Songtitel ins Auge. Manche davon sind ungewöhnlich lang, andere wiederum sehr kurz. Der wahrscheinlich größte Kontrast besteht zwischen ‚lauf‘ und ‚du fängst an zu weinen aber ich weck‘ dich nicht auf‘. Wie bei jedem anderen Aspekt der EP auch sind die Songtitel aber nicht einfach dem Zufall entsprungen.

Linus: „Wir hatten den ästhetischen Hintergrund, dass wir Ein-Wort-Titel machen wollten. Mit einer Ausnahme. Und dann haben wir diese lange Line genommen als Kontrast zu den kurzen Titeln. Und auch weil es auf dem Display gut aussieht (grinst).

Linus Rappold (links) und Tim Rausch. Bild: GAST

“Du hast mich so gerne und ich hasse mich auch.”

Aus ‘du fängst an zu weinen aber ich weck’ dich nicht auf’

Was ist eure Entwicklung von der ersten zur zweiten EP?

Linus: „Die erste EP war noch ein bisschen impulsiver. Die haben wir komplett in meinem WG-Zimmer aufgenommen. Auch mit sehr wenig Equipment. Ein Aspekt unserer Produktion ist, dass wir wenig Sounds mit dem Laptop machen, sondern viel mit Keyboards als Synthesizer. Ich hatte damals drei Synthesizer, mit denen haben wir die erste EP gemacht. Und Tim hat mit einem billigen Bühnenmikrofon die ganzen Texte in meinem Zimmer eingeschrien. Ich seh‘ das noch vor mir (lacht). Einmal meinte Tim, er braucht mehr Action, sonst bekommt er die Stimmung nicht rübergebracht. Dann bin ich aufgestanden und hab ihn angejubelt, als wenn ich ein Publikum wäre. Und er stand mit einem Bein auf dem Stuhl und hat ins Mikro geschrien, als ob er vor Tausend Menschen spielen würde. Es war Sommer und unglaublich heiß. Wir waren da völlig verschwitzt am Basteln. Da wussten wir noch gar nicht, dass das im Endeffekt so gut ankommen würde.

Die zweite EP haben wir komplett im Studio aufgenommen, hier in Tübingen. Da standen mega viele Oldschool Vintage Synthesizer, die wir mitbenutzen konnten. Das hat den Sound sehr stark beeinflusst, weil wir auch neugierig arbeiten. Das ist eine ‚exploration of gear‘. Also was hat man da, und das nimmt man auch. Es war so gesehen auch viel ungeplant und das war auch irgendwie schön. Weil wir uns so um 14 Uhr getroffen haben, dann im Studio waren und um vier Uhr nachts nach Hause gegangen sind. Und dann am nächsten Tag das Gleiche. Dann sind zwei Wochen vergangen und wir haben am Wochenende die nächsten Songs gemacht. So ist das aus einem Guss zu zweit entstanden.“

“Nach vier fünf Stunden im Studio ist man immer angekommen.”

Linus Rappold

Wie geht’s weiter mit GAST?

Die wichtigste Frage stelle ich Linus zum Schluss: Kann man sich auf mehr von GAST freuen?

Linus: „Ja, es kommt was Neues, auf jeden Fall! Wir sind gerade wieder am Schreiben. Die Richtung nach der EP ist auch klar geworden. Die Texte werden eine Veränderung in sich tragen, weil diese toxische Beziehung jetzt abgehandelt ist. Aber es wird eine Weile dauern, bis etwas Neues kommt. Wir beide müssen uns erstmal regenerieren und Revue passieren [lassen], was im letzten Jahr alles passiert ist. Ich schreibe gerade auch meine Bachelorarbeit. Das Jahr war voll mit Konzerten und den Drehs für die Musikvideos. Die ganze Zeit war ich in diesem Projekt. Jetzt habe ich die Zeit gerade zu fühlen: Wer bin ich eigentlich ohne das Projekt? Das ist auch erschreckend, weil man merkt, dass man sehr viel mehr Ruhe braucht, als man denkt. Deshalb bin ich noch in dieser Regenrationsphase, wo ich neue Kreativität, neue Eindrücke sammeln kann. Aber es wird auf jeden Fall wieder mit Singles losgehen.“

Den Link zur EP findet ihr hier:

Beitragsbild: GAST

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