SOUNDMOViES – eine Symbiose aus Tanz, Film und Musik. Ein Film mit Sound unter Auslassen des Sprechens. Der Anfang dieses interdisziplinären Projektes begann im Januar 2021. Die Idee: ein Ensemble, bestehend aus 6 Sänger*innen, das sich auf klassischen A capella-Gesang spezialisiert hat, mit Tänzer*innen und Mediengestalter*innen zu verbinden. Doch wie kann dieses Experiment funktionieren? Unsere Redakteurin fragt nach.
Wie das SOUNDMOViES Projekt begann
Die Auswirkungen der Pandemie haben den Alltag vieler Künstler*innen stark beeinträchtigt. Kein Ort, um aufzutreten oder sich gemeinsam zu treffen – aber die Notwendigkeit, ihre Fähigkeiten zu verfeinern und mehr Erfahrungen zu sammeln, blieben bestehen. Das A capella-Sextett Ensemble Encore hat eine Lösung für diese missliche Lage gefunden: die Vereinigung verschiedener Kunstformen zu einem sogenannten “SOUNDMOViE“ zu verfilmen und so an die digitale Öffentlichkeit zu bringen. Die Konzeption fand hauptsächlich virtuell statt – alle Künstler*innen haben separat geübt und trafen sich zum ersten Mal am Drehtag.
Das Zusammenkommen verschiedener Künstler
Der Wunsch, sich mit Künstler*innen anderer Disziplinen zu vereinen, existierte schon länger. Das A capella-Sextett Ensemble Encore singt schon seit 2015 zusammen und besteht aus drei Frauen- und drei Männerstimmen. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit der Tänzerin und Choreografin Marilena Grafakos und der Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Susanne Marschall der Universität Tübingen. Unter ihrer Leitung entwickelten Masterstudierende in redaktioneller Zusammenarbeit die Konzeption der fünf SOUNDMOViES. Die Tänzer*innen brachten Bewegung in die Produktion ein. Finden kann man die Videos auf dem Youtube-Kanal: CHOR GESANG- Das Musikmagazin.
Was versteht man unter einem SOUNDMOViE?
Ein SOUNDMOViE besteht aus drei Hauptelementen: Sound, Movie und Moves. Der Sound, also der Gesang, kommt vom Ensemble Encore. Die Movies, bzw. Aufnahmen werden von Prof. Dr. Susanne Marschall und ihren Studierenden gedreht und zusammengestellt und die Choreographin Marilena Grafakos entwirft dazu die Moves, den Tanz.
Eine Frage, die im Gespräch mit meinen Kommiliton*innen aufkam, ist, inwiefern sich dieses Projekt von einem typischen Youtube-Musikvideo unterscheide. Laut Johannes Fritsche, dem Bariton des Ensemble Encores, steht “das Ensemble Encore nicht unbedingt im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Tänzer*innen, die eine Geschichte erzählen”. Normalerweise drehe sich ja alles um die Sänger*innen und der Rest stehe im Hintergrund. Ein Musikvideo nach klassischem Musikstil finde man zudem sehr selten oder gar nicht, gerade bei klassischem A capella-Gesang.
Diese Meinung teilen auch einige Studierende der Medienwissenschaften. Eine Gruppe hat sich mit dem Lied “Tristis est anima mea“ aus dem Jahr 1611 befasst. Ein lateinisches, sehr getragenes Lied dessen Anfang lautet: “Meine Seele ist betrübt bis an den Tod“. Die erste Hürde bei diesem Musikstück ist vielleicht erstmal der lateinische Text und dann die traurige Melodie.
Die Überlegung, wie man aus den vorgegebenen Liedern dann ein Musikvideo entwirft, ist dabei allerdings nach wie vor sehr frei und offen. Denn, so die Choreografin Marilena Grafakos:
“Die Musik inspiriert uns, aber wir müssen nicht immer ihren Vorgaben folgen, denn sonst entstehen keine Kontraste.”
Die Themen der SOUNDMOViES
Somit entstanden aus folgenden fünf Musikstücken die fünf SOUNDMOViES zu “Dessus le marché d’Arras” von Orlando di Lasso, “Tristis est anima mea” von Carlo Gesualdo, “Mad World” von Tears for Fears/ Jürgen Parison (Arr.), “Silent Love” von Mia Makaroff und “Six Chansons” von Paul Hindemith produziert.
Jedes SOUNDMOViE hatte einen thematischen Fokus und eine Geschichte, die erzählt wurde. In den fünf Musikstücken wurden zweimal Depression behandelt, einmal das Thema Farbe, einmal das MeToo-Movement und eine “Silent Love“ zwischen zwei Frauen.
In dem Lied “Dessus le marché d’Arras” aus dem Jahr 1530 geht es um eine Marktsituation, in der ein Mann einer Frau angespricht und ihr Geld anbietet, sodass sie mit ihm nach Hause geht. Das darauf basierende Soundmovie befasst sich analog mit der MeToo-Bewegung und hat in dem Video das Phänomen Street Harassment durch eine tänzerische Inszenierung dargestellt. Der Text, der dem 16. Jahrhundert entstammt, dient den Tänzer*innen als Vorlage, um ihn in die heutige Zeit zu übersetzen.
In einer Pandemie als Mediengestalter*in praktische Erfahrungen sammeln
Die Veranstaltung der SOUNDMOViES hat dem Corona-Jahrgang der Medienwissenschaften viele praktische Fertigkeiten vermitteln können – auch, wenn vieles anfangs über Zoom stattfand. Vor allem bei Projekten, in denen Gruppenarbeit gefragt ist, ist es eine Herausforderung, gemeinsam kreativ zu werden, wenn man vor seinem Laptop im eigenen Zimmer sitzt. Die Studierenden beschreiben, wie die Ideen anfangs eher fragmentarisch waren. Vor allem, da alle Künstler*innen separat geprobt hätten. Umso erfreulicher die Tatsache, dass am Drehtag dann doch noch alles geklappt hat und das Endprodukt sich damit mehr als sehen lassen kann.
Prof. Dr. Susanne Marshall, Leiterin des Projektes betonte zudem, dass die meisten Studierenden “keinen professionellen und auch keinen historischen Zugang zur Musik“ gehabt hätten, vor allem bei Liedern, die mehrere Jahrzehnte auf den Buckel haben. Durch dieses Projekt wurde diese altertümlich anmutende Musik plötzlich greifbar und man entdecke Musik jenseits der typischen Quellen wie Spotify. In diesem Fall hat eine Praxisveranstaltung so gut geklappt, dass sie es bis zur Präsentation auf der Leinwand geschafft hat.
Wie das Projekt weitergeführt wird
Alle Beteiligten hoffen, die digitalen Performances in Zukunft auch live aufführen zu können, aber das ist nun, aufgrund der aktuellen Coronalage, erstmal auf Eis gelegt. Klar ist zumindest, dass eine Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen auch in der Zukunft für das Ensemble Encore absehbar ist. Bis dahin könnt ihr euch auf jeden Fall die SOUNDMOViES auf Youtube anschauen. Viel Spaß und gute Unterhaltung!
Beitragsfoto: (c) SOUNDMOViES-Projekt