Opera Tü Amo – so hieß das italienische Opernkonzert, das am 12.12.2021 im Silchersaal der Tübinger Museumsgesellschaft stattfand. Obwohl Tübingen eine multikulturelle Stadt ist, mit einem breiten Angebot an unterschiedlichsten Veranstaltungen, ist Operngesang hier leider eher selten zu finden. Unsere Redakteurin hat sich diese Gelegenheit daher nicht entgehen lassen und berichtet euch von dem Konzert und den persönlichen Erfahrungen der Künstler*innen.
Der Silchersaal erstrahlt in seiner vollen Pracht – mit den Marmorsäulen, die an ihren Kronen mit goldenen Ornamenten geschmückt sind, der hohen und prunkvoll verzierten Decke und dem robusten Holzboden. Etwa 10 Reihen Stühle sind mit großzügigem Abstand im Raum aufgestellt und zum Großteil besetzt. Vor ihnen ein schwarzer Flügel. Klatschen erfüllt den Saal, als der Produzent der Veranstaltung den Raum betritt. Massimiliano d’Antonio war nicht nur für die Planung und Durchführung des Konzertes verantwortlich, sondern hat selbst auch den Tenor gesungen. Nach einer kurzen Vorstellung der Veranstaltung und der Künstler*innen wird das Licht gedimmt und Pavlina Chamantne betritt den Raum. Sie singt Sopran und eröffnet das Konzert mit einer atemberaubenden Aufführung des Liedes Donde Lieta aus der Oper La Bohéme von Giacomo Puccini.
Die Wucht der Stimme
Weder saß ich zuvor einmal in einer Oper, noch habe ich je eine*n Opernsänger*in live gehört. Nach wenigen Augenblicken war ich wie festgefroren in meinem Stuhl und Gänsehaut machte sich in meinem Nacken breit. Der Gesang der griechischen Sängerin traf mich wie eine unerwartete Windböe. Ihre kraftvolle Stimme erfüllte bald den gesamten Raum und versprühte ein Gefühl der Sehnsucht. Nach dem Stück verließ die Sopranistin unter Beifall den Saal und wurde kurz darauf von dem kolumbianischen Bariton, Juan Yepes, abgelöst. Er präsentierte uns das Stück Come Paride Vezzoso aus der Oper L’elisir d’amore von Gaetano Donizetti.
Im Laufe des Konzertes wechselten sich die Sänger*innen mehrmals ab. Es wurden Stücke aus Opern von Francesco Cilea, Pietro Mascagni, Giuseppe Verdi und sogar Wolfgang Amadeus Mozart gesungen (natürlich auf italienisch). Dabei wurden die Künstler*innen stetig von der italienischen Pianistin Angela Rutigliano begleitet, der man ihre Leidenschaft zur Opernmusik ganz offensichtlich an ihrer Mimik und Körperhaltung ansehen konnte. Gegen Ende des Konzertes wurde das Publikum noch einmal überrascht, als plötzlich Amelie Estelle, die 8 Jahre alte Tochter von Massimiliano d’Antonio, den Raum betrat, sich an den Flügel setzte und ganz selbstverständlich das Stück Comptine d’un autre été von Yann Tiersen aus dem Film “Die fabelhafte Welt der Amélie” spielte und den Saal ins Träumen versetze. Zum Abschluss betraten noch einmal die drei Sänger*innen und die Pianistin die Bühne und führten zwei letzte Stücke als Zugabe auf.
Geteilte Leidenschaft
Bei einem Interview im Anschluss an das Konzert erzählten mir die Künstler*innen mehr über die Organisation und die Ideen hinter dem Konzert. Es war ihnen ein Anliegen, Stücke und Melodien aus bekannten Opern präsenter ins Leben zu rufen. Bei der Auswahl haben sie darauf geachtet, Stücke aus dem italienischen Repertoire herauszusuchen:
“Die Reihenfolge war uns auch sehr wichtig. Wir wollten für den ersten Teil die etwas unbekannteren Stücke der bekannteren Opern einbringen. Der zweite Teil sollte dann etwas weniger seriös sein.”
So erklärte mir Pavlina Chamantne den Aufbau des Konzertes. Den Gefühlswandel zwischen dem ersten und dem zweiten Teil des Konzertes konnte ich auf jeden Fall nachvollziehen. Wo in den Stücken zu Beginn noch Sehnsucht und Verzweiflung dominierten, machten sich später eine Gelassenheit und Leichtigkeit breit. Massimiliano d’Antonio fügte noch hinzu, dass er sich speziell herausfordernde Stücke für seine Soli ausgesucht hatte. Da er normalerweise selbst Gesang unterrichtet und sein Wissen weitergibt, wollte er die Gelegenheit nutzen, sich weiterzubilden. Doch das Wichtigste bei allem sei Spaß, und den hatten die Künstler bei dem Konzert definitv. Auf meine Frage, welches Stück ihnen am besten gefallen hat, konnte sich niemand festlegen. “Die Gefühle für jedes Stück sind anders”, aber “alle Stücke machen Spaß!” ergänzten sich Juan Yepes und Angela Rutigliano.
Massimiliano d’Antonio hatte zuerst Sorge, das Projekt umzusetzen, da damit sowohl ein hoher Zeitaufwand als auch eine große finanzielle Unsicherheit verbunden waren: “Es ist viel Arbeit und was ist, wenn das Konzert abgesagt wird? Wenn niemand kommt in der Coronazeit?” Diese Sorgen konnten jedoch zum Teil genommen werden, denn das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württembergs war so interessiert an dem Projekt, dass es sich als Sponsor angeboten hat. Daneben haben sich das in Tübingen ansässige italienische Restaurant San Marco sowie der Flügel- und Klavierhersteller C. Bechstein ebenfalls am Sponsoring beteiligt und auch Familie und Freunde haben das Projekt tatkräftig unterstützt und geholfen, wo sie konnten. Auf meine Frage, ob ihm etwas besonders schwer fiel, antwortete der Tenor:
“Vor allem mit der ganzen Anspannung der Organisation zu singen ist schwierig. Ich habe immer Angst, dass ich den Text vergesse oder dass wir zu wenig geprobt haben.”
Opernsänger Massimiliano d’Antonio
Kulturgut nahbar machen
Besonders interessiert haben mich auch die Ansichten der Künstler*innen auf das Operngenre heutzutage. Sie verstehen Opern als eine sehr wertvolle Kunstform und würden sich wünschen, dass sich mehr Menschen damit beschäftigen und dem Genre Aufmerksamkeit schenken. Pavlina Chamantne erwähnt das Klischee der “komischen dicken Leute, die stundenlang auf der Bühne stehen und komisch singen”, das sie in den Köpfen vieler Menschen sieht. Durch Konzerte wie dieses hofft sie, das Genre nahbarer für viele machen zu können.
“Oper hat für jeden etwas anzubieten. Jeder kann etwas darin finden”, erwähnt Juan Yepes. Er erklärt, dass es inzwischen einige Produktionen gebe, die versuchten, auch das jüngere Publikum anzusprechen, deren Geschichten zu erzählen und sie natürlich zu zeigen, um von dem klassischen Bild wegzukommen. Auch Massimiliano d’Antonio erwähnt, wie wichtig es für ihn sei, dass wir Kulturgut wie dieses nicht einfach ignorieren, da es Teil unserer kulturellen Identität ist. Er sieht die Gefahr, dass durch die Pandemielage und die Digitalisierung immer mehr Zeit online verbracht wird und Veranstaltungen wie diese weniger geschätzt werden. Zudem betont er die Wichtigkeit einer Ausgewogenheit zwischen Technologie und klassischer Kultur und hofft, dass sich Tübingen als Kulturstadt dafür weiter einsetzt. Denn das Potential sei da, besonders im Bezug auf das Kulturgut Oper. Auf meine Frage, ob weitere Projekte dieser Art geplant sind, antwortet er:
“Wir hoffen, dass man das Projekt unter dem gleichen Titel mit einem anderen Programm wiederholen kann. Vielleicht auch als Festival.”
Opernsänger Massimiliano d’Antonio
Auch die anderen Künstler*innen sind von dem Projekt und Tübingen als Stadt sehr angetan und wollen gerne wiederkommen. Mich hat das Konzert auf jeden Fall sehr bewegt und dazu inspiriert, mich tiefergreifend mit dem Genre der Oper auseinanderzusetzen und ich freue mich schon sehr auf eine erneute Vorstellung!
Fotos: Joachim Fenkes