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Rickerl – über Musik, Familie und das Leben

Der österreicher Regisseur Adrian Goiginger bringt mit Rickerl – Musik is höchstens a Hobby einen anderen Musikerfilm in die deutschsprachigen Kinos. In einem Interview redet er mit uns über die Entstehung und erzählt, wieso Voodoo Jürgens Rickerl sein musste. Außerdem gibt es einen Einblick in die Tübinger Premiere.

Der Wiener Erich “Rickerl” Bohacek, gespielt von Voodoo Jürgens, ist Musiker, oder möchte es zumindest werden. Vieles steht ihm im Wege, aber vor allem er selbst. Rickerl wohnt in einem Arbeiterviertel von Wien und ist seit jeher auch dort zuhause. Alkohol und Zigaretten sind dabei in seinem Leben sehr präsent, seinen Unterhalt bestreitet er mit diversen Aushilfsjobs und ist deswegen auch des öfteren beim AMS, dem österreichischen Arbeitsamt. Denn seine Liebe zur Musik stellt er bisher nur in den Kneipen seines Viertels zur Schau. Sein Sohn, der sechsjährige Dominik, ist da manchmal dabei, wenn er nicht bei seiner Mutter und ihrem neuen Freund ist. Die Beziehung zu seinem Sohn ist nicht leicht, genauso wenig wie die Beziehung zu seinem eigenen Vater. Zwischen familiärer Dramatik und finanziellen Schwierigkeiten steht also Rickerl und muss vorwärts kommen.

Die Geschichte fokussiert vor allem Rickerl und Dominik; man schaut Rickerl seltener beim Musik schreiben als beim Musizieren selbst zu – anders als man es von einem Musiker-Film erwarten würde. Was er spielt, sind Voodoo Jürgens’ eigene, bereits bekannte Songs, die für den Film genommen wurden. Eine veraltete Ästethik bringt Rickerls Einstellung “Früher war vieles besser” für das Publikum visuell zur Geltung, doch lässt auch Rickerls Sprechen und Handeln dem Publikum nichts anderes denken. Einige musikalische Einlagen kontrastieren die restlichen Szenen, in denen fast allen ein Dialog geführt wird. Wir hatten den Regisseur Adrian Goiginer im Gespräch und sprachen mit ihm über seinen Film. Außerdem kamen Goiginer und Voodoo Jürgens am 31. Januar nach Tübingen, um eine Vorabvorstellung des Filmes zu begleiten.

Bild: Giganten Film

Über den Regisseur

Adrian Goiginger wurde 1991 in Salzburg geboren und studierte an der Filmakademie Ludwigsburg. Sein erster Langfilm “Die beste aller Welten” lief unter anderem auf der Berlinale 2017 und wurde dort sowie auf weiteren Festivals ausgezeichnet. Sein neuster Film “Rickerl – Musik ist höchstens a Hobby” hatte am 01. Februar 2024 seinen deutschen Kinostart.

Nur Herzensprojekte

Kupferblau: Die Figur vom Rickerl gab es schon bei Voodoo Jürgens’ Gitti, kam der Rickerl zu dir oder du zum Rickerl?

Goiginger: Also ich bin ja schon lange ein großer Voodoo Jürgens Fan, so 2017 hab’ ich ihn entdeckt und hab’s direkt geliebt. Mir war von Anfang an klar, dass der Film mit wem anders als dem Voodoo nicht funktionieren könnte, also hab’ ich mich bei ihm übers Management gemeldet. Er fands auch gut und so haben wir über die Jahre immer wieder an dem Drehbuch geschrieben. Den Namen Rickerl fand ich dann einfach gut und passend und hab’ ihn übernommen. Genauso wie dem Voodoo seine Musik, die musste natürlich rein.

Nun ist der Rickerl keine Verkörperung von Voodoo Jürgens, sondern erzählt eine eigene Geschichte. Autobiografische Elemente sind aber auch nicht von der Hand zu weisen. Wie viel Autobiografie steckt in dem Film?

Doch auch schon einige. Dass der Rickerl am Anfang noch auf dem Friedhof arbeitet, ist eine Anlehnung an den Voodoo und generell halt auch die Musik. Vieles sind aber auch Sachen, die auch mir so passiert sind. Meine Mutter hat auch in einem Sex-Shop gearbeitet und dann durfte ich tatsächlich oft mit und mir die ersten 10 Minuten von den Pornos angucken. Im Würschdl-Stand hab ich selbst mal gearbeitet. Und sonst sind die Leute, die so in den Kneipen gezeigt werden, auch Leuten nachempfunden, die da in Wien auch rumhängen.


„Auf die Gegenwart ist geschissen, schreib mir ‘ne SMS.“

aus Rickerl – Musik is höchstens a Hobby

Rickerl hat einen stark altmodischen, etwas verklärten Charakter. Ein bisschen eine Verkörperung von “Früher war alles besser”. Welche Stilmittel verwendet der Film um das nochmal zu bestärken?

Um kurz bei den Kneipen zu bleiben: die Menschen da sind schon bewusst alle 20 Jahre älter als der Rickerl selbst. Dass überall geraucht wird, ist auch so eine Sache. In Österreich war das nie so krass möglich, da haben wir auch doll übertrieben. Für den Voodoo war das ideal, der ist ja Raucher und dann mussten wir zwischendrin nicht so viele Raucherpausen machen.
Und sonst haben wir mit der Ästhetik vom Film auch viel gemacht. Wir haben ganz stark auf den 16mm Look gesetzt und haben in vielen Szenen zusätzlich zu den Zigaretten noch mit einer Nebelmaschine ausgeholfen.

Eine letzte Frage: Rickerl ist dein vierter langer Spielfilm. Die meisten deiner Filme waren auch sehr erfolgreich, erhoffst du dir das auch von Rickerl oder ist das mehr ein Herzensprojekt?

Na, ich hatte das große Glück bisher immer nur Herzensprojekte zu machen. Vielleicht ändert sich das noch, aber erst mal hoffentlich nicht. Die anderen Filme hatten auch in Deutschland großen Anklang gefunden. Da wissen wir jetzt beim Rickerl nicht, ob das der geeignetste Film für ein deutsches Publikum ist. Bisher kam er gut an und wir haben jetzt auch schon einige Termine hinter uns [Das Interview wurde vor der allgemeinen deutschen Kino-Premiere geführt. Anm. d. Redaktion]. Nichtsdestotrotz hab ich den Film sehr gern und freu mich tierisch drüber, dass wir das geschafft haben.

The Tübinger Connection

Ebenfalls im Interview erzählte Goiginger, dass er während seiner Zeit in Ludwigsburg auch den ein oder anderen Trip nach Tübingen unternommen hat. Rein geschäftlich natürlich. Die Postproduktion vieler seiner Studenten-Filme hatte er bei der Tübinger Firma Bewegte Bilder machen lassen. Manche von euch kennen die Firma auch als Veranstalter des Sommernachtskinos oder aus unserem Artikel über die Tübinger Kinolandschaft. Als neue Inhaber des Kino Museums luden Bewegte Bilder den Alumni und Voodoo Jürgens auch nach Tübingen ein.

Voodoo Jürgens und Adrian Goiginger vor ihrer Wall of Fame. Foto: Alex Gonschior / Pandora Film
Kurzkonzert nach der Tübinger Premiere. Foto Alex Gonschior / Pandora Film
Voodoo Jürgens und Adrian Goiginger im Gespräch mit Carsten Schuffert, Geschäftsführer von Bewegte Bilder. Foto: Alex Gonschior / Pandora Film

Das Kino Museum war rappelvoll, die Veranstaltung musste sogar im Saal hochverlegt werden. Geplant war eine Vorabpremiere, ein kurzes Gespräch mit Geschäftsführer Carsten Schuffert und abschließend noch ein kurzes Live-Konzert. Schuffert war spürbar erfreut über den Besuch von Goiginger und hatte viele gute Worte für seinen neuen Film über.

Eine Komödie?

Beim Schauen, im Interview und auch auf der Veranstaltung habe ich gemerkt, es handelt sich wirklich um ein Herzensprojekt. Die Ästhetik, die Charaktere und die Geschichte sind liebevoll und detailreich, alles wirkt sehr nahbar. Vor allem ans Herz gehen die reduzierten Perfomances von Voodoo Jürgens’ Liedern und die Szenen mit Ben Winkler, dem Schauspieler von Rickerls Sohn Dominik. Auf dem Filmplakat steht “Eine der lustigsten deutschsprachigen Komödien der letzten Jahre”, wobei ich bis heute nicht weiß, ob ich Rickerl als Komödie betiteln möchte. Während des Filmes gab es einige Szenen, in denen ich auch schmunzeln oder lachen musste, durchzogen ist er aber von einer gewissen Melancholie. Von einem Gefühl, dass sich in diesem Wiener Milieu einstellt, in dem es den Leuten schlecht geht, aber man trotzdem das Beste daraus macht. Denn von selbst besser, das wird es nicht.

Der Film Rickerl – Musik is höchstens a Hobby ist seit dem 01. Feburar 2024 in den deutschen Kinos und wenn ihr ihn in Tübingen sehen wollt, könnt ihr das im Kino Museum machen.

Beitragsbild: Giganten Film

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