Kultur Musik

Verewigt auf Platte – Zukunft ungewiss

Sie haben sich im JamClub Tübingen zusammengefunden, ca. 40 Einzelstücke für ein Hörspiel von Studierenden der Medienwissenschaft aufgenommen und wollen jetzt noch eins: Eine eigene LP als Vinylplatte rausbringen. Die Geschichte hinter der Schülerband „Blackdrum“ und was das mit dem „Krieg der Knöpfe“ zu tun hat.

Sie sind alle etwas unkonzentriert. Fahrig irgendwie. Spielen durcheinander, jeder für sich – nur nicht zusammen als Band. Immer wieder ist eine Gitarre zu laut, das Schlagzeug zu leise oder die Melodie stimmt nicht ganz. Jonathan liest den Text vom Handy und Ruben hat die Akkorde noch nicht direkt parat. Die Stimmung im Proberaum der Musikschule JamClub, Nähe der Blauen Brücke, könnte besser sein. Aber so ist das ja, als Künstler*in: Die Generalprobe muss schlecht laufen, dann wird der Gig gut.

BLACKDRUM im Proberaum der Musikschule JamClub. Von links: Ruben, Jonathan, David, Paul, Clara, Ole
“Wir ergänzen uns super”, sagt Ole. © Inga Lenßen

Jona lehnt sich trotzdem entspannt in seinem Stuhl zurück, die E-Gitarre auf dem Schoß. Ob er Schiss hat wegen Freitag, wenn sie im Club Voltaire auftreten? „Ne, ich bin da eigentlich ganz entspannt“, meint er, „wir hatten schon viel schlechtere Generalproben und dann wurde es immer trotzdem gut.“

BLACKDRUM heißen Ole, Clara, Jonathan, Jonas, Paul, David und Ruben. Seit 2021 spielt der Kern von ihnen als Band, vor einem halben Jahr kam Jonathan als Sänger dazu. In der aktuellen Besetzung sind sie noch nie zusammen aufgetreten, jetzt steht ihr Gig auf der Bandnacht im Club Voltaire an. Sie haben sich über die Gruppe des Transferprojekts der Medienwissenschaftler*innen in Tübingen zusammengefunden – aber fangen wir ganz von vorne an:

Der Krieg der Knöpfe

Ausgangspunkt ist eine über 100 Jahre alte Erzählung, die vertont werden sollte. „Der Krieg der Knöpfe“ heißt das Original von Louis Émile Pergaud aus dem Jahr 1912. Die Geschichte über den Krieg zwischen den Jungen aus zwei benachbarten französischen Dörfern, der immer weiter eskaliert, wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit neu vertextet. So entstand ein Hörspiel, das über Micro Europa ausgestrahlt wurde.

Das Cover der LP von BLACKDRUM © blackdrum_official

Für den Soundtrack nutzte Ulrich Hägele, Leiter des Transferprojekts und von Micro Europa, seine Kontakte in die Musikschule JamClub Tübingen. BLACKDRUM, die meisten Mitglieder sind noch Oberstufler*innen, hatten Lust auf das Projekt. Von Januar bis Juni 2022 hatten die damals noch sechs jungen Menschen Zeit, um ca. 40 Einzelstücke für den Soundtrack des Hörspiels zu komponieren – als Inspiration für den Klang der Stücke bekamen sie oft nicht mehr als ein paar Adjektive.

40 Einzelstücke und zwei Tage im Brechtbau

Wie das Wort „wütend“ klingt, das wussten sie oft nicht auf Anhieb. Aber ihnen „ist immer etwas eingefallen!“.  Insgesamt bezeichnen sie das Projekt als „coolen Prozess“, an dem sie viel Spaß hatten. Zwei Tage nahmen sie die Einzelstücke im Brechtbau auf, bis dann am Ende ein Gesamtkunstwerk enstand, dass „jazzige Beats und Rock, elektronische Elemente und Lines von Drum and Bass, aber auch virtuose Soli der einzelnen  Instrumente“ bietet, so heißt es auf der Seite, auf der die Medienwissenschaftler*innen das Projekt vorstellen.

„Das Hörspiel handelt vom Erwachsenwerden – von Initiationen und Generationenkonflikten, der jugendlichen Aversion gegenüber der  Obrigkeit. Wir erfahren vom erbittert geführten Streit zweier Cliquen und schließlich: wie sich Krieg, Terror und Gewalt für heranwachsende Individuen in einer Phase der Adoleszenz anfühlt.

Genau diese Zerrissenheit einer jungen Generation bringt der Soundtrack zum Ausdruck.“

Über das Hörspiel „Krieg der Knöpfe“ auf der Webseite der Crowdfunding-Kampagne

Auf Platte

Und dann ging es an die eigene LP. Die Idee: Ein Best Of der Soundtracks, ergänzt mit Gesang von Jonathan soll als LP auf eine Vinylplatte gepresst werden. Die eigenen Songs auf Platte.

Die Gruppe der Medienwissenschaftler*innen begleiten die Band auch auditiv © Inga Lenßen

Wie entsteht so eine Vinylplatte? Wie soll das Design für das EP-Cover aussehen? Wie soll BLACKDRUM promotet werden? 15 Bachelor-Studierende der Medienwissenschaft mussten und müssen sich im Rahmen des Transferprojekts mit diesen Fragen auseinandersetzen. Mittlerweile haben sie eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen, um die Kosten für die Pressung der LP zu finanzieren. Hausnummer: 2000 Euro. Die Studierenden waren bei den Proben der Band dabei – so auch bei dieser letzten Generalprobe vor dem Auftritt im Club Voltaire. Dieser soll auch dazu dienen, die Crowdfunding Kampagne zu finanzieren.

Zurück im Proberaum von BLACKDRUM. Der Musiklehrer, der die junge Band in den letzten Monaten begleitet hat, ist „echt angefressen“. Sie überlegen, ob sie vor dem Auftritt am Freitag nochmal proben sollen. Spoiler: Sie haben es nicht getan.

Moshpit bei „Falling Apart“

BLACKDRUM bei ihrem Auftritt bei der Bandnacht im Club Voltaire © Inga Lenßen

Dann der Freitagabend im Club Voltaire. Selten war der kleinen Club mitten in der Tübinger Altstadt so voll. Dicht an dicht drängeln sich Schüler*innen, Studierende, Kinder und alte Menschen, kaum jemand kann sitzen. BLACKDRUM essen backstage Pizza und trinken Schorle und sind so kurz vor dem Auftritt schon etwas nervös. „Eine gewisse Grundaufregung ist gut“, meint Ole. Um 21:15 Uhr betreten die sieben die gelb erleuchtete Bühne. Es ist kaum Platz für das Schlagzeug, die drei Gitarren, den Bass und das Keyboard. Jen, die als Medienwissenschaftlerin die Band immer wieder bei den Proben begleitet hat, macht noch kurz Werbung für das Crowdfunding. Dann geht es los.

„Junge, wie geil war dieser Auftritt?!“

Die Menge tobt. Vor allem bei dem energetischen Song falling apart nickt auch der größte Tanzmuffel mindestens mit dem Kopf und die erste Reihe ist nicht mehr zu halten. Jonathan animiert die Menge, David treibt das Publikum mit dem Schlagzeug voran. Nach einem Song, bei dem Ruben rappt und einer Ballade, bei der alle ihre Taschenlampen in die Höhe recken um Kuschelstimmung zu erzeugen, kommt zum krönenden Abschluss sogar ein kleiner Moshpit zustande. Jonathan lässt sich es am Ende nicht nehmen, das Crowdsurfen auszuprobieren.

Trotz schlechter Generalprobe – oder gerade deswegen – war das ein gelungener Abend. BLACKDRUM und die Medienwissenschaftler*innen hoffen jetzt, dass dieser Auftritt auch für die Promotion der Crowdfunding-Kampagne geholfen hat.
Wie es jetzt weitergeht? Weiter Werbung für das Projekt machen, das steht an oberster Stelle. Die jungen Menschen hinter BLACKDRUM haben alle ihre eigenen Pläne – Ole will eine Ausbildung machen, einer möchte noch die Oberstufe beenden und zwei wollen ins Ausland. Ihre Wege als Band werden sich wahrscheinlich im Sommer, wenn die LP auf Vinyl gepresst ist, trennen.

Die Zukunft der sieben jungen Leute als Band: ungewiss. © blackdrum_official

Zurück bleibt: Ein gelungenes Projekt, Erinnerungen an tolle Auftritte und eine Schallplatte mit den eigenen Songs.

Unterstützen könnt ihr das Transferprojekt und die Herstellung der Platte hier: Soundtrack des Hörspiels „Der Krieg der Knöpfe“ by Ulrich Hägele — Kickstarter

 

Fotos: Inga Lenßen, @blackdrum_official

Ähnliche Beiträge

4 Kommentare

  1. Margit Pohl sagt:

    Professionell geschriebener Artikel! Toller Flow in deinem Schreibstil! Macht Lust auf mehr Artikel von dir! Weiter so!

  2. Informativer Artikel. Vielen Dank fürs Aufstellen

  3. Heinz Bross sagt:

    Jetzt (im Juli 2023) ist die Platte in 200er Auflage tatsächlich gepresst und veröffentlicht.
    Kosten soll sie EUR 19,99 und zu erwerben ist sie u.a. im RIMPO-Plattenladen
    (Ammergasse 23, Tübingen)

  4. Sascha Seeburger sagt:

    Sehr gut geschrieben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert