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Die Entzauberung des Silicium-Tals

Das Silicon Valley. Ein Ort, der insbesondere in Europa noch eine starke Faszination auf die Menschen ausübt. Adrian Daub, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Stanford, hat im Audimax der Universität Tübingen den Mythos des Silicon Valley analysiert und abgekühlt. Die Kupferblau war direkt vor Ort.

Es ist ein sommerlicher Montagabend, doch trotz des schönen Wetters beginnt sich bereits kurz nach sechs das Audimax der Universität mit Interessierten zu füllen. Um 18:30 Uhr eröffnet der Tübinger Medienwissenschaftler Prof. Dr. Bernhard Pörksen die Veranstaltung und übergibt das Wort nach einer kurzen Einführung an Prof. Dr. Adrian Daub.

Daub wurde in Köln geboren, lebt heute aber in den USA. Da er an der Universität Stanford lehrt, befindet sich sein Arbeitsplatz in kürzester Entfernung zum Silicon Valley. Mit dem Auto braucht man von der Universität bis ins Valley etwa 20 Minuten und so kann er es aus nächster Nähe beobachten.

Von Aprikosenbäumen zu IT-Giganten

Daub beginnt seinen Vortrag mit einer Einleitung über die Anfänge des Valley, beschreibt es als einen Ort, an dem mit Konventionen gebrochen wurde und dass sich durch eine neue Form der Arbeitskultur ausgezeichnet hat und auch noch heute auszeichnet. Dort, wo heute das Silicon Valley verortet ist, standen früher Aprikosen- und Pflaumenbäume. Heutzutage haben von den elf weltweit wertvollsten Unternehmen sechs ihren Sitz im Silicon Valley. Anschließend kommt Daub zum Herzstück seines Vortrags: Er stellt sieben Ideen vor, die das Silicon Valley seit seinem Entstehen bestimmt und geprägt haben. Insgesamt präsentiert er die verschiedene Punkte: Disruption, Diskontinuität, „Content“, Genieästhetik, Kommunikation, Begehren und Scheitern.  Da die Widergabe aller Punkte den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, werden im Folgenden nur die überaus interessanten Punkte „Diskontinuität“ und „Genieästhetik“ näher vorgestellt.

Prof. Dr. Adrian Daub ⒸFoto: Cynthia Newberry.

Glorifizierung des Studienabbruchs

Als Beispiel für die Diskontinuität führt Daub die Tatsache an, dass viele der Pioniere im Silicon Valley Uniabbrecher waren – beispielsweise Steve Jobs oder Mark Zuckerberg. Ein Studienabbruch wird im Valley jedoch nicht als Makel wahrgenommen, sondern als äußerst positiv eingestuft. Hier zeige sich, so Daub, die Annahme, dass Institutionen den Menschen prinzipiell verbiegen. Denn Institutionen befördern Gruppendenken und hemmen damit Innovation und Fortschritt – daher gilt es, sich davon frei zu machen. Insofern wird im Valley die Distanz zu Institutionen wie der Universität zelebriert.

Der Technologiekonzern Apple war lange Zeit das wertvollste Unternehmen der Welt.

Geniekult

Eine in Deutschland wenig bekannte Denkerin ist Ayn Rand. In den USA ist sie jedoch sehr einflussreich, insbesondere auch im Silicon Valley wird sich auf ihre Überlegungen bezogen. Rand schreibt dem Genie eine hohe Bedeutung zu. Eine Firma wird als Ausdruck eines einzigen großartigen Genies verstanden. Die Firma ist als das Kunstwerk eines Genies zu verstehen. Dieses Kunstwerk wird durch das Eingreifen von Politikern oder anderen Akteuren nur verfälscht. Sieht man sich das exzentrische Auftreten von Elon Musk an, dann wird deutlich, dass er selbst genau dieses Genie verkörpert. Er macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt.

Elon Musk will Menschen auf den Mars bringen.

Privilegien? Nicht für alle!

Zuletzt weist Daub darauf hin, dass das Valley an vielen Stellen mit einem schönen Schein trüge. Zwar herrsche im Valley eine neue Arbeitskultur, jedoch auch nur für jene, die die „richtige“ Position in der Firma bekleiden. So gibt es für Mitarbeiter*innen im Valley unterschiedliche Benefits, beispielsweise einen Parkservice, die kostenfreie Benutzung des Fitnessstudios oder andere Annehmlichkeiten.  Diejenigen, die die Autos der Angestellten parken, verfügen jedoch keineswegs über diese Privilegien, obwohl sie bei derselben Firma arbeiten. Auch hier zeigt sich der Geniegedanke: Die schöne neue Arbeitskultur ist nur für die Elite gedacht, nicht für den oder die einfache Arbeiter*in.

Intensive Auseinandersetzung mit dem Valley

Nach dem Ende des Vortrags hatten die Zuhörer*innen noch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Diese Möglichkeit wurde vielfach genutzt, wodurch sich das große Interesse des Publikums am Thema „Silicon Valley“ nochmals gezeigt hat.

Im Vortrag wurden viele Aspekte angesprochen, die im Rahmen dieses Artikels nicht genauer besprochen werden können. Wer sich für Adrian Daub und seine Überlegungen zum Silicon Valley interessiert, dem sei Daubs Buch „What Tech Calls Thinking“ (Titel der deutschen Ausgabe: „Was das Valley denken nennt“) aus dem Jahr 2020 empfohlen.

 

Bilder: Titelbild: Laetitia Gloning, Foto 1: Cynthia Newberry, Fotos 2&3: Pixabay. 

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