Tübingen ist vielleicht nicht gerade für seine große Musikszene bekannt. Oft werden Singer-Songwriter*innen übersehen oder bleiben leicht im Dunkeln verborgen. Dabei mangelt es keinesfalls an Musiktalenten: Tim Reusch (alias Cynnamon) ist einer dieser jungen Künstler*innen. Der Singer-Songwriter von der Tübinger Band Lummerland war mit der Kupferblau im Gespräch über seine Musik, den Schreibprozess seiner brandneuen Singe „I’m Just Like You“ und vieles mehr.
Auch als Solokünstler erfolgreich
Der Kunstgeschichte- und Musikwissenschaftsstudent Tim Reusch beschreibt Musik als das momentan Wichtigste in seinem Leben. Schon mit vier Jahren hat er seine Liebe zur ihr gefunden, mit Schlagzeugstöcken in den Händen. Lange dauerte es für ihn jedoch nicht, auf die Gitarre zu wechseln, denn er fand das Instrument damals deutlich „cooler“, erzählt er uns im Interview. In den letzten Jahren trat er den verschiedensten Bands ein, seinen Platz fand er letztendlich aber bei Lummerland – ein Name, von dem man in Tübingen gehört haben muss. Seitdem die Auftritte in den letzten anderthalb Jahren höchstens unter erschwerten Bedingungen möglich waren – auch wenn ihre Konzerte bislang großen Erfolg brachten – veröffentlicht Tim neuerdings auch Solos.
Mal eine Melodie auf der Gitarre, mal eine Anfangsidee für das nächste Lied
Wie ein guter Song entsteht und wie viele Stufen er von der Themenfindung bis zur Veröffentlichung generell durchläuft, ist immer unterschiedlich. Ob die ersten Akkorde oder eine eingängige Melodie, bei Tim sind es meist die Gitarrenlinien, worauf der ganze Song aufbaut. „Manchmal versuche ich die Melodie auf die Gedanken, die ich schon habe, zu packen“, fügt er hinzu. Sobald diese Grundbausteine stehen, fängt er an, den Song aufzunehmen. Um auf inspirierende Ideen zu kommen und sie in ein Musikstück zu integrieren, arbeitet er gerne im Team mit anderen – denn dass Musik Menschen zusammenbringt, hört man nicht ohne Grund häufig. Manchmal muss er hingegen selbst einen neuen Schritt wagen. Gerade auch deshalb, weil es ihm Freude bereitet, persönliche Erfahrungen in seinen Liedern zu verarbeiten oder sich in einer ganz anderen Musikrichtung, auch außerhalb von Lummerland, wiederzufinden. So kam es auch zu seiner zweiten neuen Solo-Single „I’m Just Like You“.
Eindimensionale Stereotype vs. emotionales Facettenreichtum
Das Lied “I´m Just Like You” beschreibt Tim als eine Liebeserklärung an seine Schwester. Es erzählt ihre persönliche Geschichte – sowie die von Millionen Anderer mit Down-Syndrom – und spiegelt echte Gefühle wider, ohne eine explizit gewollte, politische Message. Von der Thematik selbst meint er:
„Menschen mit Down-Syndrom werden auf eine sehr eindimensionale Gefühlslage reduziert. Sie haben doch die gleichen Bedürfnisse, Empfindungen, Wünsche – besonders auf emotionaler Ebene.”
Ein bekanntes Klischee über sie sei nämlich, dass sie immer nur glücklich sind. Mit seiner Schwester als Hauptdarstellerin in dem YouTube-Video verfolgt er damit konkreter die Absicht, diese Vorurteile abzuschwächen und ihnen entgegenzuwirken. Dieses “Klischeehafte, übertrieben Glückliche”, wie Tim es bezeichnet, wollten sie dabei aus dem Mittelpunkt wegrücken.
Neben all ihren emotionalen Facetten, wird im Video versucht, die immer noch sehr präsente, jedoch unbegründete Berührungsangst vor Menschen mit Down-Syndrom implizit zu adressieren. Die besonders intimen Nahaufnahmen sollen keineswegs einschüchternd oder bedrückend wirken – ganz im Gegenteil, diese grundlose Ängstlichkeit wird hinterfragt. Man braucht nichts zu fürchten.
„Can you tell me how colors taste,
The world is dressed in black and light,
I know words don’t mean anything,
Your slightly different smile shines bright.
Because I’m just like you
I’m just like you.”
Ausschnitt aus dem Songtext von Cynnamon: I’m Just Like You
Was die Zukunft für den jungen Künstler bereithält
Obwohl die neue Single erst vor Kurzem veröffentlicht wurde, kommt schon bald eine Weitere raus. „Nothing Is Going To Hurt You“ heißt sie – so viel durfte Tim uns schon verraten.
Als wir ihn nach dem Unterschied zwischen dem Musikhören und dem Musikmachen fragten, war seine Antwort eine neu zugekommene, kommerzielle Komponente. Wie agiert und präsentiert man sich als Künstler*in auf der großen Bühne? Wie erreicht man ein möglichst immer größer werdendes Publikum, um die eigene Musik – womit man verständlicherweise seine komplette Freizeit verbringt – in die Welt zu tragen? Solche und noch weitere Fragen beschäftigen ihn seit der tatsächlichen Veröffentlichung seiner eigenen Songs. Eins steht fest: Auftritte sowohl als Solokünstler als auch mit seiner Band stehen bereits für das nächste Jahr an. Es lohnt sich zweifellos, ihn auf seinem Karriereweg zu begleiten, denn wir werden von seinem Talent im Laufe der Zeit sicherlich noch Einiges hören.
Beitragsbild und Illustrationen: ©cynnamon.music