Kultur

Tübinale 2021- Wie genug ist optimal?

Das Tübinger Kurzfilmfestival, Tübinale, feierte diesen Montag ein zehnjähriges Jubiläum mit dem Überthema Medienkonvergenz und Selbstoptimierung. Ein Wort, das in den letzten Jahren nicht zuletzt aufgrund der Pandemie Eingang in unseren kollektiven Wortschatz fand. Doch wie lässt sich dieses Phänomen filmisch verarbeiten? Unsere Redakteurin war bei der Preisverleihung dabei und gibt euch Einblicke in das spannende Projekt der Tübinger Mewi-Studierenden.

Selbstoptimierung hat, wie alles, was in irgendeiner Form mit Social Media zusammenkommt, zwei Seiten. Die Seite, in der gute Intentionen ganz vorne stehen: gesunde Ernährung, Sport, auf die mentale Gesundheit Acht geben, Produktivität… All diese Dinge sind nicht nur negativ und können sogar als positives Endprodukt der Pandemie gesehen werden. Doch in der Kombination mit Medien kann das schnell zu viel werden. Was passiert, wenn der Druck zu groß ist? Wenn Selbstoptimierung zum externen Zwang wird und plötzlich nichts mehr mit mentaler Gesundheit und Selbstliebe zu tun hat?

Ein Thema wie die Faust auf das Auge

Medien sind Fluch und Segen. Wie dünn ist die Linie zwischen technischer Hilfe und Überwachung? Diese Themen beschäftigten die Student*innen der diesjährigen Tübinale. Das Thema hätte dabei kaum passender sein können. Findet die Tübinale doch überhaupt unter dem Studiengang Medienwissenschaft, genauer unter dem Fach Medienwandel und Medienkonvergenz, statt.

Zur festen Struktur der Tübinale gehört nicht nur die Produktion der Kurzfilme und das Vorführen vor einer breiten außeruniversitären Öffentlichkeit, z.B. auf YouTube, sondern auch die Bewertung dieser durch eine Jury und dem Publikum. Die Jury vergab dieses Jahr drei Preise: Die beste Regie, die beste Idee und den besten Film. Wie immer entschied das Publikum über den gemeinsamen Favoriten im Publikumspreis.

Zwar war es möglich, die Struktur trotz der Pandemie beizubehalten, die Produktion der Kurzfilme fiel für die Student*innen allerdings etwas abenteuerlich aus. So mussten durch den erneuten Lockdown Drehbücher umgeschrieben werden, die Aufnahmen konnten nicht wie geplant stattfinden und das technische Equipment durfte nicht wie normalerweise verliehen werden. 

Das Mottobild der diesjährigen Tübinale.

Verleihung aus dem Fernsehstudio

Auch die Preisverleihung war anders. Auf YouTube moderierten Student*innen die Preisverleihung am Montag den 17.05. – professionell gestreamt aus dem Zentrum für Medienwissenschaft. Was die Student*innen trotz der unsicheren Umstände voller Kreativität geschaffen haben, ist bemerkenswert und auf YouTube in jeweils fünfminütigen Kurzfilmen zu bestaunen.

Aufgrund der kreativen Umsetzung der Kurzfilme, wurden dieses Jahr statt vier sogar fünf Preise vergeben. Den Preis für die beste Regie gewann Spiegelbild Klub mit dem Film „Hold on.“. Ein Kurzfilm voller ästhetischer Schnitte und einer beeindruckenden Dramaturgie, die das Thema Selbstoptimierung von einer anderen Perspektive her beleuchtete. Man folgt dem Protagonisten, der an seiner Selbstoptimierung verzweifelt. Allein in seinem Zimmer schreibt er Musik, ist einsam und spricht mit seinem Therapeuten über die Erfolge von Familienmitgliedern. Selbstoptimierung, die am Ende auf eine einzige Frage herausläuft:

„Was würdest DU denn gerne machen?“

Den Preis für die beste Umsetzung des Themas, die beste Idee, gewann Tic Tac Toe Productions mit dem Film „Upgrade“. Upgrade, ein System, dass einer Studentin hilft, ihr Leben zu optimieren, denn es allein weiß, was das Beste für sie ist. Früheres Aufstehen, Joggen gehen, die optimale Ernährung. Die Protagonistin steigt die Levels ihres Lebens hinauf bis zu dem perfekten männlichen Partner. Doch was passiert, wenn man alle Level erreicht hat? Ist man optimal glücklich?

Der Preis für die beste Idee wurde zudem auch noch an JS’S Productions mit dem Film „Waldeinsamkeit“ vergeben. Auch dieses Team beleuchtet das Thema Selbstoptimierung aus einem anderen Winkel. Was würde passieren, wenn man den Menschen oder hier einen normalen Studenten, zurück in die Natur bringen würde, ohne jegliche Technologie zur Hilfe. Ein Forschungsprojekt mit einem nicht ganz freiwilligen Probanden bekleidet diese Frage. Kommt der Mensch ohne jegliche Form von technischer Selbstoptimierung klar oder verirrt er sich doch im Wald?

Die Zahl des Optimums

Der letzte Preis, den die Jury vergab – der Preis für den besten Film – ging an Tiefenschärfe Studios mit dem Kurzfilm „einhundert“. Einhundert, das ist die optimale Zahl, die der Mensch erreichen kann. Ob beim gesunden Frühstück, beim Joggen oder bei dem Wecker, der immer früher schellt, man begleitet den Protagonisten auf seinem Weg zum optimalen Ich. Es ist ein Kurzfilm mit mitreißendem Schnitt, ohne Dialog. „Einhundert“ führt zu der Frage, wie weit und wie lange man optimal sein kann und, ob das Ziel am Ende die beste, gesundeste Lösung ist.

Zum Abschluss wurde wie immer der Publikumspreis vergeben. Dieses Jahr gewann das Team der Black Forest Productions, mit dem Kurzfilm „reset.“. Einen Neuanfang haben viele gerade zu Zeiten der globalen Pandemie letztes Jahr dringend gesucht und ihn vielleicht auch gefunden. Doch während Pamela Reif-Homeworkouts an und für sich nichts Falsches sind, ist der Grat zur sozialen Abspaltung meist schmal. Was passiert, wenn man die Freunde aufgrund von geplanten Workouts nicht mehr treffen kann oder wenn man sich ohne Makeup nicht mehr schön genug fühlt? Was passiert, wenn der Neustart vom gesellschaftlichen Druck aus, ein Fehlstart wird?

Selbstoptimierung ist nicht von Grund auf negativ, das sagen auch die Preisgewinner der diesjährigen Tübinale. Zu weit darf es allerdings nicht gehen. Vor allem, wenn man dabei sich selbst verliert.


Alle weiteren Filme sowie die Aufzeichnung der diesjährigen Preisverleihung könnt Ihr auf dem offiziellen YouTube-Kanal der Tübinale anschauen.

Fotos: (c) 2021 tuebinale.de. Alle Rechte vorbehalten.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert