1977 wurde durch das Landeshochschulgesetz (Hans Filbinger) der AStA, wie er damals bestand, abgeschafft. Der neue KAStRa sollte bis 2012 an dessen Stelle treten. Doch wie kam es dazu? Und wie konnten sich die Studierenden trotz dessen Gehör an der Universität verschaffen?
Das Jahr 1977
Das 500-jährige Jubiläum der Eberhard Karls Universität Tübingen war nicht das einzige einschneidende Ereignis im Jahre 1977, das die Studierendenschaft politisch in Aufruhr versetzte. Der Tod von Ernst Bloch begleitete die Demonstrationen gegen das geplante Landeshochschulgesetz der CDU in einer (hochschul-)politisch instabilen Zeit. Bei diesen Demonstrationen wurde auch das Clubhaus in der Wilhelmstraße von den Studierenden über einen Monat hinweg besetzt, in welchem sich der Sitz des AStAs (Allgemeiner Studierendenausschuss) bis dahin befand, um gegen die geplante Gesetzesänderung zu demonstrieren und deren Durchführung aufzuhalten. Allerdings wurde das Gebäude im Dezember 1977 von der Universität okkupiert und musste von den Studierenden geräumt werden.
Der KAStRa und die FSVV
Das Land Baden-Württemberg verbat der “offiziellen” Studierendenvertretung – dem “neuen” AStA – sich politisch zu äußern. Dieser veranstaltete von nun an vorwiegend Partys, verwaltete beispielsweise den Hochschulchor oder organisierte andere Veranstaltungen, besaß allerdings keinen eigenen Haushalt oder ein politisches Mandat.
Von der Studierendenschaft wurde er infolgedessen KAStRA – “kastrierter AStA” – getauft.
Es kam zu weiteren Streiks und Vorlesungs-Boykotten. 1978 bestimmte eine Studentische Vollversammlung die Fachschaften- Vollversammlung (FSVV), welche bereits 1973 gegründet worden ist und die zentralen Interessen der Tübinger Studierenden als mandatierte Studienvertretung durchsetzen sollte. Laut Landeshochschulgesetz war die FSVV keine Institution oder ein offizielles Gremium. Sie existierte einfach und da einem inoffiziellen Gremium nicht gesagt werden konnte, was es zu tun habe, blieb es dabei. Somit konnten sich die Tübinger Studierenden teilweise dem Verbot der bis dahin bestehenden Verfassten Studierendenschaft (VS) widersetzen, da die FSVV auch innerhalb des KAStRAs als Mehrheit vertreten war. In ihr konnten, damals wie heute, Vertreter*innen der Fachschaften ab 1977 Hochschulpolitik betreiben, da sie, zumindest von der Studierendenschaft, als unabhängig akzeptiert und wahrgenommen wurde. Dadurch konnte sich die Hochschulpolitik in Tübingen auch mit (studentisch) wichtigen Themen auseinandersetzen, wie internationaler Solidarität, Eigenveranstaltungen, Tagungen oder Festivals.
Die (hochschul-)politisch engagierte Studierendenschaft Tübingens sorgte zudem auch in den späteren Jahren noch für Aufruhr und machte dabei auf Missstände aufmerksam, wie 1997/98 beim „Lucky Streik“, oder in den 2000er Jahren während der Besetzung des Schlosses Hohentübingen oder beim Bildungsstreik und einer Kupferbau-Besetzung.
Neue Tendenzen in Tübingen ab 2010
Die hochschulpolitischen Gruppen und die FSVV entschieden sich 2010 für eine gemeinsame Studierendenvertretung. Es wurde bereits eine erste Satzung ausgearbeitet, die allerdings 2012 neu aufgesetzt werden musste, da durch den Regierungswechsel im Land eine studentische Selbstverwaltung wieder möglich wurde. Es kam zur Diskussion, ob ein StuPa (ein studentisches Parlament) oder ein StuRa (Studentischer Rat) eingeführt werden sollte. Nachdem verschiedene Satzungen abgelehnt und überarbeitet wurden, kam es zur Gründung des momentanen StuRas, die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft war geschafft. Im momentanen StuRa ist auch heute noch die FSVV integriert, die damit noch immer das basisdemokratische Standbein der Verfassten Studierendenschaft ist.
Mitarbeiterin: Heike Beirle
Fotos: Kupferblau Archiv, 29. Januar 2016; Archiv/ Materialsammlung der HoPo seit den 1970ern der FSVV/ des StuRa.