Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD nahm am 06. Mai 2025 ihre Arbeit auf. Die Basis für ihre Zusammenarbeit bildet der Koalitionsvertrag “Verantwortung für Deutschland”, den die Parteien am 05. Mai unterzeichneten. Wir fragen: Was kommt auf uns als Studierende zu? Ein Kommentar.
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD verspricht Einiges, auch für Studierende. Auch für Universitäten. Auch für Städte wie Tübingen. Und ja, man muss feststellen: Diese mögliche Regierung scheint verstanden zu haben, dass junge Menschen, die heute studieren, keine privilegierte Minderheit sind, sondern eine Generation unter anhaltendem ökonomischem Druck.
Große Ankündigungen, noch größere Hoffnungen
Die geplante Erneuerung des BAföG, etwa durch eine Erhöhung der Wohnkostenpauschale auf 440 Euro oder eine Anpassung des Grundbedarfs an das Niveau der Grundsicherung, ist ein Fortschritt, und eine mögliche Entlastung für Viele. Ebenso wirkt die angekündigte WG-Garantie, die verspricht, dass künftig alle Studierenden bezahlbaren Wohnraum finden sollen, zumindest auf den ersten Blick zuversichtlich. Auch der soziale Wohnungsbau soll gestärkt, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) reformiert werden. Wer all das kleinredet, verkennt den grundsätzlichen Kurswechsel, den diese Koalition anzudeuten versucht.
Ist die BAföG-Reform doch nur politisches Placebo?
Doch wer genauer hinschaut, merkt schnell: Der Mut zu echter Veränderung fehlt. Die BAföG-Anpassung ist bis in die Jahre 2028/29 gestreckt, was für Viele schlicht zu spät ist. Die Wohnkostenpauschale von 440 Euro mag gut klingen, doch sind wir ehrlich: Selbst in einer kleineren Universitätsstadt wie Tübingen reicht das häufig nicht: Das Moses-Mendelssohn-Instituts beziffert den mittleren Preis für ein WG-Zimmer in Tübingen kurz vor dem Wintersemester 2024/25 nämlich auf rund 496,50 Euro monatlich. Das ist höher als die geplante Wohnkostenpauschale. Wie soll das dann erst in Städten wie München, Berlin oder Stuttgart ausreichen?
Dann also die WG-Garantie – nicht wahr? Was im Koalitionsvertrag als „Garantie“ beschrieben wird, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als politisches Placebo. Eine einklagbare Rechtsgarantie auf Wohnraum soll es nicht geben. Stattdessen sollen bestehende Programme wie „Junges Wohnen“ aufgestockt und Belegungsregeln gelockert werden. Es soll geprüft, beraten, und irgendwann vielleicht auch umgesetzt werden. Es wird wieder viel geredet, aber wenig geregelt.

Klar, der politische Wille ist erkennbar. Immerhin wird das Problem überhaupt benannt. Doch wer das Wort „Garantie“ benutzt, erweckt Erwartungen. Und wenn Studierende eines nicht mehr brauchen, dann sind es Erwartungen, die am Ende wieder auf dem Boden der Bauordnung zerschellen. Eine echte Garantie ist nur das, was rechtlich bindend ist. Alles andere ist Rhetorik – und in die kann man leider nicht einziehen, wenn man zum Semesterbeginn noch verzweifelt auf Wohnungssuche ist.
Wird eine Gesetzesreform die Umstände an den Hochschulen verbessern?
Ebenso das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das 2026 reformiert werden soll. Aktuell erlaubt es Hochschulen, wissenschaftliches Personal über Jahre hinweg befristet zu beschäftigen, oft mit Einjahresverträgen, manchmal sogar nur mit Semesterverträgen. Insgesamt sind bis zu zwölf Jahre Befristung möglich: Sechs vor und sechs nach der Promotion. Ein Sonderarbeitsrecht, das außerhalb des universitären Umfelds unvorstellbar wäre. Für viele junge Akademiker*innen bedeutet das: Dauerhafte Unsicherheit, eingeschränkte Lebensplanung und die ständig bestehende Möglichkeit von Arbeitslosigkeit.
Dass dieses Gesetz nun reformiert werden soll, klingt mehr als vernünftig. Doch ob die angekündigten Maßnahmen mehr sind als Symbolpolitik, bleibt dabei unklar. Mindestvertragslaufzeiten wären ein klarer Fortschritt, aber wie verbindlich sie umgesetzt werden, bleibt völlig offen. Die Gefahr, dass Länder wie Baden-Württemberg und Universitäten wie die in Tübingen sich mit Verweis auf Haushaltslagen oder Übergangsregelungen aus der Verantwortung stehlen, ist groß. Es wäre nicht das erste Mal.
Schon bei der Reform des WissZeitVG von 2016 hatte der Bund Verbesserungen angekündigt. Doch die Länder, darunter auch Baden-Württemberg, entzogen sich den strukturellen Änderungen und delegierten die Verantwortung hinab an die Hochschulen. Der Landesverband der Bildungsgewerkschaft GEW weist bis heute auf diese Missstände hin. Das Ergebnis: Die Zahl befristeter Stellen im Südwesten ist laut dem Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs überdurchschnittlich hoch. Und das Land Baden-Württemberg war schon bei der letzten Reformrunde des WissZeitVG mehr Bremser als Treiber. Warum sollte es diesmal anders sein?
Die Reform auf dem Prüfstand
Auch beim Wohnen wird es ohne kommunale Verantwortung nicht gehen. Förderprogramme helfen nur, wenn es Grundstücke, politischen Willen und mutige Entscheidungen vor Ort gibt. Doch wer in Tübingen miterlebt hat, wie langsam bezahlbarer Wohnraum geplant, gebaut und vergeben wird, der weiß: Selbst der gute Wille aus Berlin hilft nicht weiter, wenn vor Ort gezögert wird.

Der Koalitionsvertrag formuliert vieles richtig. Er benennt Probleme, die lange ignoriert wurden. Aber ob aus Worten tatsächliche Entlastung für Studierende wird, entscheidet sich nicht im Bundestag, sondern in Bauämtern, Ministerien und Personalräten. Dort, wo Verantwortung nur allzu gern weitergereicht wird, während man fröhlich auf das Faxgerät starrt.
Und genau deshalb müssen wir aufmerksam und aktiv bleiben. Dieser Vertrag ist kein Grund zum Jubel, sondern vielmehr ein Anfang. Studierende dürfen sich nicht mit freundlichen Formulierungen und politischer Rhetorik abspeisen lassen. Sie brauchen Druck, Öffentlichkeit, Organisation. Wer glaubt, die künftige Bundesregierung werde es schon richten, steht in ein paar Jahren wieder vor denselben Problemen. Nur älter, frustrierter und vielleicht ein paar Semester weiter.
Beitragsbild: Aron Schmitz auf Unsplah.