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Pulsierende Beats treffen politischen Input: eine Vorstellung des Ract!festivals

In einer Woche ist es wieder so weit: eines der deutschlandweit größten politischen Umsonst&Draußen-Festivals findet in Tübingen statt. Getragen wird das Festival von ehrenamtlichen Helfer*innen, die sich basisdemokratisch organisieren und über ein Jahr hinweg voller Herzblut eine zweitägige Veranstaltung auf die Beine stellen.

Es ist ein regnerischer Apriltag als ich mit Celine und Marian, beide sind Teil des Orga-Teams, zum Interview verabredet bin. Ich treffe die zwei vor dem Clubhaus an, im Rätebüro setzen wir uns anschließend in der Sofaecke zusammen und sie erzählen mir von ihrer Arbeit für das Ract!.  Ich bin neugierig einen Einblick in die Organisation des Festivals zu erhalten und mehr darüber zu erfahren, welche Überlegungen hinter der Ausrichtung stehen.

Die grundsätzliche Organisation ist schnell dargestellt: Einmal wöchentlich trifft sich das Plenum am Donnerstagabend. Losgelöst davon gibt es für die großen Themenbereiche wie Finanzen oder Social Media verschiedene Arbeitskreise. Marian ist vorrangig im Booking und der Künstler*innenbetreuung vor Ort tätig – er kümmert sich also beispielsweise um die Auswahl und Organisation der Musiker*innen. Celine hat ihr Einsatzfeld im Bereich Grafik und Presse gefunden.

Die Idee ist, dass Leute auf das Festival kommen und dort eine gute Zeit haben, aber gleichzeitig noch politisch-gesellschaftlich etwas mitnehmen.

Marian über den Kern des Ract!festivals

Kupferblau: Was zeichnet das Ract! aus eurer Sicht besonders aus?

Celine: “Ich denke es ist sehr cool daran, dass sich jeder einbringen kann und dass es keine hierarchische Ordnung gibt. Jeder kann Einfluss darauf nehmen, wie das Festival wird.”

Das Ract! findet seit vergangenem Jahr in der Kastanienallee beim Freibad statt. Bild: Ract.

Marian:  “Aus Besuchersicht würde ich sagen, dass auch der politische Anspruch, den wir an unser Festival haben, etwas Besonderes ist. Da es freien Eintritt gibt, wird niemand aufgrund ökonomischer Verhältnisse vom Festival ausgeschlossen. Daneben gibt es auch immer Infostände von Hochschulgruppen, vom StuRa, von jugendpolitischen Organisationen oder NGOs. Ebenso gibt es eine bunte Mischung von Workshops und Vorträge von politischen Organisationen. Auf diese Weise verfolgen wir auch das Ziel, die politische Partizipation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu fördern. Die Idee ist, dass Leute auf das Festival kommen und dort eine gute Zeit haben, aber gleichzeitig noch politisch-gesellschaftlich etwas mitnehmen.”

Angesprochen auf die Workshops erzählt Marian, dass er sich insbesondere auch auf die Verbindung mit Fridays for Future freue: Fridays for Future wird am Festivalfreitag (der 07. Juni)  eine Klimademo abhalten. Diese endet dann auf dem Ract!, da die Abschlusskundgebung auf einer der Ract!-Bühnen stattfinden wird.

Warum eigentlich Ract? Das Ract!Festival entstand aus der Fusion zweier bestehender Festivals, dem act-Festival und dem Räte-Open-Air, das vom StuRa organisiert wurde. Aus dieser Verbindung entstand der heutige Name. Das Ract! wird seit 2006 in Tübingen ausgerichtet.

Kupferblau: Was bedeutet eure basisdemokratische Organisation für eine so große Veranstaltung?

Marian: “Das bedeutet, dass jede und jeder dazukommen kann, ohne irgendwie Vorwissen haben zu müssen. Als ich das erste Mal dazugekommen bin und Musik mitgebooked habe, da hatte ich keine Ahnung von nichts, außer, dass ich in meiner Freizeit ein bisschen Musik gehört habe. Und dann habe ich die Sachen eben Stück für Stück gelernt.  Das Schöne ist also, dass allen Leuten etwas beigebracht wird, aber dass man gleichzeitig auch immer seine eigenen Ideen miteinbringen kann – es gibt eben nicht diese Regeln das muss so und so gemacht werden, sondern jede und jede, egal ob seit einem Monat oder seit fünf Jahren dabei, kann sagen, hey, lass uns das doch mal so probieren.”

Celine: “Die wichtigsten großen Entscheidungen werden im Plenum getroffen und es wird versucht einen Konsens zu finden, mit dem alle irgendwie zufrieden sind und dass es eben nicht zwei, drei Leute gibt, die immer über den Kopf der anderen hinweg entscheiden.”

Kupferblau: Ist es auch manchmal schwierig auf diese Art und Weise eine Entscheidung zu treffen?

Celine: “In der Regel läuft das relativ reibungslos…außer bei den Tshirtfarben! Das ist die schlimmste Diskussion im Jahr (beide lachen). Aber ansonsten ist es relativ entspannt.”

Kupferblau: Das Motto des diesjärigen Ract! lautet „Rettet die Wahlen“. Weshalb habt ihr dieses Motto gewählt?

Marian: “Das Ract findet dieses Jahr an dem Wochenende statt, an dem am Sonntag auch die Gemeinderatswahl in Tübingen und die Europawahl stattfinden. Daran zeigt sich unser Anspruch, dass wir motivieren möchten, wählen zu gehen und eben auch keine rechten Parteien zu wählen.”

Das Orga-Team des Ract! im vergangenen Jahr – damals konnten sich wohl die Verfechter*innen von Türkis durchsetzen. Bild: Ract.

Auf der Website des Ract! steht, dass im Rahmen des Festivals offene Diskussion und Meinungsvielfalt gefördert werden. Auf die Frage, wie das auf dem Ract! angestoßen und unterstützt wird, legen die beiden dar, dass dies durch das Einnehmen einer klaren Positionierung geschehe, beispielsweise wird die AfD bewusst nicht dazu eingeladen, einen Stand auf dem Ract! aufzubauen. (Anmerkung der Redaktion: Parteien des demokratischen Spektrums sind auf dem Ract willkommen und bei den Infoständen vertreten). Ebenso ist jede*r auf dem Festival willkommen, aber beispielsweise rechtsradikale Aufdrucke auf Tshirts werden nicht toleriert.  Es bestehe auch Offenheit für Diskussion, solange sie in einem nichtdiskriminierenden Rahmen bleibt. Somit zeigt sich von Seiten der Planung eine klare Grenzziehung. Insgesamt wird danach geschaut, dass jede*r kommen kann wie er oder sie ist und dass sich alle wohlfühlen. In dieser Angelegenheit unterstützt auch das Awarenessteam.  

Kupferblau: Nach welchen Kriterien habt ihr dieses Jahr die Musiker*innen ausgewählt?

Marian: “Wir versuchen immer eine Mischung aus regionalen und überregionalen Künstler*innen zu machen. Wir möchten vor allem an den Nachmittagen und frühen Abenden Bands aus Tübingen und Umgebung eine Plattform bieten, weil es viele coole junge Bands im Umkreis gibt. Natürlich schauen wir auch auf die Liedtexte, dass es da nicht irgendwie rechte oder sexistische Aussagen einen Platz finden. Grad auf der HipHop-Bühne kann das ja prinzipiell ein Problem sein. Was ich dieses Jahr sehr schön finde, ist, dass wir ein sehr weibliches Line-Up haben. Wenn ich das richtig im Kopf habe, dann haben wir an jedem Tag auf jeder Bühne auf dem Headliner-Posten keine rein männlichen Bands. Dafür haben wir ganz bewusst gesorgt.”

Celine: “Sehr cool ist auch der Rap-Contest, wo einfach Leuten, die sonst überhaupt keine Bühne hätten, die Chance gegeben wird, ihre Texte auch auf die Bühne zu bringen. Der Contest findet zwei drei Wochen vor dem Festival statt und der Gewinner bekommt einen Slot auf der HipHop-Bühne.”

Kupferblau: Auf welche Acts freut ihr euch dieses Jahr besonders? 

Marian: “Da ich die HipHop-Bühne mitbetreue, freue ich mich vor allem auf Haszcara und auf Alle werden fallen.

Celine: “Ich freue mich auch besonders auf Alle werden fallen. Und auf Die Vagari, weil ich mich darauf freue, sie auch außerhalb vom Ammerschlag zu hören.”

Kupferblau: Wie können Studierende aktiv werden und das Ract! unterstützen?

Celine: “Erstmal sich als Helfer oder Helferin anmelden. Das kann jeder ganz easy machen. Sonst kann man auch jederzeit ins Plenum kommen und sich direkt einbringen. Ich denk es könnte grad auch interessant sein für Leute, die neu nach Tübingen gezogen sind. Es ist eine gute Möglichkeit, um in der Stadt Fuß zu fassen und einen coolen Kreis an Leuten um sich zu haben.”

Marian: “Wir sind ein komplett ehrenamtliches Festival, die ganze Organisation ist ehrenamtlich. Niemand von uns verdient irgendeinen Cent dafür, dass man das fast ein Jahr lang organisiert. Und eben auch die ganzen Helferinnen und Helfer machen das alles ehrenamtlich. Und wenn man das Ract! cool findet und man möchte vielleicht auch dem Ract helfen, damit es weiterhin stattfinden kann, so wie es stattfindet, ist das Helfen mit eine der besten Möglichkeiten. Vom Aufbau bis zum Übernehmen von Ordner-Posten auf dem Festival.”

Wenn ihr Lust bekommen habt das Ract!festival zu unterstützen, dann findet ihr hier den Link, um euch als Helfer*in für das kommende Ract! anzumelden. 

Beitragsbild: Ract. 

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