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Luisa Neubauer im Interview: „Die Klimakrise wartet nicht auf unseren Bachelor“

Am 22. Juni sprach Luisa Neubauer im Rahmen der 18. Mediendozentur im Festsaal der Neuen Aula. In Ihrem Vortrag „Sagen was ist“ zeigte sie die zentralen Probleme des Klima-Diskurses auf. Doch was lässt sich in der Welt der Universität alles tun, wie können wir als Studierende unseren Teil zum Klimaschutz beitragen? Vor der Dozentur hatten wir in einem kurzen Interview die Gelegenheit, ihr dazu einige Fragen zu stellen.

Kupferblau: Wie gehst du damit um, ständig mit dem Klimawandel konfrontiert zu sein?  

Luisa Neubauer: Da ich hauptsächlich von Menschen umgeben bin, die etwas gegen die Klimakrise machen wollen, ist das eine sehr viel fröhlichere Arbeit, als man vielleicht meinen würde.  

Kupferblau: Was würdest du bezüglich Klimaschutz an der Uni ändern?  

Luisa Neubauer: Oh, endlos viel. Ich glaube, Universitäten sollten sich grundsätzlich darauf verpflichten, keine Kapitalanlagen in fossilen Energien zu haben, also Divestment. Es sollte ein verpflichtendes Klima-Curriculum für alle Studierenden geben. Damit völlig klar ist, dass alle, die im ersten Semester sind, Anteil an Informationen und Aufklärung über den Klimawandel haben können und somit eine Möglichkeit bekommen, sich intellektuell zu verorten. Unis haben aber auch beispielsweise durch Mensen ihre eigenen Fußabdrücke und gleichzeitig liegt es auch an Universitäten als Forschungseinrichtungen, ihre kritische Stimme zu nutzen. Worauf wird gerade hingeforscht? Damit die Forschung weiter ignoriert wird und man in 70 Jahren sagt: „Wir haben es doch alles gewusst“? Da steht die Wissenschaft vor großen Fragen.  

Kupferblau: Denkst du, die Message, dass die Klimakrise nicht nur durch individuelles Konsumverhalten gelöst werden kann, kommt langsam in der Gesellschaft durch?  

Luisa Neubauer: Ja, ich glaube, da sind wir schon gut weitergekommen. Wir brauchen natürlich auch individuelle Verhaltensänderung, einerseits beim Konsum, andererseits aber auch in der politischen Positionierung. Auch beim Wählen gehen sind wir erst mal Individuum. Es geht darum, dass wir als Individuen uns als Teil eines Kollektivs verstehen und als Kollektiv gemeinsam Macht aufbauen.  

Kupferblau: Wie hat sich die Klimabewegung in den letzten Monaten unter dem Einfluss der „Letzten Generation“ verändert?  

Luisa Neubauer: Es gab einen Moment zum Wechsel der Legislatur, da haben weite Teile der Klimabewegung gedacht, dass jetzt etwas gemacht wird. Es gab Pläne und Koalitionsbeschlüsse, und die Klima-Ringelreihen wurden fünfmal hoch und runter getanzt. Braucht es also noch so viel Klimabewegung? Ich meine, welche Regierung soll es sonst lösen, wenn nicht diese? Diese derzeitige Stagnation; die Blockade in der Ampel, macht Menschen wütend, und das verstehe ich auch. Wir sehen auch, dass Menschen das Gefühl haben, dass sie mehr tun wollen. Und jetzt liegt es an uns als klimabewegte Zivilgesellschaft, strategisch zu bleiben und unsere Gefühle und die Spannung der Gesellschaft wahrzunehmen und gleichzeitig dort den Konflikt auszutragen, wo wir ihn austragen müssen: zwischen Klimaschutz und Klimazerstörung.  

Kupferblau: Glaubst du, dass die Frustration, zu sehen, dass diese Transformation nicht wirklich funktioniert, auch eine gewisse Gefahr birgt?  

Luisa Neubauer: Natürlich. Wir müssen gerade durch unser Handeln beweisen, dass von gutem und gerechtem Klimaschutz alle profitieren. Wenn aber auf den kleinsten Maßnahmen so lange herumgehackt und der Teufel an die Wand gemalt wird, verlieren Menschen natürlich die Laune und die Bereitschaft. Das ist vor allem Richtung Regierung gesprochen ein riesengroßes Drama. Es müsste eigentlich an der Regierung liegen, da jetzt gesammelt gute Laune zu verbreiten.  

Kupferblau: Was hätte Fridays For Future besser machen können? Hätte es mehr zivilen Ungehorsam gebraucht und was kann FFF jetzt noch bewegen?  

Luisa Neubauer: Da wir dieses Gespräch wahrscheinlich nur führen, weil es Fridays for Future gegeben hat; da es in diesem Land in den letzten fünf Jahren eine Diskursverschiebung gegeben hat wie noch nie zuvor in Sachen Klima; und da wir von der kleinsten Kommune bis zum Verfassungsgericht Klimaveränderungen erwirkt haben, habe ich erst mal wenig Gründe, betrübt auf das Vermächtnis der Bewegung zu gucken. Wir sind losgezogen, um alles zu machen, was wir machen können, und das haben wir gemacht. Das heißt natürlich nicht, dass wir alles richtig gemacht haben. 

Kupferblau: Hätte es also auch zivilen Ungehorsam gebraucht? 

Luisa Neubauer: Na ja, wir haben ja mit dem Schulstreik gestartet, das war Ungehorsam. Was wichtig ist, in der Klimakrise im Kopf zu behalten, ist, dass es kategorisch keine Protestformen gibt, die erfolgreicher sind als andere. Das ist immer eine Frage von Kontext. Was passt? Wen möchte man ansprechen? Was ist die Botschaft? Ich glaube, dass der sehr oberflächliche Diskurs über Protestformen, der gerade entflammt, denjenigen hilft, die überhaupt kein Interesse daran haben, dass Protest wirkt. Anstatt dort herablassend auf jene zu schauen, die woanders Arbeit in den verschiedensten Formen leisten, wäre es wichtig, sich wieder darauf zu besinnen, dass diejenigen konfrontiert werden, die uns hier reingeritten haben.  

Kupferblau: Was kann Fridays for Future jetzt noch machen? Schließlich hat die Teilhabe dort in den letzten Jahren deutlich abgenommen.  

Luisa Neubauer: Es hat sich vor allem die Form der Teilhabe verändert. Die Streiks gibt es weiterhin, und das mit großem Zulauf: Jeder globale Klimastreik seit den letzten fünf Jahren war nicht immer gleich, aber auch durch die Corona-Pandemie hinweg stabil. Gleichzeitig ist Klimastreik kein Selbstzweck. Gott sei Dank ist es nicht mehr notwendig, 1,4 Millionen Menschen auf die Straße zu bringen, damit die GroKo mal das Wort Klima flüstert. Das ist nicht mehr notwendig, Menschen können sich woanders einbringen, wo Konzepte erarbeitet und umgesetzt werden. Das ist vielleicht weniger fotogen, aber genauso notwendig.  

Kupferblau: Wie viel Macht haben wir als Studierende bezüglich des Klimaschutzes?  

Luisa Neubauer: Ich spreche ja auch als Studentin und bin schon überzeugt davon, dass wir die Freiräume, die wir als junge Menschen an Unis bekommen, nutzen müssen. Es gibt wenige Lebensphasen, in denen man sich so reinhängen kann. Die Klimakrise wartet nicht auf unseren Bachelor. Auch wenn es blöd klingt, aber wir müssen uns ernst nehmen und verstehen, dass genau das hier der Ort sein muss, an dem wir die Privilegien nutzen, die man als studierende Person hat. Ich habe das Gefühl, manchmal warten Studis darauf, dass sie genug gelernt haben und das irgendwann mal in irgendeiner Lebensphase anwenden können, aber die Zeit ist jetzt. Wir haben alle ein Recht auf Klimagerechtigkeit.  

Beitragsbild: Rona Eccard

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