Wie die meisten Studierenden am eigenen Leib erfahren haben, waren viele universitäre Einrichtungen in der letzten Woche vor Weihnachten geschlossen – Studium und Lehre wurden in ein Onlineformat verschoben. Auch die durchschnittlichen neunzehn Grad Zimmertemperatur in vielen Einrichtungen nagten an dem ein oder anderen in der Vorweihnachtszeit, beides sind Maßnahmen vor dem Hintergrund der derzeitigen Energiekrise in Deutschland. Ist es vertretbar, jedes Mal, wenn es einen Vorwand gibt, das Studium in die Virtualität zu verschieben? Ein Kommentar.
Ein Seminarraum im Wintersemester sah im Dezember meistens so aus: Jacken, Mäntel, Pullover, Schals, Mützen – dazwischen Gesichter, manchmal halbverdeckt von medizinischen Masken. Viele tragen stets Sorge hinsichtlich der sich im Schwebezustand befindlichen Coronapandemie. Das bedeutet auch bei kalten Temperaturen zu Lüften, in den Arbeitsräumen der UB passiert das zum Beispiel sogar automatisch. Beim Lüften werden aus neunzehn Grad meist viel weniger, besonders, wenn die Fenster zwischen zwei Seminaren geöffnet werden und schlichtweg niemand präsent ist, um sie rechtzeitig wieder zu schließen.
Eine Lösung gegen dieses Prädikament machte sich breit: ab in die studentische Unterkunft.
Durch die Hochschulkommunikation bekamen Studierende im Wintersemester bisher insgesamt acht Emails, vier davon beschäftigten sich mit dem Thema Energiesparen. Titel wie „Universität muss dringend Energie sparen“ oder „Infoveranstaltung Energieversorgung der Uni“ erweckten den Anschein, dass die Institution selbst für sich im Zentrum steht und nicht die Kreaturen, die sie bevölkern. Letztendlich hat jede*r auch im Eigenheim mit erhöhten Energiekosten zu kämpfen, ein Fakt, der beim Entwurf der Lösungsstrategie der Universität scheinbar nicht präsent war.
Lehrpläne wiesen bereits bei der ersten Einsicht im Oktober das schreckliche Wort online auf. Dürfen wir die Bildungseinrichtungen, die zum Studieren erbaut wurden, wirklich uneingeschränkt nutzen?
Home-Uni, ich komme!
Nach etlichen Semestern der Home-Uni via Zoom hat sich jedoch nicht nur bewiesen, dass das virtuelle Studieren eine Alternative ist, sondern vor allem auch, dass es keine ‚richtige‘ Alternative ist: Studierende sind online abgelenkte, demotivierte graue Kachelwesen, bei denen eine Teilnahmelethargie nicht selten ist. Dies steht natürlich nur neben der Unpersönlichkeit der Virtualität. Dass ein Leistungsabfall in der Onlinelehre geschieht, ist nicht nur Gefühl, sondern Fakt. Ebenfalls muss bei längeren virtuellen Lehrepisoden ebenfalls damit gerechnet werden, dass der geistige Gesundheitszustand Studierender herausgefordert wird; Onlinelehre bedeutet vor allem für Studienanfänger*innen und Introvertierte oft Isolation und Einsamkeit, wie eine extensive globale Studie belegt. Wenigstens findet das Ganze nicht bei neunzehn Grad statt, zumindest nicht bei den meisten, oder?
Ist es vertretbar, Studierende aus extremen Gründen vom Campus abzugrenzen? Ja, vor allem wenn es um die Gesundheit derselben geht, wie bei einer Pandemie.
Ist es vertretbar, Studierende aus institutionell-monetären Gründen vom Campus abzugrenzen? Nein, vor allem wenn die Studierenden selbst Mehrkosten dadurch tragen müssen. Argumente für die Schließung des Campus wie „dann können die Studierenden früher vor Weihnachten nach Hause fahren“ sind dabei mit einem Lacher von der Schulter zu wischen, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Universität einen substanziellen internationalen Studierendenkörper hat, der nicht einmal Weihnachten feiert.
Physisch in der Uni zu sein, sollte zu keiner Barriere werden. Man kann trotz allem froh sein, dass uns diesmal nur eine Woche getroffen hat und hoffen, dass es eine Einmalstrategie war und keine etablierte Taktik zur Kosteneinsparung wird. Hoffentlich sehen wir uns bald auf dem Campus wieder, bis dann!
Fotos: WHO: wikimedia commons; Patrick Muczczek, Nele Pidt
Titelbild: Patrick Muczczek, Holly Geiß