Kultur Musik

Die Sonne scheint nur für mich

Die Band STRAHLEMANN ist eine Newcomer Indierock-Band mit deutschen Texten, die seit letztem Sommer ihre Konzerte überall in Deutschland verteilt spielt. Im Frühjahr ’22 berichteten wir bereits über die erste Single der Band. Heute erscheint ihre Ep „Die Sonne scheint nur für mich“. Der Liedsänger der Band, Tino Fahrner, studiert an der Universität Tübingen. Im Interview haben wir ihn über sich, die Band und ihre neue Ep ausgefragt.   

Hinweis:  Im Zusammenhang mit diesem Artikel erscheint ein Fotointerview in der nächsten Print-Ausgabe der Kupferblau.

Die Band ist über ganz Deutschland verteilt – Wie und wann hat sich Strahlemann gegründet?

2019 habe ich Julius (Bassist, Produzent) und Marvin (Drummer) bei einem Bandcamp kennengelernt und wir sind in Kontakt geblieben. Ein Jahr später habe ich mich mit Julius in Münster getroffen, um eigene Songideen aufzunehmen. Er hat zu der Zeit Musik studiert und kannte daher Jules (Gitarrist). Der hat dann immer wieder bei uns vorbeigeschaut und wir haben zusammen Songs geschrieben – einer davon ist auf unserer Ep. Es hat sofort gefunkt, war eine intensive schöne Zeit. Noch ein Jahr später (August 2021) haben wir uns dann zur ersten Strahlemann-Probenwoche zusammengefunden. Ich bin total froh, dass das funktioniert. Wir führen ja mit STRAHLEMANN eine Vierer-Fernbeziehung (lacht). Wir sind verteilt über Münster, Köln, Wuppertal und Tübingen.

 

Tino Fahrner: Beschreibe eure Musik in einem Bild

Jedes Mitglied hat bei euch schon länger einen engeren Bezug zur Musik – hat entweder Musik studiert, arbeitet bei einem Musikmagazin oder gibt mit seinem Instrument Unterricht – was ist dein Bezug?

(ironisch) Die Legende vom Strahlemännchen soll ich jetzt erzählen? (lacht) Also ich hab mit Schlagzeug angefangen, da war ich sieben. Als Schlagzeuger habe ich während meiner Schulzeit in Bands gespielt. Mit  elf habe ich die Gitarre für mich entdeckt und zu der Zeit angefangen, aktiv Musik zu hören. Mein Vater hat mir immer Kassetten gebrannt mit The Who, den Beatles, mit Led Zeppelin und vielen Sachen aus den 80ern und 90ern. Zum Beispiel Nirvana und den ganzen Bumms. Die erste Band, die ich selber angefangen habe zu hören war Simple Plan (Pop Punk Band aus Kanada). Mit denen habe ich Englisch gelernt und mir mit YouTube Videos von ihnen beigebracht, Grundakkorde auf der Gitarre zu spielen und die Songs nachzusingen. Mit den gelernten Akkorden habe ich dann angefangen, selber Songs zu schreiben. Ich habe so oft ich konnte die Gitarre in die Hand genommen und gesungen.

Blöd gefragt: Was für Musik macht ihr überhaupt?

Ich denke, wenn man Musik macht, denkt man nicht an ein bestimmtes Genre, sondern man macht das, was einen beeinflusst. Dann macht man selber und im besten Falle kommt etwas abgewandeltes Neues dabei raus. Wenn ich es in einem Wort beschreiben müsste, dann machen wir Indie. Mit der Ep geht es dabei eher in die Rock-Richtung. Wir sind stark vom Post-Hardcore beeinflusst, also von Bands wie Heisskalt und VanHolzen. Wir bewegen uns aber auch wieder weg vom rockigen. Der Einfluss von Bilderbuch ist auf jeden Fall ganz groß. Aber auch die Band The 1975 und Artists wie Phoebe Bridgers.

“Gute Songs sollte man immer auch am Lagerfeuer singen können.”

Tino Fahrner auf die Frage, was einen Song ausmacht
Fürs Songwriting bist du verantwortlich in der Band?

Ja. Nicht alleine natürlich, sonst wären wir keine Band. Die Grundideen zumindest schreibe ich selber. Ich habe ein sehr volle Notiz-App. Ich nehme mir dann die Zeit und versuche, die besten Ideen zusammenzubringen, bastele daran rum und bringe es in eine einigermaßen sinnvolle Struktur. Dann schicke ich das den Jungs. Die Dateien sind dann so zwischen sechs und achtzehn Minuten lang (lacht). Dann treffen wir uns im Proberaum und arrangieren das zusammen, sodass ein vier Minuten Ding daraus wird.

Das Endprodukt trägt also die Handschrift von jedem von euch?

Absolut, ja! Gerade soundtechnisch.

Ich finde, man hört bei euren Songtexten eine gewisse Traurigkeit heraus. Wie viel davon sollte man ernst nehmen und was davon ist schlicht ‚gekünstelte‘ künstlerische Freiheit?

Wie viel du davon ernst nehmen möchtest als Hörer, als Hörerin, liegt ganz bei dir. Ich würde es nicht Traurigkeit nennen. Eher Niedergeschlagenheit, Apathie. Das sind ziemlich zentrale Gefühle für diese Ep. Wir sind alle vier junge Menschen an der Schwelle zum Ernst des Lebens und wir versuchen uns zurecht zu finden in der Welt, die Tag und Nacht durch alle möglichen Krisen bedroht ist. Wir versuchen irgendwie unseren Platz zu finden. Das schlägt sich in den Lyrics und auch in der musikalischen Gestaltung nieder. Es geht viel um Frustration, über Dinge, die man nicht ändern kann. Es geht um das Bedürfnis, sich selber sein zu wollen und die Diskrepanz zwischen dem, was ich bin und dem was ich sein soll. An Erwartungen, die an einen gestellt werden. Ich denke, das prägt unsere Musik sehr stark.

“Die Ep kann man als Rückblick verstehen auf das erste Bandjahr.”

Tino Fahrner
Wie ist eure Ep davon geprägt?

Die Ep ist eine Art Reise eigentlich. Das Ich, man könnte auch sagen: Das Strahlemännchen – das uns alle verkörpert – startet bei Song Nummer 1 (die Sonne scheint nur für mich), der aussagt: Ich kann keine Veränderung bewirken, ich bin frustriert. Dann geht es weiter zu Themen wie Sozialphobie. Ich kann nicht von allem gemocht werden, möchte aber von allen gemocht werden. Das ist ja irgendwie ein zentrales Thema für unser Alter.  Am Ende der Ep geht es dann um Abschiede, um die Vergänglichkeit von Freundschaft. Das Strahlemännchen wird – wenn man so will – durch diesen Fleischwolf des Lebens gedreht und kommt beim letzten Song (Lichtgewand) raus. Das Lichtgewand (Nacktheit) ist dann die letzte Zuflucht für das vor Idealismus brennende Männchen, das gemerkt hat, in der Welt zu bestehen ist schwierig. Am Ende ist das, was ihm bleibt, die Liebe.

 

Kunst machen heißt: sich ‘nackt machen’

Der Anspruch von euch an dieses Musikprojekt ist, als Band Kunst zu schaffen und damit ernst genommen zu werden, oder?

Zur Kunst: Ja, genau. Wir möchten damit ernst genommen werden. Die Musik ist für mich – und ich denke für die Anderen auch – ein Ventil, zur Verarbeitung von Gefühlen. Ich glaube, dass man in vielen Momenten nicht die Möglichkeit hat, in der Situation zu sagen, was man über sie in einem Song sagen kann. Zumindest nicht in der Eindeutigkeit in der man es gerne gesagt hätte. Es ist einfach ein schöner Zufluchtsort. Für uns und im Idealfall für unsere heutigen und zukünftigen Fans.

Du bist nicht nur Musiker, sondern auch Rhetorik-Studierender. Als solcher kennst du dich mit zielgerichteten Handlungen aus. Wie viel Kalkül steckt in diesem Projekt?

Puh. Ich würde nicht von der Praxis herkommen, nach dem Motto: Das, was funktioniert ist schön. Sonst müsste ich ja auch Mark Forster schön finden (grinst). Bei uns ist das eher so, dass die Musik erstmal aus einem Gefühl entsteht, sich authentisch anfühlt und wir dann damit versuchen, Leute zu erreichen. Es geht nicht darum, zu machen, was gerade angesagt ist. Dann würden wir Deutschrap machen.

Also ist dieses Gefühl in Musik festzuhalten bei euch im Vordergrund. Trotzdem möchte man damit Menschen erreichen und anschlussfähig sein?

Genau. Das ist sogar der anstrengendere Teil. Es fühlt sich immer komisch an, über die eigene Musik zu sprechen. Das man Werbung machen muss. Leuten etwas zu verkaufen. Das ist vielen Künstler*innen unangenehm. Auch mir.

“Du musst dich am Anfang halt durchbeißen.”

Tino Fahrner

Sich zu vermarkten spielt im Hinblick auf die Musikindustrie für euch als Band eine entscheidende Rolle. Welche Barrieren begegnen euch als Newcomer Band da?

Ich will mich ungern in die Reihe der Leute einreihen, die sagen ‚Die Musikindustrie ist scheiße und unfair‘. Aber es fühlt sich leider schon so an. Die Hauptaufgabe einer Band ist, Content-Creater zu sein. SocialMedia Manager, PR-Manager und Konzert-Bucher. Dazwischen dann noch ein bisschen Musiker. Als Newcomer Band hat man es nicht so leicht, Fuß zu fassen. Die Mentalität ist in der Musikindustrie immer noch: Was groß ist, soll groß bleiben. Wenn du da als Newcomer ernst genommen werden willst, musst du schon sehr genau wissen, was du vom Leben willst, welche Musik du machst, welche Genre du machst etc. Das kostet unheimlich viel Energie. Das andere ist die Bezahlung. Die Industrie ist schon darauf aufgebaut, sich gegenseitig auszubeuten. Bei großen Bands muss man sich einkaufen, um als Vorband spielen zu dürfen. Bei anderen Konzerten war es meistens so, dass wir mit der Gage gerade so die Fahrtkosten gedeckt bekommen haben. Du musst dich am Anfang halt durchbeißen.

Beitragsbild: STRAHLEMANN

Fotos: Ben Metz

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