Endlich wieder zurück in Präsenz. Endlich wieder in Vorlesungssälen und Seminarräumen sitzen. Endlich wieder unter Leuten. Aber ist das wirklich die Erfüllung? Unsere Redakteure sind da gespaltener Meinung.
Teil 2
Kennst du das Gefühl, wenn du eine Minute vor dem Seminaranfang aus dem Bett kriechst, deinen Laptop anschaltest und dich kurz auf Zoom einloggst, bevor du noch ins Badezimmer rennst? Das Rauschen des Wasserkochers verdeckt die Rede des Dozenten, und du kannst nur beten, dass er dich nicht direkt anspricht. Als er über die Pflichtlektüre nachfragt, sitzt du mit ausgeschalteter Kamera im Pyjama vor dem Bildschirm und versuchst so schnell wie möglich dein Frühstück herunter zu schlingen, falls du spontan drankommst. Aber dann beginnt er seine Präsentation, und du lehnst dich zurück. Vielleicht könntest du ja ganz kurz deine WhatsApp-Nachrichten checken… und Instagram. Oh, dort gibt es ja coole Blogartikel und Online-Tests über Reisen! Was könnte denn dein nächstes Reiseziel sein? Man könnte ja kurz nachschlagen, wie viel die Flüge kosten…
Auswirkungen der Online-Lehre
Und so ist die Konzentration wie vom Wind verweht. Viele Studierende haben während der Online-Lehre über Konzentrations- und Motivationsprobleme geklagt, hatten Schwierigkeiten mit der Internetverbindung, haben sich einsam sowie isoliert gefühlt und mussten unter höherem Arbeitsaufwand kämpfen. Während die Rede immer über die Öffnung der Schulen war, mussten die meisten Studierenden sogar drei Semester warten, bis sie endlich wieder in den Seminarraum durften (und immer noch nicht alle Studierende studieren in Präsenz). Auch der Bedarf nach psychotherapeutischer Unterstützung hat sich erhöht.
Doch lieber zu Hause bleiben?
Allerdings teilt die Online-Lehre und die Rückkehr zur Präsenzlehre die Ansichten der Studierenden. Einige wohnen weiter entfernt von Tübingen und müssen pendeln. Und man kann nicht bestreiten, dass es auch gemütlich ist, für das Online-Seminar später aufstehen und nebenher frühstücken oder andere Sachen erledigen zu können. Dazu haben viele Studierende keine Lust, zwischen den Seminaren zu einem anderen Gebäude auf der anderen Seite der Stadt zu rennen. Außerdem trauen sich sogar einige eher, sich zu melden oder eine Präsentation zu halten, weil man die Stille im Raum und die Reaktionen der anderen nicht spüren kann. Online-Kurse haben gewisse Vorteile, die auch ich genieße.
Ein Grund für Rausgehen
Vor dem Laptop fühle ich mich aber weit entfernt von den anderen Kursmitgliedern und von dem Thema selbst. Alles passiert nur auf dem kleinen Bildschirm, und ich habe das ganze World Wide Web vor mir als Ablenkung. Im Vorlesungssaal wird der Vortrag nicht ständig wegen der schlechten Internetverbindung abgebrochen, und meine Konzentration ist besser, da ich den ganzen Raum sowie die Anwesenheit meiner Kommiliton*innen und Dozent*innen spüren kann. Ich kann ihr ermutigendes Nicken sehen oder der Person neben mir etwas zuflüstern. Nachher kann ich gemütlich noch mit den anderen über das Seminarthema oder über die ärgerlichsten Professor*innen quatschen und noch zusammen essen gehen. Und ich habe einen Grund, jeden Tag aus meinem Bett aufzustehen und aus der Tür zu gehen, frische Luft zu atmen und mich wieder wie ein Teil der Welt zu fühlen.
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Foto: pixabay
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