Über Jahre hinweg waren mittelständische Unternehmen wie Adidas gezwungen – unter dem Druck millionenschwerer Dividendenausschüttungen – auf die Bildung ausreichender Rücklagen zu verzichten. Nun sind sie auf Staatskredite angewiesen. Zu Recht wächst da der Neid auf Studierende, die in einer Angebotsvielfalt zur finanziellen Unterstützung in der Corona-Krise geradezu versinken. Ein Kommentar.
Ein lautes Wehklagen seitens der Studierenden lässt sich in Tübingen aktuell nicht vernehmen. Ein Großteil ist in Anbetracht des abwesenden Anwesenheitsbedarfs ohnehin nicht in der Stadt. Dennoch ist die Situation der Studierenden verglichen mit Millionen Kurzarbeitern und Besitzern geschlossener Betriebe geradezu luxuriös. Die akademische Ausbildung des Familienstolzes läuft auf Hochtouren. Von Vorlesungen, über Referate bis hin zu Seminardiskussionen muss auf nichts verzichtet werden. Ungeachtet der organisatorischen Hürden wurde in Windeseile ein Konzept für die Durchführung auf die Beine gestellt, als ginge es um ein Fußballspiel zwischen Düsseldorf und Paderborn.
Abgesehen von Laboraufenthalten und Praktika wird den Wissbegierigen alles geboten, was das Uni-Herz begehrt und die Veränderungen sind für die Studierenden vergleichsweise überschaubar. Durch ausfallende Sportkurse und soziale Engagements bleibt sogar mehr Zeit für die Uni als zuvor. Was will man mehr?
Wobei sich eine Kleinigkeit vielleicht doch geändert hat: Die Zahl meiner Nebenjobs ist innerhalb eines Monats von zwei auf null gesunken. Von einer Veränderung im Uni-Leben kann man auch bei denen sprechen, die ihr Studium bereits wegen Finanzierungsschwierigkeiten abgebrochen haben. Eine Freundin, die nach dem Verlust des Nebenjobs ihre Wohnung kündigte, um wieder bei ihrer Mutter einzuziehen und im Falle von Präsenzveranstaltungen auf der Couch von Freunden zu schlafen, hat wohl auch einen Unterschied bemerkt.
Nicht erst nach, sondern bereits während des Studiums arbeitslos zu werden, dürfte auch die zähesten aller Sozialwissenschaftsstudierenden überrascht haben.
Doch wer möchte es wagen, gleich den Betroffenen zu spielen? Eine Vermischung der Studierenden mit wahrlich Betroffenen, wie den Millionen in Kurzarbeit, ist zum Glück ausgeschlossen. Auf Kurzarbeit haben die geringfügig Beschäftigten und Werkstudierenden wie auf Arbeitslosengeld II nämlich gar keinen Anspruch. Praktisch! Da nur verschwindend geringe zwei Drittel der etwa 2,9 Millionen Studierenden in Deutschland einem Nebenjob nachgehen, war mit daraus resultierenden Finanzierungsproblemen natürlich auch nicht zu rechnen. Schätzungsweise 750.000 Studierende befinden sich nun in Folge der Corona-Krise dennoch in einer finanziellen Notlage. Ihnen bietet sich nun eine Vielzahl verlockender Möglichkeiten zur Finanzierung, von denen viele Unternehmen nur träumen.
Das Überangebot an Optionen
Auf der Suche nach bewährten Strategien lohnt sich die Frage, wie es anderen gelingt, sich ihre Bildung zu finanzieren. Verständlicherweise fällt der Blick da auch auf die eigenen Helden. Harry Potter musste sich so zum Beispiel seine Lehre in Hogwarts selbst ermöglichen. Wie der Reddit-User „NeokratosRed“ vor einigen Jahren mithilfe der Bilder aus dem Verlies der Familie Potter errechnete, standen Harry durch seine Eltern dabei MINDESTENS 320.517€ (nur das Barvermögen) zur Verfügung. Dieser – vor kurzem auch in einer Wochenzeitung zu findende Tipp zur Finanzierung durch die Eltern – erscheint aktuell besonders logisch: Besonders Eltern in Kurzarbeit haben gerade sicherlich große Überschüsse durch Arbeitgeber, die das Kurzarbeitergeld wie so oft auf über 100% aufstocken.
Wer allerdings nicht wie Harry das Glück hatte, in eine Familie hineingeboren zu sein, welche durch die Entdeckung eines Zaubertranks zur Bändigung selbst widerspenstiger Zaubererfrisuren zu unsäglichem Reichtum gelangt ist, findet Hilfe bei Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. Dank ihr kann man nun in Krankenhaus und Pflege arbeiten, ohne, dass der dabei entstehende Verdienst vom BAföG abgezogen wird. Besonders praktisch auch gerade für jene, die einen Nebenjob hatten, da sie kein BAföG bekommen, während dieses auch bei den Empfängern noch einen Bedarf an Nebeneinkünften lässt.
Wem diese Optionen immer noch nicht genug sind, weil man sich für die Arbeit im Krankenhaus als Jurastudentin für so geeignet hält wie eine Hotelfachfrau für die Position als Bildungsministerin, bietet Frau Karliczek noch etwas: mehr Verschuldung.
Mit Krediten der KfW kann man so die eigenen finanziellen Engpässe in Form von Schulden in die Zukunft überführen. Um diesen, zumindest anfangs zinsfreien Kredit zu erhalten, muss man leider exakt die gleichen Bedingungen erfüllen wie vor der Corona-Krise. Das bedeutet auch, dass sie nicht für Studierende über dem 10. Fachsemester zugänglich sind. Ein Studienabbruch aufgrund aktueller Finanzengpässe wird so gerade für die Leute attraktiv, die dem Abschluss des Studiums am nächsten sind. Doch während sich Adidas mit einem 2,4 Milliardenkredit eben jener KfW herumschlagen muss, steht diesen Studierenden zum Glück die ganze Welt der Finanzhilfen offen.
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Wunderschöner Kommentar. Sehr gelungen.