Politik

Diskussion um Graffito an der Neuen Aula: AKJ wirft Dekanin Ignoranz vor

Nach einem Statement der Dekanin der Juristischen Fakultät zu dem kürzlich an die Neue Aula gesprühten Graffito kommt nun Kritik vom Arbeitskreis kritischer Jurist*innen (AKJ). Eine kritische Reflektion von Seiten der Fakultät sei ausgeblieben, schreibt dieser in seinem Statement.

Was ist der Hintergrund?

Vor etwa zwei Wochen sprühten Unbekannte den Namen eines Studenten der Juristischen Fakultät an die Fassade der Neuen Aula. Ergänzt wurde das Graffito mit dem Satz: „Hier studiert ein Nazi“. Auch Plakate mit dem Namen, Wohnort und einem Bild des angehenden Juristen kursierten auf dem Unigelände. Bei diesem handelt es sich um den stellvertretenden Landessprecher der Jungen Alternative Baden-Württemberg. Der Verfassungsschutz hat die Jugendorganisation der AfD 2023 als gesichert rechtsextrem eingestuft. Der Student ist außerdem Mitglied des Kreisvorstands der AfD Stuttgart. Zu der Tat hat sich inzwischen eine anonyme Gruppe auf dem Non-Profit-Netzwerk „Indymedia“ bekannt. 

Statement der Dekanin

Die Dekanin der Juristischen Fakultät, Prof. Osterloh-Konrad, reagierte mit einer Rundmail auf den Vorfall. Die Universität Tübingen, so Osterloh-Konrad, solle ein Ort der Freiheit von Forschung und Lehre, der Meinungsfreiheit und der offenen Debatte bleiben. Artikel 1 des Grundgesetzes verpflichte dazu, Einzelne davor zu schützen, auf Grund ihrer Gruppenzugehörigkeit in der Öffentlichkeit ausgegrenzt, an den Pranger gestellt oder verfolgt zu werden. „Die Grundrechte als Instrumente des Minderheitenschutzes entfalten gerade dann ihre volle Kraft, wenn die jeweilige Minderheit von der Mehrheit vehement abgelehnt wird“, schrieb die Dekanin.

Nur so könnten Einzelne vor der „Diktatur“ der Mehrheit geschützt werden. Sachlicher Streit sei gerade an Universitäten Tradition. Allerdings müsse das Gegenüber unabhängig von dessen Aussehen und politischen Ansichten immer als gleichwertiger Mensch respektiert werden. „Mit diesen Prinzipien ist die öffentliche Diffamierung eines Individuums an einer Hausfassade oder durch Flugblätter nicht vereinbar”, bewertete Osterloh-Konrad die Aktion.

Der AKJ kritisiert Mail der Dekanin

Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen hat sich nun in einem Statement auf seiner Website zu der Mail der Dekanin geäußert:

„Im Statement werden wohlklingende Reden von Freiheit und Würde geschwungen, die auf diesem Abstraktionsgrad nichts zum Sachverhalt beitragen können und wollen. […] So gelingt keine Differenzierung. So macht man sich der Ignoranz schuldig.“

Die Aktion, so der AKJ, habe auf eine wichtige Thematik aufmerksam gemacht: Es sei im Interesse aller, zu wissen, dass der Student als Mitglied der Jungen Alternative (JA) an der Universität Tübingen staatlich ausgebildet werde und zukünftig als Richter über die konkrete Auslegung des Rechts entscheiden könne. „Wie dies im Sinne des Unrechts geschehen kann, haben die Nazis und fast der gesamte Justizapparat ab 1933 methodisch sehr eindrucksvoll bewiesen”, so der Arbeitskreis. Hinzu komme, dass der angehende Jurist während des Studiums die Struktur des demokratischen Staates kennenlerne. Der AKJ befürchtet daher eine mögliche Aushöhlung des Rechtsstaates, ähnlich wie sie in Ländern wie Ungarn und Polen bereits initiiert wurde. Der betroffene Student müsse deshalb aufgrund seines Engagements in der als rechtsextrem eingestuften JA in seiner politischen Eigenschaft und nicht als „normaler Student“ wahrgenommen werden.

Wegducken vor relevanten Fragen

Die Reaktion der Dekanin sei „Ausdruck eines falsch verstandenen liberalen Ideals von Objektivität und Neutralität.” Das Recht selbst sei nicht neutral, das sehe man an der wehrhaften Demokratie in Deutschland. Zur wehrhaften Demokratie gehöre Standhaftigkeit und Haltung, fordert der AKJ.

Die Fakultät hätte den Vorfall zum Anlass nehmen sollen, die Inhalte des Jurastudiums kritisch zu reflektieren. „Gibt es eine Vorlesung zur Rechtstheorie, die darüber aufklärt und warnt, wie mit rechtlichen Mitteln und der entsprechenden Methode Unrecht in Recht verkleidet werden kann? Nein. Wie kann das sein?”, fragen die Studierenden in ihrem Statement. Außerdem, so der AKJ weiter, müsse es einen Diskurs über die Spannungslage von Freiheit und Demokratie geben und darüber, wo die Grenzen der Freiheit liegen. Stattdessen vermeide die Fakultät diese unangenehmen Fragen, kritisierten die Studierenden. Der AKJ verwies auch darauf, dass dies nicht der erste derartige Fall innerhalb der juristischen Professorenschaft gewesen sei.

Junge Alternative reagierte mit Plakat vor der Neuen Aula

Ein paar Tage nach der Sprüh-Aktion posierten sieben Mitglieder der Jungen Alternative Baden-Württemberg mit einem Plakat mit der Aufschrift „Viel Feind, viel Ehr“ und „Die Uni wird rechts“ vor der Neuen Aula in Tübingen. Ein Foto davon postete die JA Baden-Württemberg auf Instagram.

Beitragsbild: Sonia Leibold

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