Autokinos sind in Corona-Zeiten so beliebt wie nie – in vielen Städten werden sie sogar gerade erst eingerichtet. Dabei waren sie bis vor kurzem noch ein nostalgisches Relikt aus den amerikanischen 1950er Jahren. Unsere Redakteurin ist mit dem elterlichen Auto auf den Festplatz gefahren und hat einen Film im Tübinger Autokino geschaut. Über ein empfehlenswertes Erlebnis und die Frage nach dem besten Equipment für gemütliche 90 Minuten.
Was viele vielleicht mit amerikanischem Schwarzweißfilm assoziieren – ein Date im Autokino, Oldtimer gereiht an Oldtimer – erlebt seit Corona-Zeiten wieder Renaissance. Das Autokino ist zurück und sorgt im häufig tristen Corona-Alltag für neue kulturelle Abwechslung. Denn es bietet eine Möglichkeit, trotz Kontaktbeschränkungen eine Aktivität außerhalb der eigenen vier Wände zu unternehmen und als (Freundschafts-) Paar oder mit der Familie auszufahren.
Auch in Tübingen gibt es seit rund zwei Wochen ein temporäreres Autokino. Auf dem Festplatz in der Europastraße, organisiert vom Tübinger Sommernachtskino, in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Lichtspielen (Kino Blaue Brücke und Kino Museum) und Arsenal Kinobetriebe, wird jeden Abend um 21:30 Uhr ein Film gezeigt. Ob Kultfilm (Pulp Fiction), Oscar prämiert (Parasite) oder seichte Romcom (Nightlife) – das Programm ist vielfältig, Tickets gibt es für 13,20 Euro nur online.
Früh da sein lohnt sich
Für den besten Filmgenuss bietet es sich an, mit dem Auto direkt bei Einlass, etwa eine Stunde vor Filmbeginn auf den Festplatz zu fahren. Denn wer am meisten sehen möchte, sollte in einer der ersten Reihen stehen – gerade, weil das studentische Auto in puncto Höhe in der Regel nicht mit dem Family-Touran oder dem VW-Bus konkurrieren kann. Und natürlich ist es auch einfach angenehmer, nicht aus allzu weiter Ferne auf die Leinwand zu schauen. Zu beachten: Bei der Einfahrt möglichst nicht das Fenster runterkurbeln (und wenn, nur mit Maske), sondern das Smartphone mit dem Ticketcode einfach zum Abscannen an die Scheibe halten. Wer kniffeliges Ein- und Ausparken partout lieber meidet, sollte vielleicht seinen Nebensitzer ans Steuer lassen. Denn nicht nur nach Filmende kommt es zu kreativen Einfädlungsmanövern und gerne auch zu einem kleinen Stau sondern auch bei der Einfahrt auf den Festplatz wird man sehr präzise in eine Parklücke gelotst – und muss vielleicht noch einmal korrigieren.
Kissen und Decke nicht vergessen
Ist der perfekte Platz gefunden, heißt es: Radio an, die richtige Frequenz suchen, Schuhe ausziehen und den Sitz zurückkurbeln. Gemütlichkeit ist im Autokino alles, denn irgendwann wird es selbst im Mai abends noch kalt. Um den Standart-Autositz-Komfort zu upgraden empfiehlt sich auch die Mitnahme von Kissen und Decken, Proviant ist ebenfalls gefragt! Selbstgekochtes im Kino essen oder laut mit der Chipstüte rascheln, ohne dass es jemanden stört? Im Autokino geht das! Wer solidarischerweise jedoch Snacks nicht selbst mitbringt, sondern im Online-Vorverkauf bestellt, kann diese bei der Einfahrt kontaktlos abholen. Auch Toiletten befinden sich auf dem Grundstück.
Wenn sich der Flair einstellt
Wenn schließlich der Film anläuft, es dunkler wird und das weiß-pinke Licht der Leinwand ein Meer aus schimmernden Autodächern zaubert, ist der vielbeschworene Flair plötzlich da! Draußen herrscht dann bis auf den leisen Bass der Radios völlige Stille, während in den nah beieinanderstehenden Fahrzeugen gelacht und geschaudert wird (je nach Film). Familien Snacks werden durch das Auto gereicht und – wie man es aus amerikanischen Filmen der 50er Jahre kennt – kuscheln Pärchen in trauter Zweisamkeit. Ein Filmerlebnis der besonderen Art, das man einmal ausprobieren sollte. Vorausgesetzt, die Frontscheibe ist sauber und Vogeldreck und Scheibenwischer-Schlieren mildern nicht das Genussempfinden! Es bleibt abzuwarten, vielleicht erfährt das Autokino jetzt eine Renaissance, die auch in post-Corona-Zeiten bestehen bleibt?
Titelbild: Thomas Dinges