Für den, der schwarzen Humor liebt, diejenige, die den Film von Johannes Naber kennt und für alle, die einfach Lust auf ein wenig Theater haben: vom 28. Februar bis zum 1. März wird im Brechtbautheater ein gleichnamiges Stück zum Film ‘Zeit der Kannibalen’ von der Schauspielgruppe Scenario aufgeführt.
Bei der Premiere am gestrigen Abend lockte das sarkastische Stück eine ganze Zahl von Zuschauern an, die sich um 20 Uhr im Brechtbau sammelten.
Die Handlung (bzw. eher die scheußlichen Charakterzüge der Figuren)
Die beiden Unternehmensberater Öllers (Harald Papp) und Niederländer (Andreas Neusch) sind mit ihrer kalten, berechnenden und ablehnenden Art beispielhafte Charaktere des Kapitalismus, die sich um nichts und niemanden, und schon gar nicht um die Welt oder um Frauen scheren. Obwohl sie von ihrem Kollegen Hellinger seit Wochen nichts mehr hören, machen sie mit ihrem Programm einfach weiter wie geplant. Von Stadt zu Stadt jetten die beiden, um ihre Kunden, denen es auch nur um Geld geht, glücklich zu machen. Ob der Standort nach Pakistan oder Afrika verlegt wird, wo Gewalt und Chaos herrscht, ist dann auch egal. Zum Thema ‘Failed State’ haben die beiden nur eines zu sagen: ‘Die haben doch sogar Atombomben!’ Dass das ein Argument dafür ist, den Standort lieber nicht zu verlegen, leuchtet beiden nicht ein.
Partner (und zwar in allen Lesarten. Also privat, geschäftlich und im Sinne einer gescheiterten Bromance)
Privat läuft es eher mäßig. Während Niederländer gar keine persönlichen Bindungen zu haben scheint, muss sich Öllers mit Frau und Kind rumärgern. Allerdings nur am Telefon. Und wenn es ihm mal reicht, ist der Akku halt ‘leer’. Da ist es egal, ob der Elefant dem Regenwurm zum Geburtstag gratulieren will. Oder, dass der Sohn Neurodermitis im ‘Endstadium’ hat. (Zur Info: bei Neurodermitis handelt es sich um keine fatale Krankheit.)
Der verloren geglaubte Hellinger ist tatsächlich Partner in der Firma geworden und hat seine Kollegen ohne Kommentar fallen gelassen. Partner bleibt er allerdings auch nicht lange. Aus anfänglichem Neid wird mäßiger Schock über ein gewolltes Unglück, denn irgendwie interessiert es die beiden Geldhaie nur wenig, was mit ihren Mitmenschen passiert. Selbst unter langjährigen Partnern ist die Bromance wohl eher schwach ausgeprägt. Es wird lediglich erwähnt, dass Hellinger keine Depressionen hatte, er habe ja Medikamente genommen. Denn: ‘das tun wir doch alle’.
Hellingers Ersatz im Team ist Bianca März (Amelie Frank). Sie sieht sich als gescheiterte Ärztin und NGO-Aktivistin, die einen anderen Weg eingeschlagen hat, um der Welt SO zu helfen. Die 3 P‘s sind in ihrem Leben nun vorgeblich zentral: People, Profit, Planet. Auch wenn da irgendwo noch Moral ist, hat auch sie eine sehr sarkastische Ader und ‘es hat doch keiner Spaß am Kapitalismus, außer die Chinesen’. Für die Company spielt sie eine wichtige Rolle… Wer wird der nächste Partner?
Das Ende (des Stücks, oder für die Kannibalen?)
Als die Firma für die das Team arbeitet verkauft wird, sorgen die kommenden, schnell aufeinanderfolgenden Ereignisse bei den Kannibalen für ein ständiges Hin und Her der Gefühle. Da kann man schon mal einer Hotelangestellten (Hannah Schmieg) die … Freude bereiten. Für Geld. Wie es am Ende für die Kanibalen ausgeht, ob sie ihre Kreditkarten und die Hosen (an)behalten, und wie es in ihren Privatleben so aussieht, könnt ihr ganz einfach durch einen Besuch des Stücks erfahren. Ein kleiner Hinweis: dass die beiden Unternehmensberater auch etwas anderes mit ihrem Leben hätten tun können, fällt ihnen doch eher zu spät ein…
Fazit (auch wenn ich Sarkasmus echt eher schlecht verstehe)
Die sehr dramatische Handlung kritisiert mit schwarzem Sarkasmus und auf überspitzte Weise deutlich die Sucht nach dem Erfolg in der heutigen Gesellschaft. Das Stück wirkt nicht nur als Kapitalismuskritik, auch die Darstellung der Fremden- und Frauenfeindlichkeit ist so abwegig und abstoßend, dass man sich fragt, wie es eigentlich dazu kommen kann, dass in der heutigen Zeit diese Dinge noch möglich sein können, und sei es abseits von gesellschaftlichen und ökonomischen Mittelpunkten.
Es gelingt der Schauspielgruppe Scenario sehr gut, diese Ablehnung durch ihre Darstellung der Charaktere in den Zuschauern zu wecken. Ich persönlich mochte definitv keine der auf der Bühne dargestellten Figuren, die sich mit überzogenen Kommentaren immer weiter in die Katastrophe hineinreiten. Und diese Katastrophe lässt sich auch als verdientes Karma beschreiben. Das Bühnenbild, wenn auch sehr kreativ und durchaus nachhaltig, wurde meiner Meinung nach ein wenig oft umgeräumt und lenkte dadurch von der tatsächlichen Handlung ab, allerdings kann man sonst kaum Kritik äußern, denn die Schauspieler*innen bewiesen wieder mal eindeutig ihr Talent.
Nicht nur im Brechtbautheater ist das Stück noch bis zum 1. März zu sehen, sondern auch im Löwentheater (Kornhausstraße 5) vom 13. bis zum 15. März immer um 20 Uhr.
Fotos: Schauspielgruppe Scenario