Warnung: Der folgende Artikel enthält Spoiler für Joker 1 und 2.
Nach dem riesigen Erfolg des Joker-Films von Regisseur Todd Phillips erschien im Oktober 2024 eine Fortsetzung. Von den Fans und Kritiker*innen wird der Film teilweise als Enttäuschung des Jahres bezeichnet. Nicht zuletzt, weil der Film mehr singt als erzählt.
Spätestens seit Heath Ledgers Darbietung des Jokers in The Dark Night, hat diese Figur einen Kultstatus erreicht. Der Joker: Er ist ein psychopathischer, schizophrener Massenmörder, der keine moralischen und gesellschaftlichen Grenzen kennt. Die Figur lebt von ihrer Unberechenbarkeit und vom Ungewissen – wie etwa, dass man kaum Dinge darüber weiß, wieso der Joker zu dem wurde, was er ist.
Joker 1: Eine Erfolgsgeschichte
2019 erschien nun ein Joker-Film, um Licht in dieses Ursprungsmysterium zu bringen. Fans der Comics waren teilweise skeptisch, da viele der Meinung waren, dass der Joker keine Entstehungsgeschichte brauche – die Figur lebe ja eben von den vielen Ungereimtheiten. Doch sprechen die Zahlen für sich selbst. Gerade einmal 55 Millionen US-Dollar kostete der Film in der Produktion und spielte dafür weltweit an den Kinokassen etwa eine Milliarde US-Dollar ein. Und wie Regisseur und Co-Writer Todd Philips bereits 2019 sagte, war diese Geschichte mit dem ersten Teil bereits erzählt und würde kein Sequel benötigen.
Ein ungewolltes Sequel
Im Oktober 2024 erschien nun entgegen Todd Philips ursprünglicher Aussage ein zweiter Teil: Joker – Folie à deux. Folie à deux bedeutet so viel wie „wahnhafte Störung, die sich auf andere ausbreitet“. Und genau so hat sich der Kinobesuch angefühlt.
Joker 2 führt die Story des ersten Teils unmittelbar weiter. Wir finden Arthur Fleck (Joaquin Phoenix), den Joker, in der Arkham Psychiatrie wieder. Hier trifft er im Verlauf der ersten 20 Minuten auf Lee (Lady Gaga), eine Neuinterpretation der Harley Quinn. Zwischen diesen beiden entfaltet sich eine etwas andere Liebesbeziehung. Denn wie sich später zeigt, ist Lee nicht in Arthur Fleck verliebt, sondern in den Joker – beziehungsweise in die Idee des Jokers.
Im weiteren Verlauf entwickelt sich der Film hin zu einem Gerichtsdrama. Hierbei steht zur Debatte, ob Arthur Fleck tatsächlich psychisch krank sei oder für seine Taten zur Rechtschaffenheit gezogen werden könne. Dabei werden viele Rückbezüge auf den ersten Teil gezogen. Dadurch bekommt man teilweise das Gefühl, man schaue den ersten Teil an. Nur nochmal anders, und mit Verlaub, langweiliger erzählt.
Während dieses Gerichtsprozesses kommt Arthur, der zwischendurch seine Anwältin feuert und sich selbst verteidigt, zu dem Schluss, dass er die Joker-Rolle ablegen möchte und nur er selbst, Arthur Fleck, ist. Lee verliert darauf das Interesse an ihm und verlässt ihn. Am Ende wird Arthur von einem enttäuschten Joker-Fan und Mitinsasse im Gefängnis erstochen. Während dieser Schlusssequenz sieht man verschwommen, wie der Mörder – in Anlehnung an Heath Ledgers Joker – sich ein Grinsen ins Gesicht schneidet.
Ein Musical, viele schöne Bilder
Diese ohnehin dünne Handlung wird zusätzlich immer wieder durch eher mittelmäßige Gesangseinlagen der beiden Protagonist*innen unterbrochen. Denn Joker 2 ist ein Musical – beziehungsweise versucht eins zu sein. Während dieser Einlagen stoppt die Handlung minutenlang und man wird gänzlich aus der Immersion herausgerissen. Die Songs treiben die Story kein bisschen voran, sind nicht originell, sondern reine Adaptionen bereits bekannter Lieder. Gesangstechnisch glänzt hierbei nur Lady Gaga.
Ab der Hälfte des Films hangelt sich die Story nur noch von Gesangseinlage zu Gesangseinlage. Und mit jedem Mal, wenn ein Charakter anfängt zu singen, konnte man zunehmend die anschwellende Unruhe des Publikums spüren. Immer öfter sah man hier und da ein Smartphonedisplays aufleuchten oder einen angestrengten Blick auf die Armbanduhr. Höhepunkt war eine Szene gegen Ende, in der Arthur Fleck mit seiner Geliebten reden möchte. Diese fängt daraufhin an zu singen – nur um dann von Arthur gebeten zu werden, sie möge doch bitte damit aufhören. Der Kinosaal reagierte mit verzweifeltem Lachen und Applaus.
Der Fairness halber muss man aber die schönen Bilder und Kameraeinstellungen des Films loben. Gerade das Spiel mit Licht, Schatten und Rauch wusste Todd Phillips ausgezeichnet zu inszenieren. Und auch wenn es wenige Schauplätze gibt, sind diese sehr authentisch und passend inszeniert. Dennoch ist das eher ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Es gibt auch Fans
Entgegen der Mehrheit gibt es auch eine kleine, unbeugsame Gruppe an Fans, die dieses Machwerk mögen. Manche mochten an dem Film schlichtweg, dass er macht, was er will. Ganz wie es der Joker machen würde, so spielt der Film nach keinen Regeln – Jokes on us.
Andere interpretieren den Film als eine zynische Kritik an der Medienlandschaft und als einen Fingerzeig auf das Publikum selbst. Dieses sei ausschließlich auf die reine Zuspitzung, den Eklat und die Gewalt aus. Die Befürworter des Films sehen in der Unzufriedenheit der Fans die Bestätigung ihrer Theorie, denn wie bereits ausgeführt, fehlt es dem Film an eben dieser ausufernden Eskalation.
Der Joker, kein Gesellschaftskritiker
Dabei vergessen die Fans des zweiten Teils allerdings, dass es den Fans des Comic-Jokers nicht um gesellschaftskritische Inhalte geht. Fans der Figur finden diese angsteinflößende Figur aufgrund ihrer Gewalt und Brutalität spannend. Eben weil mit gesellschaftlichen und moralischen Verboten gespielt wird. Der Joker ist so spannend, weil er macht, was er will und nicht in Selbstzweifel vor Gericht zusammenbricht.
Und dementsprechend sind die Comic-Fans enttäuscht und wütend, wenn dieser Charakter und dessen Idee nicht nur durch den Dreck gezogen werden, sondern auch noch entmystifiziert werden. Die Fans sind wütend, weil sie ein Produkt bekommen haben, auf dem Joker draufsteht, aber es allen Anschein nach nie um den Joker, sondern nur um Arthur Fleck ging.
Ein Paradebeispiel des ungewollten Sequels
Joker 2 ist das Paradebeispiel für ein Sequel, das keiner braucht. Ein Sequel, das nur durch den Lockruf der zweiten Milliarden entstanden ist. Zu viele schlechte und mittelmäßige Sequels versuchen aktuell, die Menschen durch einen potenziellen Nostalgiefaktor ins Kino zu locken. Und das ist dieser Film. Man bekommt das Gefühl, dass Todd Phillips keine Lust auf diesen Film hatte. Weil er aber „seinen“ Joker keinem anderen Regisseur in die Hand geben wollte, lässt er sein junges Franchise brechend und brennend untergehen. Er selbst verdient daran immerhin 20 Millionen US-Dollar, die er sich vorher vertraglich gesichert hatte. Der Film selbst konnte nicht einmal die 300 Millionen Produktions- und Vermarktungskosten wieder einspielen.
Ein Wink mit dem Zaunpfahl
Vielleicht ist Joker Folie à deux ein wichtiger Wink für Hollywood, dass es aktuell neuer Ideen bedarf. Dass man, wie beispielsweise Cord Jefferson in seiner Oscar-Rede fordert, wieder mehr Filme mit niedrigerem Budget produziert. Zu hoch sind aktuell die Produktionskosten, als dass sich die Studios trauen würden, neue Ideen zu wagen, die das Publikum in ihren Bann ziehen. Aber wie sagt man so schön, es muss erst schlechter werden, bevor es besser wird.
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Beitragsbild: Die Tübinger Kinos