Von inklusiven Toiletten über den Missbrauchsfall am Universitätsklinikum und Kritik an der Bearbeitungsdauer von BAföG-Anträgen bis hin zur Frage der Zuständigkeit für Qualitätssicherungsmittel – in der Studentischen Vollversammlung in diesem Semester wurde eine Vielzahl von Themen behandelt und teilweise lange diskutiert.
Mit rund 30 Anwesenden im Hörsaal im Kupferbau und weiteren Studierenden, die online zugeschaltet sind, beginnt die Studentische Vollversammlung für dieses Semester am Mittwoch, den 17.07. um 18 Uhr. Das Abstimmungstool OpenSlides wird verwendet, damit auch diejenigen, die online dabei sind, abstimmen können. Nach einer kurzen Probeabstimmung wird darüber abgestimmt, ob zwei nicht fristgerecht eingereichte Anträge in der Sitzung dennoch behandelt werden sollen; das wird angenommen. Zuletzt werden noch Raphael und Evelyn als Sitzungsleitung bestätigt, dann geht es mit dem inhaltlichen Teil los.
Anlaufstelle für Betroffene sexualisierter Gewalt
Zunächst gibt es einige Berichte aus der Arbeit in der Studierendenschaft. Vertreterinnen des Arbeitskreises Anlaufstelle berichten darüber, dass von der Studierendenschaft eine Anlaufstelle für betroffene sexualisierter Gewalt eingerichtet wird. Da die Angebote der Uni bei diesem Thema meist schwer zu durchdringen seien, sehen sie die Notwendigkeit dafür. Bei der Beratung wird es sich um eine Verweisberatung handeln; das bedeutet, dass die Beratenden ein offenes Ohr haben, Betroffene an andere Stellen weiterleiten können und sie zum Beispiel auch zu Terminen begleiten können. Bald werde es eine offene Sprechstunde immer freitags von zehn bis zwölf Uhr im Clubhaus geben; man könne aber auch extra Termine ausmachen. Die Fortbildung, die die zurzeit vier beratenden Personen gemacht haben, wurde vom Studierendenrat finanziert. Der Arbeitskreis würde sich über neue Mitglieder ab nächstem Semester freuen.
Danach berichtet die Finanzreferentin Pauline über die Finanzen des Jahres 2023. In dem Jahr wurde deutlich mehr ausgegeben als eingenommen, weil man Rücklagen abgebaut hat. Dies sei allerdings für das Jahr 2024 nicht zu erwarten, da der Semesterbeitrag angehoben wurde und nun auch wieder ein wenig Rücklagen aufgebaut würden. Von den insgesamt 437.624 Euro, die 2023 ausgegeben wurden, entfielen 36 Prozent auf das Personal der Studierendenschaft und jeweils 22 Prozent auf die Arbeitskreise und die Fachschaften, berichtet Pauline. Für 2024 wird es einen Nachtragshaushalt geben, da verschiedene Arbeitskreise mehr Bedarf haben. Außerdem stehen Projekte wie die Wasserspender und die Übernahme der Clubhauscafeteria an.
Lichternebel-Festival findet im Oktober in der Shedhalle statt
Als nächstes berichtet Sebastian aus dem Arbeitskreis Lichternebel. Das Festival zu Beginn des Wintersemesters wird dieses Jahr zum dritten Mal organisiert. Sebastian zeigt ein kurzes Video von dem Festival im letzten Jahr, das im Sudhaus stattfand und ca. 1000 Besucher*innen anlockte. Das Lichternebel Festival wird dieses Jahr am 25. Oktober 2024 in der Shedhalle stattfinden, die der Arbeitskreis nach Verhandlungen mit der Stadt mietfrei bekommen hat. Da die Location nun steht, könne man richtig in die Planung einsteigen und suche auch noch nach Leuten, die in verschiedenen Bereichen mitorganisieren wollen.
Zwei Studierende berichten von der neu gegründeten „Mental Health Task Force“ der Studierendenschaft. Ihr Ziel ist es, eine bessere und gesündere Studienlandschaft für Studierende zu schaffen. Hierbei wollen sie ganz unterschiedliche Probleme angehen und beispielsweise überlegen, wie man das Studium umstrukturieren könnte und welche Art von Angeboten für mentale Gesundheit geschaffen werden können. Einige Dinge wurden auch schon organisiert; so beteiligt sich die Task Force an den Mental Health Days der Universität und organisiert hier eine Podiumsdiskussion und ein Café. Unabhängig davon bieten sie am 30.07. im Clubhaus ein Anti-Stress Café an. Das nächste Mal trifft sich die Task Force am 22.07. um 14 Uhr im Clubhaus und freut sich sehr über neue Menschen, denen das Thema am Herzen liegt.
Nach den Berichten macht die VS-Vorsitzende Pauline noch einmal Werbung für Arbeitskreise im Allgemeinen. Verschiedene AKs haben je nach Bedarf unterschiedlich viel Geld zur Verfügung und arbeiten dem Studierendenrat zu. Arbeitskreise seien sehr niedrigschwellig und alle Studierenden seien jederzeit willkommen. Auch wenn den meisten Arbeitskreisen bestimmte Referate zugeordnet sind, sei es nicht das Ziel, dass diese die Arbeit allein machten. Die Termine für die aktuellen AKs findet man jede Woche auf Instagram oder auch auf der Website der VS.
Forderung nach inklusivem Toilettensystem an der Universität
Nach den Berichten geht es weiter mit dem nächsten Tagesordnungspunkt: Den Anträgen. Der erste Antrag, der vom AK Gleichstellung in Zusammenarbeit mit der Fachschaft Politik gestellt wird, fordert die Studierendenschaft dazu auf, sich für ein inklusives Toilettensystem in allen Gebäuden der Universität auszusprechen. Hiermit sind einerseits barrierefreie Toiletten gemeint, andererseits wird gefordert, dass es auch Toiletten für Menschen geben muss, die sich nicht im binären Geschlechtersystem wiederfinden. Im Antrag wird dies auch damit begründet, dass nicht-binäre Menschen und trans* Personen auf binären Toiletten oft Diskriminierung in Form von verbaler Belästigung und Gewalt ausgesetzt sind. Es gibt keine Redebeiträge zu dem Antrag und er wird mit großer Mehrheit angenommen.
Im nächsten Antrag geht es um den Fall von sexuellem Missbrauch am Uniklinikum für Psychiatrie und Psychotherapie in Tübingen, der vor einigen Monaten bekannt geworden war. Die antragstellende Person, die Zeug*in in dem Gerichtsverfahren ist und Psychologie im Master studiert, berichtet von einem extrem schlechten Umgang am Uniklinikum mit dem Fall. Ihrer Meinung nach könne man davon ausgehen, dass der Fall Ärzten in der Führungsebene bereits bekannt gewesen sei und diese nichts dagegen unternommen hätten. Außerdem wurde nach Bekanntwerden des Falles und auch noch nach dem Gerichtsurteil eine Versammlung der Belegschaft des Uniklinikums, um sich über den Fall auszutauschen, lange Zeit verhindert. Aufgrund ihrer Rolle als Zeug*in, leide die Person außerdem unter massiven Einschüchterungsversuchen wie zum Beispiel Stalking durch Unbekannte.
Es braucht eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung
Deshalb fordert die Person in ihrem Antrag die Studierendenschaft dazu auf, sich für eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des Falles – diese Aufarbeitung wird derzeit vom Universitätsklinikum selbst übernommen – sowie ein Wechsel der Ärztlichen Direktion auszusprechen. Auch soll die Studierendenschaft Studierende aus Medizin und Psychologie benennen, die sich am Gespräch mit dem Wissenschaftsministerium zu dieser Thematik beteiligen. Als Sitzungsleitung dankt Raphael der Person für ihren Mut und ihren Einsatz und der Antrag wird mit großer Mehrheit angenommen.
Der nächste Antrag von Maria aus der GHG fordert die Studierendenschaft dazu auf, die lange Bearbeitungsdauer von BAföG-Anträgen sowie auch die Nichtumsetzung der Elternunabhängigkeit, die Pflicht zur Einhaltung der Regelstudienzeit und den hohen Bürokratischen Aufwand beim BAFöG anzuprangern. Maria kritisiert auch, dass Studierende oft nicht über ihre Rechte als Antragstellende informiert werden. Beispielsweise könne man, wenn die Bearbeitung länger als sechs Wochen dauere, einen Vorschuss der Auszahlung fordern. Die Politik müsse endlich studifreundliche Politik machen und mehr Menschen in BAföG Ämtern einstellen. Nach einer kurzen Nachfrage wird der Antrag mit zwei Enthaltungen angenommen.
Diskussion um Verteilung der Zuständigkeiten für QSM
Qualitätssicherungsmittel (QSM) – das sind ca. 1,7 Millionen Euro, die zur Sicherung der Qualität von Studium und Lehre da sind, zum Beispiel für die Schaffung zusätzlicher Tutorien. Die Studierendenschaft verwaltet diese Mittel; genauer gesagt die beiden Referenten für Studium und Lehre sowie der Arbeitskreis QSM. In seinem Antrag fordert Linus, einer der beiden Referenten für Studium und Lehre, dass sich diese Struktur ändert. Um eine Entlastung für das Referat für Studium und Lehre zu erreichen, deren weitere Aufgaben von Akkreditierung über Vernetzung mit zuständigen Stellen der Universität bis hin zur Beratung von Studierenden reicht, fordert er, dass die Aufgabe der Verwaltung der Qualitätssicherungsmittel künftig aus dem Referat für Studium und Lehre ausgegliedert wird. Dies sei auch nötig, weil sehr wenige Studierende in den AK QSM kommen und somit die meiste Arbeit an den Referenten hängen bleibt. Dies sei auch nicht sehr demokratisch, wenn zwei Personen über 1,7 Millionen Euro abstimmten. Eine neue Struktur könnte ein neues Referat gesondert für QSM oder die Schaffung einer Kommission, an der sich die Fachschaften beteiligen, beinhalten.
In den Redebeiträgen zu dem Antrag wird zwar Verständnis für das Problem der hohen Arbeitsbelastung für die Referenten für Studium und Lehre geäußert, aber auch die Kurzfristigkeit des Antrages kritisiert. Einige fordern, dass man erst eine Alternativstruktur schaffen müsse, bevor man die Aufgabe aus dem Referat ausgliedere. Auch müsse man ein neues Referat heute in der StudVV beschließen, da dies das einzige Gremium sei, das dazu berechtigt ist. Dazu sind viele nicht bereit, ohne davor noch einmal die Möglichkeit zu haben, sich Gedanken zu machen. Der Antragsteller Linus gibt die Dringlichkeit des Problems zu bedenken, da er die Gefahr sehe, dass man mit der bestehenden Arbeitsbelastung im Oktober schlichtweg keine neuen Referenten für Studium und Lehre finde. Auch wenn man heute noch keine konkreten Schritte beschließe, müsse man sich noch vor den Referatswahlen im Oktober dazu Gedanken machen.
Drei Änderungsanträge werden gestellt
In einer kurzen Pause stellen Linus selbst sowie zwei weitere Personen je einen Änderungsantrag. Der weitgehendste Änderungsantrag, der deshalb als erstes zur Diskussion steht, ist vom VS-Vorsitzenden Elia. Wird diese Änderung angenommen, muss über die beiden weniger weitreichenden Änderungsanträge nicht mehr abgestimmt werden. Die Änderungsantrag von Elia beinhaltet die Forderung nach einer baldigen Diskussion über die Entlastung der Referenten für Studium und Lehre im Studierendenrat und bevorzugt als mögliche Lösung die Schaffung eines dritten Referates für Studium und Lehre. Aufgrund dieser Bevorzugung eines dritten Referates möchte der Antragsteller Linus den Antrag nicht als seinen eigenen übernehmen. Deshalb wird über den Änderungsantrag abgestimmt und er wird mit 19 Ja-Stimmen, 10 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen angenommen. Der so geänderte Antrag wird in einer weiteren Abstimmung ebenfalls angenommen.
Die Studentische Vollversammlung endet somit um 20:22 Uhr mit dem Appell von Raphael, sich in der Hochschulpolitik zu engagieren, sei es in Arbeitskreisen oder in den einzelnen Fachschaften.
Beitragsbild: Janne Geyer