Kultur

2. Kunstschau: Eine etwas andere Lesung

Wer auf der zweiten von der Kupferblau präsentierten Kunstschau nur nach Gemälden, Fotografie und digitaler Kunst gesucht hat, wurde am gestrigen Samstag vom Programm überrascht: die Autor*innen Holly Geiß und Ronja Hornik präsentierten ihre im Jahr 2022 veröffentlichten Werke in einer gemeinsamen Lesung.  

In der Shedhalle Tübingen wird umgeben von Kunstwerken und vor der gefliesten Wand des alten Schlachthofs auf einer bestuhlten Bühne gelacht. Holly Geiß sitzt links, Ronja Hornik rechts. Sie plauschen munter bevor die Veranstaltung beginnt. Es ist kurz nach zwölf als das Publikum von Alexander Schwab, dem Moderator, den man vom Tübinger Literarischen WG-Casting kennt, zur Ruhe gebeten wird.

Ein Licht in sich abwechselnden Farben unterstreicht das Gelächter und die humorvolle Selbstvorstellung der Autor*innen.  Beide sind 26 Jahre alt und studieren an der Universität Tübingen. Hier wurde eine unangespannte, fast freundschaftliche Nähe zum Publikum direkt spürbar. Man merkt gleich: es ist keineswegs ein steriler Ort, an dem mit steinernen Mienen und monotonen Stimmen in ein altes Mikrofon gesprochen wird, obwohl die weißen Fliesen im Hintergrund etwas anderes suggerieren.

Die Autor*innen lesen abwechselnd je eine Kurzgeschichte aus ihren Sammelbänden vor, bis das Publikum insgesamt vier Geschichten lauschen durfte. Dann werden auch schon die ersten Fragen an sie gerichtet.

Holly Geiß: Vorlesungs-Gedanken-Welten

Die junge Autor*in Holly Geiß sitzt grinsend auf der Bühne. Sie wird gefragt, was sie dazu bewegt hat, mit dem Schreiben anzufangen: “Ich weiß nicht so ganz genau, wann es angefangen hat, aber ich habe immer mal wieder als ich noch recht klein war gedacht, dass ich mal einen Roman schreibe, aber so nach den ersten zehn Seiten war das meist vorbei. Erst mit dem Studium und den Kursen vom SLT ist das dann wieder richtig aufgekommen.”

Holly Geiß präsentiert ihren Sammelband. © Patrick Muczczek

Sie erzählt im Interview, dass ihr Buch meist während langweiligen Uni-Veranstaltungen entstand und lässt sich mit dem Abschweifen in einen Tagtraum vergleichen: Hollys Kurzgeschichten fangen meist mit dem banalen Status Quo der Realität an, der schlussendlich auf unvorhergesehene Weise gebrochen wird. Manchmal subtil, manchmal direkt in einer anderen Welt zu verorten, sind die Kurzgeschichten kleine Reisen an siebzehn unterschiedliche Orte. Wer leicht absurde Abgleisungen von der Realität auf sich zukommen lassen möchte, sollte sich den Band nicht entgehen lassen. Hinzu kommen einige von Hollys Fotografien, die sowohl das Cover aber auch das Buchinnere schmücken.

Ronja Hornik: Gefühle, Tiere & Alltag

Auch aus Ronjas Gesicht ist ein Lächeln nicht wegzudenken, während sie mit Alexander Schwab spricht. Auf die Frage, wie sie mit dem Schreiben angefangen hat, erwidert sie: “Damals als ich mit Sechs in die Schule gekommen bin.” Das Publikum lacht mit Ronja. “Schreiben und Wörter zu lesen haben mir schon immer sehr viel Spaß gemacht und ich schreibe auch schon immer sehr viel Tagebuch. Aber es ist nicht genug in meinem Leben passiert, da habe ich eben noch etwas erfunden.” Auch ich lache mit Ronja und den Leuten, die um mich herum sitzen.

Ronja Hornik und ihr Sammelband. © Patrick Muczczek

Eine große Inspiration für ihre Bücher sind ihre Träume, erzählt sie dem Moderator. Ronjas Kurzgeschichten sind traumhaft, im wahrsten Sinne des Adjektivs. Menschen befinden sich auf Hochzeiten, deren Settings plötzlich zu Wänden werden, Mondlicht fließt aus dem zugehörigen Himmelskörper. Auch ein gewisses Maß an Ekel ist aus ihren zwölf Kurzgeschichten nicht wegzudenken. Wer unangenehme Situationen scheut, dem wird empfohlen sich von Ronjas Kurzgeschichten desensibilisieren zu lassen.

Zweite Hälfte und Ausklang

Nach einer zweiten Runde abwechselnden Lesens und einer erneuten Fragerunde durch den Moderator sind Publikumsfragen auf die Autor*innen getroffen. Ob sie denn auch Lyrik schreiben würden? Ronja lehnt die Frage gekonnt ab, das sei nicht ihr Lieblingsgebiet, wobei zwei von Hollys Gedichten in den zwei letzten Ausgaben der Kupferblau abgedruckt wurden. Wann das nächste Projekt fertiggestellt wird wurde zwar zögerlich, aber mit Zuversicht von beiden angegeben – am 18.10. soll es bei beiden auf ihren Social Media Kanälen neues Promomaterial geben: @f.holly.g und @ronja_hornik

Im Mini-Interview haben beide Autor*innen der Kupferblau noch Einiges anvertraut:

Kupferblau: Was ist deine Inspiration für die gelesenen Geschichten?

Holly: “Das Absurde – Alltagssituationen, die ins Absurde abdriften oder ein bisschen weird sind. Zum anderen habe ich den kleinen perk [Bonus] reingebracht, dass ich meine Geschichten nummeriert habe und diese Nummer dann immer in der Geschichte vorkommt!”

Ronja: “Zum einen meine Träume und zum andern verarbeite ich Emotionen und mein Leben in den Geschichten. Da sind auch noch der Ekel und der Gedanke, dass man am liebsten aus der Gesellschaft aussteigen möchte, da ich gerade in dieser Übergangsphase zwischen Studium und Arbeitsleben bin.”

Kupferblau: Warum hast du genau diese Kurzgeschichten aus dem Gesamtwerk gelesen?

Holly: “Ich habe versucht die Absurderen zu nehmen, weil ich die beispielhafter fand und habe noch meine Mit-Autor*innen befragt.”

Ronja: “Tatsächlich, weil das die waren, die weniger emotional und deprimierend waren, und ich dachte das ist bessere Promotion.”

Kupferblau: Welche Autor*innen sind besonders wichtig für dich?

Holly: “Lois Lowry (The Giver – Quartett). Hier werden Welten geschaffen, die unserer ähnlich wirken, dann aber doch anders und absurd werden.”

Ronja: “Otessa Moshfegh – richtig tolle Frau, die einfach tolle, eklige Bücher schreibt.”

Freundschaftlich. Humorvoll. Unkonventionell. Wer nächstes Mal ‘Holly Geiß’ oder ‘Ronja Hornik’ über dem Schriftzug LESUNG sieht, sollte in Erwägung ziehen, das ausgeschriebene Datum im persönlichen Kalender zu notieren.

Beitragsbild: © Patrick Muczczek

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