Für einen Tag ging es für unsere Redakteurin vom Neckar an die Spree. Dort gibt es nämlich auch Stocherkähne. Im Artikel berichtet sie von ihren Erfahrungen bei der Stocherkahnfahrt im Spreewald.
Schon seit Beginn meines Studiums habe ich mir vorgenommen mal mit einem der Stocherkähne zu fahren, um so einen kleinen Hauch von der Hafenstadt Venedig zu verspüren. Wie oft stand ich an der Neckarbrücke und beobachtete die Kähne wie sie die Wasserstraßen auf und ab fuhren. Mal Tourist*innen in großen Gruppen, mal Studierende seelenruhig allein vor sich hin schippernd. Doch wie war es in dem Kahn selbst – genauso romantisch, wie es scheint? Ich musste es unbedingt selbst ausprobieren…und genau das habe ich nun endlich gemacht – in Brandenburg.
“Wir sagen immer: Wer hier ertrinkt, der ist zu faul zum Aufstehen.”
Ein Stocherkahnfahrer in Lübbenau
Brandenburg– nicht so der „place to be“ könnte man denken. „Da gibt es doch sowieso nichts…“, heißt es oft. Dennoch bin ich hier gestrandet. Nicht am Baggersee, sondern am Hafen von Lübbenau oder wie die Stadt im Niedersorbischen heißt: Lubnjow/Błota. Berlin liegt keine hundert Kilometer von dort entfernt. Der Lärm der Hauptstadt ist hier nicht mehr zu hören.
Dit is nit Berlin, dit is Brandenbursch!
Am Hafen reihen sich die Stocherkähne. Rustikale Sitzbänke mit Decken zum Einmummeln warten auf die Passagiere. Zwischen den Bänken sind kleine, rundliche Tische befestigt. Darauf liegen weiße Spitzendeckchen mit einem Blumengesteck und ein Körbchen mit Schnäpsen aller Art. Bevor die Fahrt losgeht, erhält jeder die Möglichkeit, sich ein Getränk zu bestellen. Ich entscheide mich für ein Wasser, mein Gegenüber freut sich über ein gekühltes Bier. Nachdem alle Bänke besetzt sind, geht es los – ein kleiner Traum geht in Erfüllung.
Von dem kleinen Anlegeplatz mit Verkaufsständen sind wir in nur wenigen Minuten inmitten der Natur. Links und rechts von uns nur Wald, das Licht der Sonne streift die Baumkronen und das Grün der Büsche spiegelt sich im Wasser. Der Stocherkahnfahrer erzählt nebenher etwas über die Besonderheiten und Eigenheiten des Spreewalds. Mein ganz persönliches Highlight dabei: „Wir sagen immer wer hier ertrinkt, der ist zu faul zum Aufstehen“. Bei näherem Hinsehen scheinen sogar ein paar Steine des Bodens hindurch. Schon nach kurzer Zeit kehrt eine Ruhe auf dem Kahn ein, die mich einen Funken von innerem Frieden spüren lässt. So komisch es sich anhören mag, aber ich bin ganz bei mir, auch ohne Yogamatte und innerem Chi. Am Wegesrand zum Greifen Nahe fahren wir an kleinen Häuschen vorbei. Sie sind aus Holz und teilweise mit Reetdächern versehen. Der Kahnfahrer erklärt: „Manche Grundstücke sind nur mit dem Kahn zu erreichen, weil keine Straßen dort hinführen“. Am Ufer erstrecken sich mitunter kleine Biergärten und Restaurants, die zum Verweilen einladen. Neben uns hält ein Postkahn und weiter vorne steht ein Kahn, um den Müll zu transportieren.
Anders als in Tübingen ist der Kahn im Spreewald nicht nur ein Ausgleich, sondern auch ein wichtiges Transportmittel . Für mich als Besucherin hat der Ort etwas Magisches. Ich würde jederzeit wieder mit einem Stocherkahn fahren…vielleicht auch schon bald in Tübingen.
Fotos: Sarah Polzer