Blau Sein muss gelernt sein. Sich nach Lust und Laune unterschiedlichste alkoholische Getränke zu verschiedensten Zeiten reinorgeln? – Bitte nicht. Es gibt eine Reihe an gesellschaftlichen Normen, die uns vorschreiben, wann und wo wir Alkohol trinken dürfen. Warum schenken wir diesen eine solche Macht über unser Trinkverhalten und lassen uns unterbewusst dazu verleiten, ob und was wir konsumieren?
Alkohol tagsüber zu trinken gehört zu den gängigsten Verstößen gegen den Blau-Sein-Knigge, jedoch mit zwei großen Ausnahmen: Sobald dem Regelbruch der Name „Day-Drinking“ aufgeladen wird, ist es selbstverständlich in Ordnung. Obwohl dabei meist deutlich mehr getrunken wird, als bei einem Bier zum Mittagessen, ist ersteres deutlich akzeptierter und wird kaum hinterfragt. Die zweite Ausnahme ist, wenn man zum Frühstücksbier Weißwurst und Brezeln auftischt, aber nur wenn das Ganze auf einer blau-weiß karierten Tischdecke stattfindet!
Normative Unterschiede werden nicht nur in der Tageszeit, sondern auch in der Getränkewahl gemacht. Die entspannten zwei bis drei Bier bei der Fachschaftssitzung im Botanischen Garten sind mehr Regel als Ausnahme. Würde jedoch eine*r von uns eine Flasche Wein auspacken, wäre das sicher Auslöser für den ein oder anderen Kommentar. Warum machen wir dabei so einen Unterschied? Ob ich drei Bier oder eine Flasche billigen Wein trinke, ist meinem resultierenden Pegel herzlich egal. Vielleicht sind es die heftigeren Kopfschmerzen am Morgen, die den Unterschied machen…
Eine letzte ungeschriebene Norm, die weder vor zu häufigem Konsum warnt, noch sonst eine sinnvolle Begründung hat, ist die der geschlechterspezifischen Getränke. Warum das keinen Sinn ergibt, schon alleine weil die Geschlechter-Dichotomie es nicht tut, wäre viele Artikel für sich wert. In meinen eigenen Kreisen muss ich mich für meinen Lieblingsalkohol Bier nicht rechtfertigen. Auf dem Dorffest in der Heimat wird mir jedoch sogar die Fähigkeit des Bieröffnens abgesprochen und nicht selten wird mir von dem ein oder anderen Mann gepredigt, wie unattraktiv biertrinkende Frauen seien. Was tatsächlich unattraktiv ist, sind Sprüche dieser Art.
Eine Norm, die mittlerweile zumindest in manchen Freundeskreisen abnimmt, ist, die Nicht-Trinkenden genau dafür zu verurteilen. Niemand sollte sich dafür rechtfertigen müssen, auf eine Droge zu verzichten. Wir sind uns allen den Risiken bewusst, die häufiger Alkoholkonsum mit sich bringt, auch wenn manchen Personen eine sehr liberale Auffassung von häufig haben. Daher ist es ziemlich verklärt, wenn jemand dafür verurteilt wird, besser auf sich aufzupassen, als man selbst.
Wenn man sich jedoch dafür entscheidet, Alkohol zu trinken, sollte die einzig wichtige und tolerierbare Norm sein: Trink was du willst, wo du willst, wann du willst, aber nie zu viel und nicht zu oft.
Normen können nützlich sein, wenn es darum geht, nicht zu häufig über die Stränge zu schlagen. Doch gibt es auch Regeln, die keine Daseinsberechtigung verdienen und abgeschafft gehören, weil sie ausschließlich stören. Das elementarste Beispiel dafür ist: Warum darf ich keinen Glühwein im Sommer trinken?
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