So unterschiedliche Ausrichtungen die Parteien der neuen Ampelkoalition haben, in einem waren sie sich schnell einig: Cannabis soll legalisiert werden. Doch wird die Legalisierung trotz der Opposition der CDU auch wirklich kommen? Wenn ja, wie lang dauert es noch, bis man vor der eigenen Haustür ganz legal einen Joint rauchen kann? Und wie genau funktioniert dieser Gesetzänderungsprozess?
Wenn man abends durch Tübingen läuft, riecht es. Manchmal nach Glühwein, manchmal nach Falafel, manchmal nach Urin. An manchen Orten riecht es nach Grünem: nach Bäumen, Blumen, gefallenem Laub – und nach Gras.
Am Dienstagmorgen (07.12.) haben SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag unterzeichnet. Darin heißt es: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein“. Dementsprechend soll umgesetzt werden, dass Cannabis für Personen über 18 bei lizensierten Händler*innen, die gewisse Qualitätsstandards erfüllen werden müssen, legal erhältlich ist. Im Koalitionsvertrag heißt es weiter: „Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“. Das entsprechende Gesetz soll nach vier Jahren evaluiert und gegebenenfalls überarbeitet werden.
Noch existiert es allerdings gar nicht – das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel wird erst den oftmals langwierigen Prozess der Gesetzgebung durchmachen müssen, schließlich ist ein Koalitionsvertrag zunächst nichts weiter als eine Vereinbarung der Fraktionen einer Koalition, die die Ziele der gemeinsamen, künftigen Regierungsarbeit schriftlich festhält. Rechtskräftig ist er also nicht, und im eigentlichen Sinne auch gar kein Vertrag.
Wie ändert man Gesetze?
Nach und nach werden die Ziele der Ampel-Koalition in den Ministerien ausgearbeitet, die Gesetzesvorlagen werden dann dem Bundesrat zur Stellungnahme vorgelegt. Die Bundesregierung kann die einzelne Gesetzesvorlage überarbeiten oder zur Abstimmung in den Bundestag einbringen, wo die erste, zweite und dritte Lesung stattfinden. Wird die Vorlage vom Bundestag abgelehnt, gilt das Gesetz als gescheitert, wird ihr zugestimmt, ist das Gesetz beschlossen.
Da das Betäubungsmittelgesetz, das Kauf und Besitz von Cannabis(-produkten) zu Genusszwecken aktuell verbietet, ein sogenanntes Einspruchsgesetz ist, würde bei einer Änderung für den Gesetzesbeschluss eine einfache Mehrheit ausreichen. Liegt diese vor, entscheidet der Bundesrat, ob er das Gesetz billigt, oder den Vermittlungsausschuss anruft. Es kann dann zum Ausarbeiten eines Änderungsvorschlages und damit zu einem erneuten Gesetzesbeschluss kommen, zu dem der Bundesrat erneut Einspruch erheben kann. Diesen kann der Bundestag allerdings zurückweisen. Das Gesetz wird dann gegengezeichnet und durch den*die Bundespräsident*in ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet.
Wie lang dauert es noch?
SPD, Grüne und FDP haben im 20. Deutschen Bundestag gemeinsam 416 von 763 Sitzen. Dazu kommt, dass in der vergangenen 19. Legislaturperiode abgesehen von Grünen (Cannabiskontrollgesetz) und FDP (Cannabis-Modellprojekte) auch die Linke einen Antrag „Für einen progressiven Umgang mit Cannabiskonsum“ gestellt hat. Mit der Einigung auf das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel, Cannabiskonsum zu Genusszwecken unter den oben genannten Bedingungen zu legalisieren, stehen die Chancen also nicht schlecht.
Allerdings muss es erst Gesetz werden, was noch dauern kann. Gesetzgebungsprozesse dauern in Deutschland immerhin im Schnitt ca. 175 Tage. Wegen der Dringlichkeit von Pandemie und Klimakrise wird der legalisierte Cannabiskonsum auch sicher nicht Priorität der neuen Bundesregierung sein. Klar ist allerdings: Wo es jetzt schon nach Grünem riecht, riecht es nach Hoffnung.
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Grafik: Kristina Remmert