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“Spread the love!” – Über die lebenswerte Form der Polyamorie

“Vielliebe” bedeutet die Polyamorie in ihrer Übersetzung. Sie beinhaltet die Möglichkeit, mehrere Menschen lieben zu können- und zu dürfen. Sie gilt noch immer, auch bei uns, als Tabuthema. Ich will wissen wieso. Ein Kommentar.

Eine Frau, ein Mann, dann meist eine Hochzeit und Kinder. Was Jahrhunderte lang als normal und als einzig gesellschaftlich geduldetes Konzept einer Familie galt, schuf mit dem langsam bröckelnden Bild einer normalen und perfekten Familie Platz für Patchwork- und Regenbogenfamilien, sowie für viele weitere Modelle einer Familie. Beziehungen vieler Art werden nun akzeptiert und angenommen. Eine Form, die der Polyamorie, stößt jedoch bis heute in den meisten Fällen, vor allem in den Generationen über uns, höchstens auf Toleranz, nicht aber auf Verständnis. Viele “Polys” stehen unter dem Druck, ihre Art und Weise zu Lieben, erklären, fast rechtfertigen zu müssen, wenn sie zur Sprache kommt. Doch was muss noch passieren, dass Menschen, die sich dafür entscheiden, mehrere Menschen zu lieben, eben diese langwierigen Erklärungen nicht mehr über sich ergehen lassen müssen? Oder sind wir bereits auf einem guten Weg dahin?

Alle Kinder sind gemeinsame Kinder

Ich kenne zwei Familien, die ihr Leben auf diese Weise gestalten und polyamourös leben. Eine besteht aus einem Mann und einer Frau, wobei diese noch eine Freundin hat. Sie wiederum hat auch noch einen Freund. Die vier leben alle zusammen in einem gemieteten Haus, seit knapp vier Jahren. Mittlerweile haben sie zwei kleine Kinder auf die Welt gebracht, ein weiteres ist auf dem Weg. Natürlich hat jedes dieser Kinder eine leibliche Mutter und einen leiblichen Vater, jedoch legen sie viel Wert darauf, dass alle in einem zusammenwirkenden Konstrukt aufwachsen und jeder mit seinen Stärken und Fähigkeiten auf die Kinder einwirken und sie positiv prägen kann.

Auch wenn das Rechtliche und Offizielle noch immer eine Hürde ist, die alles ein bisschen erschwert, werden die Kinder als die Kinder aller gesehen, wahrgenommen und behandelt.

Ich frage, wie sie mit den Erziehungsfragen umgehen. Sie erklären mir, dass sie das Glück haben, in so gut wie allen Dingen dieselbe Grundeinstellung haben. “Demnach fällt es leicht, Verantwortung abzugeben oder eher, zu teilen”. Kein großer Unterschied zu “normalen” Elternpaaren, denke ich mir. Viel eher erscheint mir das Elterndasein einfacher, wenn mehr Hände, Köpfe und Herzen bei der Erziehung Anteil haben. Ihren Kindern versuchen sie es von Anfang an als normal zu erklären, in welchen Familienverhältnissen sie aufwachsen. Denn für sie ist es das schließlich.

Drei Menschen, eine Liebe.

Transparenz und Mitfreude

Das andere befreundete Trio, Paul, Marlene und Caro (Namen von der Redaktion geändert), steht noch in den Startlöchern der Polyamorie. Sie sind damit noch nicht so vertraut und nun dabei, herauszufinden, was für sie alles funktioniert und wer welche Bedürfnisse hat. Es klingt nach viel Arbeit. Doch die Grundlagen, die sie erklären und die man erlebt, sind einleuchtend: Es geht um Transparenz, um den Konsens aller Parteien der Beziehung und die Akzeptanz, dass Liebe wandelbar ist.

“Kommunikation und vor allem Mitfreude für die geliebte Person oder Personen sind unabdingbar”, so Caro. Sie und Marlene sind schon eine lange Zeit befreundet, als Marlene und Paul zusammenkommen. Erst vor ein paar Jahren haben sich die beiden Frauen dann ineinander verliebt.

“Dadurch hat sich aber nichts an meiner Liebe und Zuneigung für Paul verändert”, sagt sie. Caro und Paul führen zwar keine romantische, jedoch eine auf andere Weise innige, zwischenmenschliche Beziehung. Die drei würden ihre Beziehung als offen bezeichnen, aber nicht in dem Sinne, dass man von Bett zu Bett hüpfen kann, sondern “offen für Emotionen”, erklären sie.

Wenn ich mir das so ansehe und mir die Geschichten anhöre, klingt das nicht nur logisch, sondern auch wirklich schön.

Vielleicht ist die Vorstellung, jegliches Bedürfnis, egal welcher Art, sei es romantisch, sexuell oder auch freundschaftlich, nur von einer Person in einer monogamen Beziehung zu bekommen, nicht nur veraltet, sondern einfach für einige Menschen schlicht nicht erfüllend genug.

Polyamorie hat keine Regeln, wie sie in der Monogamie oftmals vorzufinden sind. Es gibt keinen Leitfaden, man braucht nur Vertrauen in sich und sein Umfeld und eine gewisse Portion Mut, sagen meine Freunde. Diesen Mut nehmen sie unter anderem daher, dass es heutzutage so viele Formen von Beziehungen und auch Sexualitäten gibt und sie zudem toleriert werden. Dadurch fällt der “nächste Schritt”, sich offen zu einer polyamoren Beziehung zu bekennen, nicht mehr so schwer.

Fotos: Helena Dschida

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1 Kommentar

  1. Lea sagt:

    voll gut dass du das ansprichst aber ich finde dir Herangehensweise total überspitzt und sukzessiv. Auch die Poly idee hat viel mit regeln, Verhandlungen etc. zutun. Schade, dass Monogamie so dargestellt als müsse die alt sein. in manchen punkten kann sie freier sein. im Endeffekt sind es doch ideale und auch hier wird mehr für das eine als für ds andere Werbung gemacht ist ja auch modisch.

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