Liebs Themenwoche

liebs: Tomaten-Tagebuch

Der Sommer und mit ihm die Hausarbeitsfristen neigen sich dem Ende zu und so auch das Motivationslevel der Kupferblau-Redakteur*innen, noch Artikel einzureichen. Glücklicherweise finden sich auch jetzt noch mutige Gastautor*innen, die ihre eigenen Gedanken zum Thema “liebs” beisteuern wollen (danke, Mama). Viel Lesevergnügen wünschen wir beim Tomaten-Tagebuch, einem Erfahrungsbericht über das Gärtnern – Nachmachen wird empfohlen!

Selbstbestimmtes Gärtnern

Am Anfang stand der Gedanke von sauberem Essen, Unabhängigkeit von der wässrige Tomaten produzierenden Großindustrie und von den Plastiktreibhäusern Südspaniens. Schmackhafte Tomaten aus meinem Garten, gedüngt mit selbstgerührter Brennesseljauche, sacht benebelt mit einem Auszug von Ackerschachtelhalm. Liebevoll gehegt von der Wiege bis zur letzten halbgrünen Tomatenranke, die im warmen Gemach nachreift, während der Rest mit Würde zu Kompost-Grabe getragen wird, um dort einen wunderbar nahrhaften Boden unter den Zähnen und Enzymen vieler Lebewesen für die folgenden Generationen Gemüse zu bilden. Und neidische Nachbar*innen  – ein kleines Präsent verschiedenster Tomatensorten aus meiner gönnerhaften Hand empfangend. Tomatenkönigin des Südwestens.

Wohlan, ans Werk. Besondere Tomaten sollen es sein: Pilzresistent – man weiß ja nicht, was der Sommer bringen wird. Zu viel Regen ist immer schlecht. Aber ein Plastikheim für meine Lieblinge basteln – niemals! Also greife ich etwas tiefer in die Tasche und erstehe alte Tomatensorten: Viva Grande, Resibella, Celsior, Rote Murmel – jeweils zehn Biosamen im Tütchen aus Recycling-Papier.
Ich denke an 30 Pflanzen insgesamt. Daraus sollen dann um die 40 Gläser Tomatensauce entstehen. Und natürlich genug zum frisch essen.

Februar starte ich mit der Aussaat. Jeweils sechs Stück. Dazu noch ein paar Samen von den letztjährigen Tomaten. Lieber ein wenig mehr, man weiß ja nie. Nach knapp einer Woche zeigt sich das erste Grün. Ich staune jedes Jahr neu: Aus solch einem kleinen Samen erwächst eine große Pflanze mit vielen leckeren Früchten. Nochmal drei Wochen später pikiere ich die Pflänzchen. Das heißt, ich nehme sie vorsichtig aus ihrem Kinderbettchen und pflanze sie einzeln in Joghurtbecher. Mist. So viel zur Plastikvermeidung. Aber immerhin finden die Becher so noch einen Nutzen, nicht? 

Das nächste Problem stellt sich: Ich habe zu viele Pflanzen. Jede hat sich so bemüht, hübsch zu wachsen. Ich greife zum Handy und biete sie feil. Einige finden dann auch ein neues Zuhause. Vorsichtshalber behalte ich ein paar der wirklich Stärksten, die Schwächsten entsorge ich auf dem Kompost. Fühle mich ein klein wenig wie ein Verräter.

Die Tomaten reifen heran und lassen sich vom miesen Wetter nicht stören. Bild: Viola Traub

Raus in den Garten

Es geht gen April. Meine Tomaten sind so groß gewachsen, dass ich Mühe habe, sie unterzubringen. Trotz zähem Ringen mit mir selbst, sind es dann doch 34 Pflanzen geworden. Jeden schönen Tag bringe ich meine Lieblinge ins Freie, nachts hole ich sie wieder rein in die warme Stube.
Anfang Mai: Sie blühen! Ich muss gestehen, ich habe eine kleine arrogante Ader: Wenn die goldene Gärtnerregel besagt „pflanze niemals Tomaten vor den Eisheiligen aus“, so winke ich seit Jahren verächtlich ab und pflanze bereits Anfang Mai. Das sollte ich diesmal dringender denn je tun, denn meine Tomaten sind um die 60 cm hoch, die Töpfe zu klein, meine Stützen zu kurz – die Lieben müssen raus ins Beet!
Aber der Mai 2023 ist ungemein lausig kalt und nass. So wird es sogar bei mir Anfang Juni, bis ich meine Riesen nach draußen bringen kann. Einige haben schon Mini-Tomaten angesetzt. Juhee!Ich freu mich schon darauf, die erste Ernte einzubringen.

Wenige Wochen später: Ich habe kiloweise Tomaten geerntet. Glücklicherweise habe ich mir einen großen Kochtopf zugelegt. Er fasst zehn Liter. Und die brauche ich auch. Ich schneide Zwiebeln und dünste sie an, dann kommen Knoblauch und Rosmarin dazu. Und dann meine Tomaten, den Strunk entfernt und kleingeschnitten. Ich mag die Kernchen in der Sauce. Schön köcheln über 1,5 – 2 Stunden, damit sich der Wasseranteil verringert. In Gläser abfüllen – zuschrauben. Fertig sind 14 Gläser mit feinster Tomatensauce.

Wenige Tage später: Ich habe kiloweise Tomaten geerntet. Weitere 13 Gläser mit Tomatensauce produziert.

Noch etwas später: Ich habe kiloweise Tomaten geerntet. Diesmal gab es 27 Gläser.

Diese Tomaten wachsen wie verrückt! Ich habe ein wenig die Übersicht verloren und habe einen Tomatendschungel erschaffen. Die Ernte gestaltet sich ein wenig mühsam. Dennoch weiterhin kiloweise Tomaten geerntet. Habe sie weitestgehend verschenkt als „Gruß aus meinem Garten“.  Die Nachbar*innen scheinen mir aus dem Weg zu gehen. Komisch.

Wieder ein paar Kilo Tomaten geerntet. Inzwischen mache ich nur noch Tomatensauce ohne Zwiebeln und sonstigen Schnickschnack. Kleingeschnitten werden sie auch nicht mehr. Stattdessen drücke ich die gekochten Tomaten durch mein großes Edelstahl-Sieb. Geht schneller. Weitere 14 Gläser Tomatensauce. 

Selbstgemachte Tomatensoße als Ergebnis harter Arbeit. Bild: Viola Traub

Reflektion und Reduktion

Wir schreiben nun den 08. September. Heute habe ich einige Tomatenstöcke auf den Kompost verbannt. Die anderen wurden radikal gekürzt. Sie blühen und fruchten fröhlich. Eine solche Invasion hatte ich nicht geplant und nicht gewünscht. Im Keller stehen mehr als 60 Gläser mit Tomatensauce in Reih und Glied und aus Platzmangel gestapelt. Mehr werde ich nicht benötigen. Außerdem sind mir die Gläser ausgegangen. Und noch ist der Tomatensegen nicht zu Ende. Immer noch ernte ich. Ab jetzt nur noch zum Frischverzehr.
Die anfangs überschwängliche Freude wurde über die Wochen der Ernte etwas leiser. Und ist jetzt einer Ernüchterung gewichen. 34 Tomatenpflanzen sind definitiv zu viele. Nächstes Jahr werde ich mit maximal 24 ins Rennen gehen. Vielleicht auch nur 20. 

Titelbild: Viola Traub

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