In Mexiko werden jedes Jahr mehr als 2.000 Frauen Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt – eine erschütternde Realität, die die mexikanische Regisseurin und Angélica Cruz Aguilar in ihrem Dokumentarfilm “Vivas” darstellt.
Die Dokumentation, die in Tübingen bereits im Rahmen des Filmfrühstücks im Frauencafé Achtbar und während der Frauenfilmtage 2023 gezeigt wurde, erzählt die wahre Geschichte von Lorena und Karen, zwei Müttern, die nach den Morden an ihren Töchtern Fátima (12) und Renata (13) für Gerechtigkeit kämpfen. Vor allem der Fall von Fatima, die 2015 auf dem Heimweg von der Schule von ihrem Nachbarn entführt, missbraucht und ermordet wurde, schockierte ganz Lateinamerika – und auch das Publikum an diesem Tag.
„Woher kommt so viel Brutalität?“, fragte eine Teilnehmerin während der Diskussionsrunde. Cruz Aguilar erklärte, dass die Ursachen tief in den gesellschaftlichen Strukturen Mexikos verwurzelt seien: „Kolonialismus und Patriarchat haben die Machtverhältnisse über Jahrhunderte zementiert. Diese Dynamiken spiegeln sich in der heutigen Gewalt gegen Frauen wider.“ Trotz der zunehmenden Aufmerksamkeit für das Thema, betonte die Regisseurin, dass die Zahl der Femizide weiterhin steige. „In Mexiko entwickelt sich jedoch ein entschlossener Kampf gegen die bestehenden Machtstrukturen”.
Der wachsende feministische Widerstand in Mexiko
Die Mütter der beiden ermordeten Mädchen setzen sich seitdem aktiv in feministischen Kollektiven ein und fordern von der Regierung Maßnahmen, um ein Leben ohne Gewalt zu gewährleisten. Regisseurin Angélica Cruz Aguilar zeigt, wie entscheidend das Engagement dieser Frauen für die Rechte ihrer Töchter ist.
Kolonialismus und Patriarchat haben die Machtverhältnisse über Jahrhunderte zementiert. Diese Dynamiken spiegeln sich in der heutigen Gewalt gegen Frauen wider
Angélica Cruz Aguilar
Ein wesentlicher Faktor für diesen Widerstand ist die unzureichende Reaktion der Regierung auf das Thema. „Die mangelnde Bereitschaft der Regierung, zu handeln, schürt die Wut der Menschen und verstärkt den Widerstand“, sagt sie. Während der Diskussion zogen die Teilnehmerinnen Vergleiche zu anderen Ländern. Eine Frau betonte, wie beeindruckt sie vom Mut und der Entschlossenheit der mexikanischen Frauen sei: „Es erinnert mich an die kraftvollen Protestbewegungen in Deutschland in den 70er und 80er Jahren.” Die Veranstaltung bot also weit mehr als nur Informationen – sie schuf einen Raum für Austausch, Reflexion und Solidarität in Bezug auf Frauenrechte.
Entstehung des Projektes in Tübingen
Angélica Cruz Aguilar hat an der Universität Tübingen im Master Medienwissenschaft studiert. Der Film stellt gleichzeitig ihre Abschlussarbeit dar, wobei ihr die Idee dafür durch ihre Arbeit beim Freien Radio Stuttgart. „Jemand aus der Community hat mich angesprochen und gefragt, ob ich über dieses Thema im Radio berichten könnte. Das war der Moment, in dem ich anfing, mich tiefer mit dem Thema zu beschäftigen“, erklärt sie. „Ursprünglich hatte ich geplant, geschlechtsspezifische Gewalt in Mexiko, Argentinien und Chile zu untersuchen, aber wegen der Corona-Pandemie konzentrierte ich mich ausschließlich auf Mexiko.” So lernte sie die Geschichten der betroffenen Frauen und die unermüdliche Arbeit der feministischen Kollektive kennen, die in ihrem Heimatland für ein Leben ohne Gewalt kämpfen.
Das Filmfrühstück im Frauencafé Achtbar war viel mehr als nur eine kulturelle Veranstaltung. Es sensibilisierte für ein globales Problem, schuf Raum für tiefgehende Diskussionen und stärkte die Solidarität über Grenzen hinweg. Der Kampf gegen Gewalt an Frauen bleibt eine gemeinsame Aufgabe, die uns alle betrifft – weltweit.
Beitragsbild: Vivian Viacava Galaz