Kultur

Ein Gruß nach vorn in der Kulturhalle

Eine kulturelle Zeitkapsel für Tübingen. Seit zwei Wochen ist in der Kulturhalle in der Innenstadt eine Ausstellung zu sehen, die genau das zu ihrem Ziel macht. Unter dem Titel „6 Blickwinkel – Gruß nach vorn“ stellen sechs Tübinger*innen Fotos und Filme aus, die alltägliches in Tübingen einfangen sollen. Das Besondere: In 30 Jahren werden dieselben Werke erneut ausgestellt.

Die Tübinger Kulturhalle ist ein Ausstellungsort in der Innenstadt und versteckt sich für ungeübte Altstadtbesucher*innen etwas hinter dem Nonnenhaus, direkt neben der Stadtbibliothek und dem Kulturamt. Sie bietet für Kulturschaffende eine Möglichkeit, ihre Projekte – künstlerischer oder auch nur rein kultureller Natur – der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Anders als die Kunsthalle auf der Wanne sagt den meisten Studis die Kulturhalle noch nichts. Zu schade! Denn anders als in der Kunsthalle sind die Ausstellungsstücke in der Kulturhalle kostenfrei zugänglich und nur einen Katzensprung vom nächsten Café entfernt. Außerdem wechseln die Ausstellungen vergleichsweise häufig, neuer Kultur-Input ist also ständig geboten. Für eingeborene Tübinger*innen ist die Kulturhalle ein fester Bestandteil in der Kulturlandschaft der Stadt, für Studis könnte sie schon fast als Geheimtipp gehandelt werden.

Ein kleiner Ausschnit der Ausstellung mit Bildern von Jochen Laun
Ausstellungsplakat

Aktuell (14. April bis 13. Mai) läuft in der Kulturhalle die Ausstellung „6 Blickwinkel – Gruß nach vorn“.  Hier zeigen sechs Menschen aus Tübingen die jeweils eigenen Perspektiven auf die Stadt, vor allem auf Dinge, die (noch) das Stadtbild mitprägen. Dabei unterscheidet sich jede Perspektive in ihrer Herangehensweise. „Welche Orte, Themen, Eindrücke und Ansichten werden die Menschen in Tübingen in 30 Jahren berühren?“ So steht es auf der Internetseite der Kulturhalle in einer kurzen Erläuterung über die Ausstellung. Geschrieben hat den Text Yvonne Berardi, eine der Ausstellenden. Bei der Vernissage Mitte April hielt sie die Eröffnungsrede.

‘Do not open before 2053’ steht rotmarkiert auf der Zeitkapsel in der Kulturhalle

Nach dem Ende der Ausstellung kommen die Exponate allerdings nicht wie üblich wieder zu den Ausstellenden nach Hause oder werden verkauft. Das gesamte Ensemble an Ausstellungsstücken wird in eine Holzkiste gepackt und im Stadtarchiv verwahrt – bis sie in 30 Jahren für den zweiten Teil der Ausstellung erneut zur Schau gestellt werden. Ähnlich wie bei einer Zeitkapsel ist der Gedanke hinter der besonderen Ausstellung der, zurückzublicken und einen Eindruck aus der Vergangenheit zu bekommen. Das genaue Datum der Ausstellung in der Zukunft steht sogar schon fest: Vom 7. Juni bis 5. Juli 2053 sind die Werke erneut in der Kulturhalle für alle Schaulustigen zugänglich.

„Das Konzept hinter der Ausstellung ist, heute die Bilder zu machen, die wir in 30 Jahren gerne von Orten und Gegenständen in Tübingen sehen würden. Auch mit den Fragen: Gibt’s das noch? Was war das? Oder auch: zum Glück ist das weg.“, erklärt Ulrich Metz, auch er ist Teil des Projektes. Sein Beitrag zur Ausstellung besteht aus Analogfotos. Die Motive zeigen Dinge, die zum Teil jetzt schon aus dem Stadtbild verschwinden. Beispielsweise ein Briefkasten, aber auch das Uhland-Bad an der Neckarbrücke.

“Es geht um banale Dinge. Was am Ende drin ist, ist oft eine Überraschung.”

Ulrich Metz zu der Idee einer Zeitkapsel

Metz hat sich aus verschiedenen Gründen dafür entschieden, seine Fotos für die Ausstellung analog aufzunehmen. Zum einen erfährt die Analogfotografie in letzter Zeit wieder einen großen Aufschwung. Gerade junge Leute nutzen wieder vermehrt das veraltete Medium. „Interessant wäre zu wissen, ob es in 30 Jahren immer noch so ist“, meint Metz. Abgesehen davon seien analoge Bilder auf Film authentisch. Anders als digitale Bilder könne man den Film, auf dem sie aufgenommen wurden, in die Hand nehmen. Zusammen mit den ausgestellten Bildern kommen nach der Ausstellung auch ihre Negative mit in die Zeitkapsel.

Kino-Blickwinkel mit Kinosesseln und (unechtem!) Popcorn
Spendenkässchen im vorderen Teil der Ausstellung

Neben fünf unterschiedlichsten Fotoperspektiven auf die Stadt zeigt ein ‚Blickwinkel‘ der Ausstellung das Tübinger Kino und seine Menschen – in Form des Kinos. Carsten Schuffert porträtiert in drei kurzen Filmen über die Tübinger Arsenalkinos, das Kino Museum und das Kino Blaue Brücke, Personen, die viel mit dem Kino verbindet. Die Art und Weise, wie wir Filme schauen, so Schuffert, verändere sich. Das wirkt sich auch auf die Stadt aus. Bei dem Blick auf Sachen, die sich in Tübingen verändern, ist das Kino ganz klar als eine davon auszumachen. Das Kino Blaue Brücke ist mittlerweile schon geschlossen. Schuffert ist selbst Teil der Tübinger Filmkultur. Er ist Initiator des ‚Sommernachtskinos‘, das seit mittlerweile 31 Jahren in Tübingen stattfindet – auch dieses Jahr.

“Kino ist Zusammenkommen und sich dem Film aussetzen.”

Carsten Schuffert

Zusammen mit Berardi, Metz und Schuffert gehören zum Projekt „6 Blickwinkel- Gruß nach vorn“ Jochen Laun, Cord Soehlke und Rebekka Virnich. Jede und jeder von ihnen ist mit einem eigenen sehenswerten ‚Blickwinkel‘ in der Ausstellung vertreten. Dabei ist gerade die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Perspektiven das, was die Ausstellung spannend und abwechslungsreich gestaltet. Die Ausstellung selbst reiht sich ein in eine Serie von ‚Blickwinkel‘-Ausstellungen, die in den letzten Jahren in Tübingen zu sehen waren. Themen und Ausstellende wechselten hierbei von Ausstellung zu Ausstellung mal mehr mal weniger durch, ein fester Kern an Verantwortlichen blieb jedoch erhalten. Der erste Teil der aktuellen Ausstellung läuft noch bis zum 13. Mai 2023.

Blick in den Raum vom hinteren Teil der Ausstellung

Die Öffnungszeiten der Kulturhalle findet ihr hier

Fotos: Ben Metz

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