Democratic Crossroads Politik

Wirtschaft im Wahlkampf: Die USA zwischen Inflation und Handelskrieg

Trump oder Harris? Nach Bidens Verzicht auf seine Kandidatur steht die Vizepräsidentin im Fokus der Öffentlichkeit. Welchen Ansatz würde sie auf dem wichtigen Gebiet der Wirtschaftspolitik verfolgen? Und wie bestimmen Teuerung und die ökonomischen Beziehungen zu China den US-Wahlkampf? Diese und ähnliche Fragen thematisierte ein Talk des DAI am Montagabend.

Erst das Attentat auf den republikanischen Kandidaten Donald Trump, acht Tage später dann der Rückzug seines demokratischen Konkurrenten Joe Biden: Die USA kommen wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl im November nicht zur Ruhe. Auf den neuen Amtsinhaber warten zudem gewaltige außenpolitische Herausforderungen in Form des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und des Kriegs in Israel und Gaza. Doch den globalen Krisen zum Trotz gilt der amerikanischen Bevölkerung Umfragen zufolge die Wirtschaftsleistung als zentraler Faktor im Wahlkampf.

Diesem Thema widmete sich daher  ein Onlinetalk des Deutsch-Amerikanischen Instituts Tübingen (DAI) im Rahmen der Gesprächsreihe „Democratic Crossroads“ am Abend des 22. Juli. Zu Gast bei der von dem Amerikanisten Tobias Endler moderierten Veranstaltung mit dem Titel „Economic Vistas und die US-Präsidentschaftswahl“ waren die ARD-Korrespondentin Julia Kastein, Tobias Luthe als Vertreter der Atlantik-Brücke sowie Roland Rohde, ein Experte für Handels- und Technologiekonflikte.

„Die trifft dann der Schlag, wenn sie für eine kleine Packung Salami acht Dollar zahlen müssen.“

Roland Rohde

Dass die Demokraten in puncto Wirtschaft durchaus Angriffsfläche bieten, wurde bereits nach wenigen Minuten klar: „Wirklich irre“, meinte Julia Kastein, sei die aktuelle Teuerungsrate in den USA. Rohde, der ihr beipflichtete, illustrierte die Reaktion der Menschen auf die enorme Inflation folgendermaßen: „Die trifft dann der Schlag, wenn sie für eine kleine Packung Salami – hundert Gramm – acht Dollar zahlen müssen.“ Als paradox bezeichnete Luthe die gegenwärtige Situation, die eigentlich von guten Wirtschaftsdaten gekennzeichnet sei. So gebe es „ein gewisses Wachstum“, einen „robusten Arbeitsmarkt“ und „viele neue Jobs“. Durch die Inflation sei die Situation für Biden beziehungsweise die auf ihn folgende Person jedoch äußerst schwierig.

Bei der Veranstaltung des DAI gab es viel Kritik an Bidens Wirtschaftspolitik. Bild: Prachatai auf Flickr, CC BY-NC-ND 2.0

Ein Bundesgesetz als „Mogelpackung“

Um die heimische Wirtschaft zu fördern, verabschiedete der amerikanische Kongress vor zwei Jahren den sogenannten Inflation Reduction Act (IRA) – „ein riesiges Steuersenkungsprogramm“, so Rohde. Damit habe Biden die Politik Trumps im Grunde fortgesetzt und den bestehenden Fachkräftemangel nicht behoben, sondern sogar verschärft. Für Kastein ist der IRA ohnehin „die größte Mogelpackung überhaupt“, da er – entgegen seinem Namen – die Inflation überhaupt nicht senke. Insgesamt sei die ambitionierte Politik der Demokraten schlecht verkauft worden. Sie werde von der Bevölkerung „missverstanden“. Obwohl die Menschen tatsächlich durch Steuererleichterungen „geködert“ und zum Kauf eines E-Autos animiert würden, fühlten sie sich von der Regierung gegängelt. Luthe betonte, dass zum einen Ladeinfrastruktur fehle und zum anderen für viele eher Probleme wie die rasant gestiegenen Mieten im Vordergrund stünden.

„Es gibt sozusagen keine Fakten mehr, sondern nur noch Meinungen.“

Roland Rohde

Ohnedies werde der Wahlkampf nicht thematisch, sondern rein ideologisch geführt, ergänzte Rohde. So spiele etwa die dramatische Staatsverschuldung in den USA keine Rolle. Hieran zeige sich, dass das Land „jetzt wirklich im postfaktischen Zeitalter angekommen“ sei: „Es gibt sozusagen keine Fakten mehr, sondern nur noch Meinungen.“ Man könne mittlerweile „einen Wahlkampf führen, ohne Argumente zu gebrauchen“.

Harris und das schwere Erbe

Da Biden jüngst seinen Verzicht auf die Präsidentschaftskandidatur erklärt hat, rückt nun die aktuelle Vizepräsidentin Kamala Harris als mögliche Ersatzkandidatin in den Fokus. Von dieser wäre mit Blick auf die Ökonomie wohl Kontinuität zu erwarten, so Luthes vorläufige Einschätzung. Die 59-Jährige sei eine „große Unterstützerin und Befürworterin der bidenschen Wirtschaftspolitik“. Zudem gelte sie als Transatlantikerin, die fest an der Seite Europas und der Ukraine stehe. Kastein stellte jedoch fest, dass es für Harris eher eine Last sein werde, dass man ihr eine Mitverantwortung für die Wirtschaftspolitik des 81-jährigen Noch-Präsidenten zuschreibe.

Kamala Harris stünde mit Blick auf die Wirtschaftspolitik wohl für Kontinuität. Bild: Lawrence Jackson auf Wikimedia Commons

Wer über die ökonomische Situation der USA sprechen will, so wird im Gesprächsverlauf deutlich, der hat stets auch die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesstaaten zu beachten. Diese stehen teils in Konkurrenz zueinander, was sich besonders deutlich an der Gegensätzlichkeit von Kalifornien und Texas zeigt. Im bevölkerungsreichsten Bundesstaat, Kalifornien, werde stark auf Reglementierung und den Kampf gegen den Klimawandel gesetzt, erklärte Kastein. Hier entstünden jedoch weniger neue Jobs als in Texas, wo die Regularien für Firmen minimiert würden – getreu dem Motto: „Der Markt wird’s schon richten.“ Ausdruck fand die Rivalität der beiden Staaten zuletzt vor wenigen Tagen, als der Tech-Milliardär Elon Musk bekannt gab, den Sitz seiner Unternehmen X und SpaceX von Kalifornien nach Texas verlegen zu wollen. Mit Blick auf die vielfältigen Unterschiede sei eine klare Einteilung in Gut und Böse unmöglich, stellten Kastein und Rohde klar.

Trump, Biden und der sinoamerikanische Handelsstreit

Weit schwerwiegender als innenpolitische Konkurrenzkämpfe ist zudem der Handelskonflikt zwischen den USA und China, der laut Rohde in erster Linie „ein Technologiekonflikt“ ist. Den Vereinigten Staaten gehe es darum, zu unterbinden, „dass China mithilfe von US-Technologie immer wettbewerbsfähiger wird“. Indem die Lieferung bestimmter Chips und Maschinen nach China verhindert werde, schneide man das 1,4-Milliarden-Einwohner-Land von einer wichtigen Querschnittstechnologie ab.

Dass hinsichtlich ihrer Chinapolitik ein großer Unterschied zwischen Biden und Trump bestehe, bezweifelte Kastein. Endler bezeichnete die Handelspolitik des amtierenden Präsidenten gar als „Lightversion von ‚America first‘“. Und Rohde hielt fest, dass der amerikanische Protektionismus – die Benachteiligung ausländischer Anbieter durch Handelshemmnisse – unter Biden fortgeführt und sogar verschärft worden sei.

Auch auf einen Sieg des Republikaners Trump müsse Europa diesmal gefasst sein, warnte Kastein. Bild: Library of Congress auf Unsplash

Trotz alledem zeigte sich Tobias Luthe überzeugt, dass die transatlantischen Beziehungen für die USA auch künftig eine zentrale Rolle spielen würden – nicht zuletzt deshalb, weil die wichtigsten Verbündeten des Landes nach wie vor in Europa seien. Doch ungeachtet optimistischer Einschätzungen, betonte Julia Kastein abschließend, sei es nötig, dass sich Europa und Deutschland auch auf eine neue Amtszeit Donald Trumps umfassend vorbereiteten – anders als vor dessen Überraschungssieg 2016.

Die nächste Veranstaltung der Reihe „Democratic Crossroads“ findet am 17. September statt und beschäftigt sich mit dem deutschen Blick auf den US-Wahlkampf. Zu Gast sind Elmar Theveßen und Juliane Schäuble.

Transparenzhinweis: Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Medienpartnerschaft mit dem Deutsch-Amerikanischen Institut Tübingen (DAI).

Beitragsbild: Acton Crawford auf Unsplash

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