Kultur

Bilder, Büsten und Brüste: INNENWELTEN in der Kunsthalle Tübingen

Mit der Ausstellung „INNENWELTEN- Sigmund Freud und die Kunst“ versammelt die Kunsthalle Tübingen 50 verschiedene Künstler*innen aus unterschiedlichen Epochen und Stilen unter einem Dach. Sie alle greifen in ihren Werken auf die von Sigmund Freud begründete Psychoanalyse zurück – und geben damit Einblick in ihre Innenwelten.

Es ist ein regnerischer, grauer Novembertag und ich bin mit zwei Kommiliton*innen vor der Kunsthalle verabredet. Eigentlich perfektes Wetter für eine Kunstausstellung, denke ich. Ein bisschen Farbe kann bei diesem Grau-In-Grau nicht schaden. Noch dazu ist der Eintritt jeden Donnerstag für Student*innen frei. Was hat man also zu verlieren?

Im Schwebezustand: Irgendwo zwischen organisch und technisch. Bild: Franziska Gewalt

Die Psychoanalyse in der Kunst

Im ersten Raum wird uns zunächst Hintergrundwissen an die Hand gegeben. Infotafeln bieten einen groben Überblick über Freuds Leben und Wirken, eingerahmt von den ersten Kunstwerken zum Thema Psychoanalyse. Das besondere an der Ausstellung ist, dass die meisten Werke auf den ersten Blick relativ wenig miteinander gemeinsam zu haben scheinen. Von Gemälden, Fotografien und Kunstfilmen ist kaum ein Medium nicht vertreten, manche behandeln Inhalte hyperrealistisch, manche abstrakt, surrealistisch oder auch im Rahmen der Konzeptkunst. Doch sie alle werden vereint durch ihre Nähe zu Freud. Die Künstler*innen haben sich in ihnen mit der eigenen Psyche, dem Unterbewusstsein, ihrer Kindheit oder Sexualität auseinandergesetzt. Der Name der Ausstellung hält, was er verspricht: Wir tauchen ein in ganz persönliche INNENWELTEN.

Ein Pferd zieht die anatomische Darstellung einer Brust. Hier behandelt die Künstlerin die eigene Sexualität. Bild: Franziska Gewalt

Sigmund Freud ist bekannt für seine Forschung an der Psychoanalyse. Er schloss 1881 sein Medizinstudium in Wien ab und forschte daraufhin erst im Gebiet der Neurologie, wandte sich aber später der Psychotherapie zu. Mithilfe von Traumdeutung und Hypnose versuchte er den Leiden seiner Patient*innen auf den Grund zu gehen. Seine damals revolutionären Ansätze haben bis heute Einfluss auf unser Verständnis des Unterbewusstseins. Besonders die Traumdeutung, der Begriff des Unheimlichen und die Suche nach dem Selbst spielen bei Freud eine große Rolle. Seit mehr als hundert Jahren findet die Psychoanalyse nun auch ihren Weg in die Kunst, internationale Künstler*innen lassen sich immer wieder aufs Neue von ihr inspirieren. Insbesondere in der Stilrichtung des Surrealismus gilt Freud als maßgeblicher Vordenker. Seit der Begründung berufen sich Surrealist*innen auf seine Arbeit.

Zwischen Meditation und dem Unheimlichen

Nach und nach führt die Ausstellung durch helle Räume voller bunter Gemälde und in abgedunkelte Säle, in denen schwarz-weiß Filme mit klassischer Musik unterlegt sind. Die musikalische Szenerie sickert auch in die anliegenden Räume und untermalt den Rundgang mit meditativen Tönen.

Die Farbe Rot spielt in auffällig vielen Werken eine zentrale Rolle. Bild: Franziska Gewalt

Diese eher besinnliche, in sich gekehrte Stimmung wird im höher gelegenen Stockwerk durchbrochen. Die Werke hier zielen direkter darauf ab, Betrachter*innen zu verstören. Sie stehen unter dem Begriff des Unheimlichen. Dieses geht laut Freud immer auf das Vertraute, bereits Altbekannte zurück, wodurch Assoziationen und tief liegende Erinnerungen geweckt werden und welche letztendlich „das Unheimliche“ erschaffen. Hier präsentiert eine Rauminstallation menschenähnlichen Figuren, die teilweise unruhig mit Körperteilen zucken. Sie erzeugt ein irritierendes, maschinelles Geräusch, das Nervosität und Unbehagen bei mir hervorruft.

Ein kurzweiliger Besuch

Auf dem Weg zurück zum Ausgang fällt mir auf: Fast zwei Stunden haben wir in der Kunsthalle verbracht. Ich habe gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist. Mit seltsam gemischten Gefühlen, irgendwas zwischen aufgewühlt und in-sich-gekehrt verlassen wir die Ausstellung. INNENWELTEN entlässt uns in den kalten Novemberabend und übergibt uns zurück an die Realität und in unsere ganz persönlichen Innenwelten.

Beitragsbild: Franziska Gewalt

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