Kultur

40 Jahre Blauer Salon

Nach der Besetzung der Münzgasse 13 im Jahr 1977, eröffnet 1983 der Blaue Salon im Erdgeschoss des Hauses zum ersten Mal seine Türen. In einem politisch aufgeladeneren Tübingen fanden früher vermehrt Lesungen und Vorträge statt, heute sind es vor allem Konzerte und Ausstellungen, die Hausbar war schon immer da. Über die Geschichte und die heutigen Verhältnisse habe ich mit vier Menschen aus dem Kollektiv des Blauen Salons gesprochen.

Wo der soziale Wohnraum seine Grenzen hat

Die Räumlichkeiten des Blauen Salons gab es schon seit der Besetzung des Hauses. Kurz nachdem die Polizei aus der Münzgasse 13 auszog, wurde das ehemalige Polizeirevier, welches deutlich früher bereits ein studentisches Wohnheim gewesen war, von Student*innen besetzt. So zogen in die ehemaligen Büros und Zellen Bewohner*innen ein, doch was macht man mit dem großen Saal im Erdgeschoss? Vor Eröffnung der Hausbar lebten dort Obdachlose. Das habe allerdings so nicht gut funktioniert, weshalb sich ein Teil des Hauses dazu entschied, aus dem Saal einen Gemeinschaftsraum zu machen. Schnell fanden sich Leute, die sich dafür verantwortlich fühlten, das Kollektiv gründeten und mit der Einrichtung begannen. Bereits in seiner Anfangszeit hatte der Blaue Salon mehr als einmal wöchentlich geöffnet, was bei vielen anderen Wohnprojekten eigentlich der Standard ist.

Kultur für alle, …

Doch der Blaue Salon war schon immer nicht nur eine Hausbar, sondern auch ein kultureller Raum, der allen offenstehen sollte. Auf dem Programm standen früher mehr eindeutig politische Veranstaltungen, wie zum Beispiel Lesungen oder Vorträge. Heute sind es vor allem Konzerte, die man sich im Blauen Salon anschauen kann. Von Western bis hin zu härtestem Metal ist für alle mal etwas dabei. Die Termine sind manchmal bis ein halbes Jahr voraus schon alle verplant. Oktober und November sind besonders beliebt, denn das sind die großen Tour-Monate, in denen auch viele internationale Acts den Blauen bespielen. Einen Konzertbericht mit Interview von CDSM aus Atlanta, Georgia findet ihr hier.

Die Lombego Surfers 2019 im Blauen Salon © Ken Werner / Blauer Salon
Larry and his Flask © Alex Gonschior / Blauer Salon
Die Geschmackspolizei ermittelt gegen Geschmacksverbrechen © Blauer Salon

…von allen

Der Blaue Salon wird von einem selbstständigen Kollektiv verwaltet, dessen Mitglieder auf ehrenamtlicher Basis dort arbeiten. Einige sind Bewohner*innen des Hauses, und die, die es mal waren, sind nach ihrem Auszug im Kollektiv geblieben. Doch nicht nur das Kollektiv organisiert Veranstaltungen, jede*r kann sich an sie wenden, wenn er*sie eine Veranstaltung im Blauen machen möchte. Aber keine Veranstaltung und auch nicht die Hausbar sind kommerziell. Alle Einnahmen fließen in den Blauen, um laufende Kosten zu decken, Anschaffungen zu tätigen und bspw. die Gagen der Bands zu finanzieren.

Matzel, Wulff, Jakob und Marisa sind Teil des Kollektivs. Matzel ist seit bald 30 Jahren im Kollektiv und hat eine lange Zeit auch in der Münze gelebt. Er ist für die Koordination des Bookings verantwortlich, welche Bands schlussendlich spielen, wird gemeinschaftlich entschieden. Er findet heute noch viel Spaß daran, die Konzerte zu besuchen und sich dort trotzdem wie ein Fan fühlen zu können.

“So ‘ne Dynamik und Energie, die bei Konzerten entstehen, zaubert mir immer wieder ein Lächeln auf das Gesicht und ich lass’ mich gerne davon auch mitreißen.”

Matzel, Kollektivi

Wulff ist seit ein paar Jahren im Kollektiv, kennt den Blauen aber schon deutlich länger. Er hat einen großen Gefallen an der Atmosphäre der Hausbar gefunden. Man kann sich gut und lange im verhocken und dabei eine gute Zeit haben, ohne dass ein Konsumzwang herrscht. Wulff macht am liebsten die Spätschicht, denn Spätschicht zu haben, heißt, im Prinzip so lange machen zu können wie man möchte. Seine längste Spätschicht ging von Freitagabend um 23 Uhr bis Samstagmittag um 12.30 Uhr.

“Da kam [der Getränkeliefarnt] zum Getränke liefern und wir haben dann gesagt: ‘Fuck, jetzt helfen wir dem noch kurz und dann gehen wir alle nachhause.’ “

Wulff, Kollektivi

Marisa ist seit September ’22 Kollektivi, verbringt aber schon seit 2017 ihre Zeit im Blauen. Sie ist eines der Mitglieder, das nie im Haus wohnte. Regelmäßige Besuche führten dazu, dass sie nach und nach alle Leute hinter der Bar kannte und sich daraus eine familiäre Stimmung gebildet hat. Besonders schön fand sie ein Weihnachten im Blauen, an dem sich viele Leute an einem der Feiertage getroffen haben, um ihr Weihnachten dort zu verbringen.

Jakob ist zum Jahresanfang in die Münze gezogen und erst seit ein paar Wochen Mitglied im Kollektiv. Er möchte die Chance nutzen und noch mehr kulturelle Angebote in den Blauen holen. Ideen dazu gibt es generell viele, manche sind leichter umzusetzen, manche schwerer.  Doch egal, ob es um einzelne Veranstaltungen oder ein längerfristiges Angebot geht, gerade gibt es eine Herausforderung, der sich das gesamte Haus stellen muss, wenn es in Zukunft so weitergehen soll.

Späte Stunden im Blauen © Münze 13

Die M13 kauft sich selbst

Die Besetzung des Hauses liegt schon eine Weile zurück und es hat sich viel verändert. Ein wichtiger Punkt in diesem Prozess ist, dass die Bewohner*innen der Münze 13 letztes Jahr angekündigt haben, das Haus kaufen zu wollen. Dazu gehört auch eine notwendige Generalsanierung und all das wird viel Geld kosten. Wichtig für die Finanzierung sind vor allem Direktkredite, die jede*r geben kann. Wer mehr darüber erfahren (und sogar unterstützen möchte), kann auf der Seite der Münze 13 nachschlagen.

40 Jahre Blauer Salon müssen aber auch gebührend gefeiert werden. Dazu gibt es Freitag, den 23.06. und Samstag, den 24.06. eine große Jubiläumsfeier. Details dazu findet ihr auf Instagram.

Fotos: Ken Werner, Alex Gonschior, Blauer Salon, Münze 13

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