Die Suche nach der eigenen Identität und dem Sinn des Lebens ist ein bekanntes Thema, welches jedoch immer wieder aufs Neue erfasst werden kann. Philosophische Fragen wie ‚Wer bin ich?‘, ‚Wer will ich sein?‘ oder ‚Was erfüllt mich?‘ sind zeitlos und bedeutungsvoll für alle Menschen, für uns Student*innen wohl umso mehr. Doch was macht dieses Motiv in Filmen aktuell so fesselnd? Welche Lebensweisheiten kann man überhaupt auf das reale Leben übertragen?
Stell dir vor: Es ist spät, du sitzt nach einem langen Lerntag mitten in der Klausurenphase an deinem Schreibtisch und überdenkst alle deine Lebensentscheidungen. Dein Kopf platzt mittlerweile von der Menge an Lernstoff, den du nacharbeiten muss, Tränen verschwimmen deine Sicht und du googelst mal wieder nach dem Exmatrikulationsverfahren. Du lässt den Tab offen und wechselst zum MBTI-Persönlichkeitstest, in der Hoffnung, dass dir eine pseudo-psychologische Charakteranalyse, wie du auf TikTok erfahren hast, hilft, dein Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Nun, dieses Ritual nach einem ‚mental breakdown‘ ist Alltag für sehr viele Student*innen, die überfordert sind und plötzlich nicht mit Sicherheit sagen können, wohin das Leben sie hinführt. Studiere ich das Richtige? Lohnt sich mein Studium überhaupt? Und was kommt danach? Wo soll ich mich bewerben? Was passiert, wenn ich keinen Job finde? Wer will ich überhaupt werden? Wer bin ich?
Das Studierendenleben ist nicht für jede*n einfach. Ein Studium bedeutet an erster Stelle, einen neuen, unbekannten Lebensabschnitt zu bestreiten, auf dem man versucht, sich selbst zu finden und sich auf das plötzlich erwachsene Leben zu gewöhnen (und natürlich auch, um zu lernen). Die Überforderung und Angst, den falschen Weg für sich gewählt zu haben, spürt dabei wohl jede*r von uns zwischendurch.
Viele Filme, die sich mit dem Thema Selbstfindung beschäftigen, bieten eine gewisse Hilfestellung für die Verirrten unter uns. Aber auch diejenigen, die sich in ihrem Lebensweg absolut sicher sind, könnten ihr Leben nach dem Schauen dieser Filme überdenken.
Vom Killer zum Philosophen
Der Animationsfilm „Rango“, 2011 inszeniert von dem Regisseure Gore Verbinski (“Fluch der Karibik”) und bei Amazon Prime ausgestrahlt, handelt von den Abenteuern des Chamäleons Rango (gesprochen von Johnny Depp) im Wilden Westen. Rangos Terrarium fällt aus dem Auto seiner Besitzer bei einer Durchfahrt in der Wüste. Das domestizierte Tier wird in eine neue Umgebung geworfen und muss lernen, sich nun zurechtzufinden.
Von Beginn des Films an wird Rango als eine sehr charismatische Persönlichkeit eingeführt, die jedoch in einer Fantasiewelt lebt und sich selbst als Hauptcharakter seines eigenen Schauspiels sieht. Doch das Charisma ist gespielt – Rango entpuppt sich als sehr tiefgründig und eingesperrt in sich selbst. In der Wüste ist er verängstigt und hilflos, findet sich aber, wenn er die satirisch-klischeehafte Westernstadt “Dirt” und dessen Bewohner entdeckt. Um zu überleben und akzeptiert zu werden, lügt er und stellt sich in die Rolle eines gefährlichen Killers.
Der Film vereint Western-Abenteuer, Krimi und philosophische Identitätssuche gleichzeitig. Was auf den ersten Blick wie eine 3D-Animation für Kinder anmutet, offenbart sich als ein überaus „erwachsenes“ Lebensthema mit fesselnder Handlung. Rango stellt sich von Anfang an die Frage, wer er eigentlich ist – die gespielte, selbstsichere Version oder die verletzliche und unsichere?! Rango beantwortet diese Frage für sich selbst und ändert sich.
Der überraschend tiefgründige Film gewann 2012 den Preis für den besten Animationsfilm bei den Oscars. Besonders interessant ist er für Erstis, die ja oft in eine neue Umgebung ziehen und versuchen müssen, Anschluss zu finden und sich von ihrer besten Seite zu zeigen.
Mathematikgenie mit Sozialstunden
Der nächste Film spielt unter anderem in einer Universität, was diesen attraktiv für Studierende macht. Der Coming-of-Age-Film „Good Will Hunting“, 1997 präsentiert vom Regisseur Gus van Sant mit Robin Williams, Matt Damon und Ben Affleck und ausgestrahlt bei Amazon Prime, interpretiert das Thema der Selbstfindung auf eine ganz andere Weise als „Rango“.
Der Film ist zentriert um Will Hunting (gespielt von Matt Damon), der sich unabsichtlich als ein Mathematikgenie erweist, indem er eine unmögliche Gleichung an der Tafel einer Universität löst, wo er als Arbeiter eigentlich Sozialstunden ableistet. Der Professor möchte ihn fördern und organisiert Therapiestunden für Will. Zwischen Will und seinem Therapeuten (gespielt von Robin Williams) entsteht eine Freundschaft.
Dieser Film behandelt weniger die Frage ‚Wer bin ich?‘, sondern vielmehr ‚Wo ist mein Platz auf dieser Welt?‘. Will ist hin- und hergerissen zwischen seinem möglichen akademischen Potenzial und seinem gewohntem Leben. Im Laufe des Films zieht Will die Zuschauenden immer mehr auf seine Seite, sodass man seine Entscheidung am Ende mit großer (An)spannung verfolgt. „Good Will Hunting“ vermittelt die Botschaft, dass es nicht immer nötig ist, nach dem Großen zu streben. Es sind die kleinen Sachen, die das Leben für Will ausmachen.
Unfall vor der Audition
Die dritte und letzte Filmempfehlung ist der neue Animationsfilm von Disney Pixar „Soul“, 2020 von Pete Docter produziert und ausgestrahlt bei Amazon Prime und Disney+. Der Film handelt von dem Jazz-Musiker Joe Gardner (gesprochen von Jamie Foxx), der als Schullehrer arbeitet und davon träumt in einer Jazz-Band zu spielen. Als die Chance endlich kommt, hat Joe einen Unfall und erwacht durch einen Fehler in einem „Du-Seminar“ – Einer kosmischen Version des Jenseits, wo junge Seelen für das Leben auf der Erde vorbereitet werden. Dort lernt Joe die Seele Nr. 22 kennen, die sich weigert, ihr Leben auf der Erde zu beginnen.
Auch dieser Film, der diese Jahr gleich drei Oscars gewann, geht auf seine eigene Weise an das Thema der Identitätssuche heran. Joe steht im Zwiespalt zwischen seinem stabilen Job als Lehrer, der ihn aber nicht erfüllt, und seiner Leidenschaft, die jedoch finanzielle Unsicherheit bringt und sehr flüchtig sein kann. Die Seele Nr. 22 versucht zu verstehen, was am Leben überhaupt lebenswert ist und warum Joe unbedingt zurückwill.
Wie man anhand der drei ausgewählten Filme erkennt, ist das Thema der Selbstfindung unerschöpflich und vielfältig, somit ist für jede*n etwas dabei. Doch eine Sache haben alle diese Filme gemeinsam, die man sich im Moment der Zweifel immer wieder in Erinnerung rufen kann: Das Leben braucht keinen bestimmten Sinn, um lebenswert und erfüllend zu sein. Die eigene Persönlichkeit ist keine Konstante, sondern eine fortlaufende Entwicklung und man findet sich – wenn man glücklich ist, und man wird glücklich – indem man auf die kleinen Sachen im Leben achtet.
Links zu den Filmen:
Soul | Film 2020 | Moviepilot.de
Rango | Film 2011 | Moviepilot.de
Good Will Hunting | Film 1997 | Moviepilot.de
Fotos: pixabay.com
Portrait von Matt Damon: NASA/Bill Ingalls, Public domain, via Wikimedia Commons