Der Studierendenrat, kurz StuRa, tagt alle zwei Wochen, um die Interessen aller Studierenden an der Uni Tübingen zu vertreten. Wie genau laufen die öffentlichen Sitzungen ab und was wird dort besprochen? Das Wichtigste aus der StuRa-Sitzung vom Montag, 04. Mai, erfahrt ihr hier.
Nicht nur in unserem (Uni-) Alltag, sondern auch in der Hochschulpolitik dreht sich im Moment vieles um die Corona-Pandemie und wie die Uni und wir, als Studierende, damit umgehen. In der zweiten Online-Sitzung des StuRas am Montag, 4. Mai, standen jedoch nur zwei der Themen, die bis 0:00 Uhr diskutiert wurden, im Zusammenhang mit Covid-19. Neben Zoom und den StuRa-Wahlen ging es so auch um die Qualität der Lehre an unserer Uni, die AfD und um das Gendern.
Lange diskutiert wurde zuallererst ein Initiativantrag zum Thema Systemakkreditierung. Die Systemakkreditierung ist ein Selbstbericht der Uni, der evaluiert, inwieweit die Qualität der Lehre sichergestellt wird. In diesen Prozess wurden die beiden Antragsteller*innen mit eingebunden und haben einiges festgestellt, was „aus studentischer Sicht nicht geht“, so Dominik, einer der Antragsteller. Besprochen wurden nun also die sieben Punkte, die zu einer Stellungnahme zusammengefasst werden sollen.
Lehre braucht ein klares Leitbild
Erstens ging es dabei um das Leitbild Lehre, das nach jahrelangen Verhandlungen immer noch nicht verabschiedet wurde und in dessen Ausarbeitung die Fachschaften nicht mit einbezogen wurden. Der Antrag fordert nun, dazu noch im Juli zu einer Abstimmung zu kommen, in die Rückmeldungen aus verschiedenen Organen mit einbezogen werden sollen.
Im zweiten Punkt wird kritisiert, dass sich die Lehre an der Universität Tübingen stark an der Forschung orientiert und so nicht ausreichend auf berufliche Praxis außerhalb von Forschung vorbereite. Der StuRa diskutierte in Bezug auf diesen Punkt die sehr grundlegende Frage, welchen Zweck universitäre Lehre eigentlich haben soll, ob sie bilden oder ausbilden soll. Zudem verwiesen einige Stimmen auf den Career Service und darauf, dass das Ausmaß der Forschungsorientierung auch vom Studiengang abhänge.
Im dritten Punkt des Antrags wird die Frage gestellt, was die sechzehn Schwerpunkte, die die Uni Tübingen in Forschung und Lehre setzt, zu bedeuten haben und an welchen Parametern sie sich bemessen. Der vierte Punkt macht darauf aufmerksam, dass die Exzellenzstrategie der Uni nicht mit einer Lehrstrategie gleichgesetzt werden kann, sondern dass man sich über die Lehre separat Gedanken machen muss. Der StuRa überweist den Punkt in den AK Systemakkreditierung, in dem nochmal an der als zu stark anklagend bemängelten Formulierung gearbeitet werden soll.
Mehr Selbstkritik ist gefragt
Der fünfte Punkt lastet der Uni eine zu starke Entfremdung von ihrem Standort und der Region an. Er fordert, ein Gegengewicht zur internationalen Ausrichtung der Uni zu schaffen, indem beispielsweise mehr regional geforscht wird. Sascia aus der Grünen Hochschulgruppe macht darauf aufmerksam, dass es auch Studiengänge gibt, die regional gut eingebunden sind, beispielsweise die Ethnologie.
Im sechsten Punkt wird vom Rektorat gefordert, sich eigenständig und selbstkritisch mit dem Zustand der Lehre an der Uni auseinanderzusetzen und angestrebte Entwicklungen in diesem Bereich, deutlich sowie messbar zu machen. Der StuRa diskutierte im Folgenden, ob sich das Rektorat selbst evaluieren soll oder ob dies wie bisher von Dezernat 3 und ZEQ übernommen werden soll. Dominik betont jedoch, dass diesen Instanzen bei der Evaluation oft die Hände gebunden seien. Im letzten Punkt wird die Uni dazu aufgefordert, die Studierendenschaft aktiv in die Akkreditierung miteinzubeziehen und beispielsweise bei Commitmentgesprächen, verpflichtend Studierende hinzuzuziehen. Dies fand allgemeine Zustimmung.
Corona macht vor Hochschulpolitik nicht halt
Ein zweites großes Thema war die Videokonferenzplattform Zoom. Der StuRa diskutierte und fragte sich, ob mit dem Kauf vieler Lizenzen für diese Plattform trotz datenschutztechnischen Bedenken Geld kopflos ausgegeben wurde. „Es wurden auch gute Sachen gemacht, aber Zoom wurde nicht ordentlich überdacht,“ merkt Jonathan von der Exekutive an. Das Exekutivorgan wird nun von der Uni eine Auflistung aller Ausgaben für die Bewältigung der Online-Lehre anfordern. Zusätzlich wird sich ein AK noch einmal genauer mit der Thematik auseinandersetzen.
Ebenfalls von der Corona-Pandemie betroffen sind die StuRa-Wahlen, die eigentlich in diesem Semester hätten stattfinden sollen, was sich nun aber als schwierig erweist. Der StuRa beschließt, sie analog zu den Uni-Wahlen auf den Dezember zu verschieben und betraut den AK Wahlen mit der weiteren Ausgestaltung. Einige Stimmen betonen zudem, dass es sehr wichtig ist, allen Studierenden die Wahlteilnahme zu ermöglichen.
Was möchte die AfD vom StuRa wissen?
Für Verwirrung und Diskussion sorgte eine Anfrage der AfD-Fraktion, die vom StuRa wissen wollte, in welcher Höhe er linke Hochschulgruppen fördere. Die Anfrage wurde bereits mit einer Fehlanzeige beantwortet, da der StuRa nur Veranstaltungen, nicht aber ganze Hochschulgruppen fördert. Trotzdem wurde weiter beratschlagt, wie mit solchen Anfragen im Allgemeinen umgegangen werden soll und ob man noch beim Ministerium nachfragen sollte, ob mit der Förderung von Hochschulgruppen auch die Förderung von Veranstaltungen gemeint sei. Es wurde beschlossen, dass der AK Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eine Stellungnahme zum Thema formuliert. Eine Nachfrage beim Ministerium bezüglich der Art der gemeinten Förderungen wurde abgelehnt.
Und wieder: Die Gender-Debatte
Zum Schluss der Sitzung, es war bereits fast 0:00 Uhr, musste noch ein Thema besprochen werden, das nicht auf der Tagesordnung stand. Im Laufe der Sitzung hatten zwei männliche Mitglieder des StuRas im Chat Witze über das Gendern gemacht. Nachdem sie darauf angesprochen worden waren, dies bitte zu unterlassen und einer der beiden beteuerte, dass er alles, was er im Chat gesagt hatte, auch laut sagen würde, verließ ein weibliches Mitglied die Konferenz. Am Ende wurde die Diskussion dann weitergeführt, mitunter sehr emotional. Weibliche Mitglieder erklärten noch einmal, wieso es wichtig sei, zu gendern und von welcher Privilegiertheit es zeugt, sich darüber lustig zu machen bzw. machen zu können. Einer der beiden Witzemacher entschuldigte sich vorbildlich und betonte, dass das Gendern wichtig sei und er nichts dagegen habe. Der Andere sah seinen Fehler jedoch nicht ein. Um 0:00 Uhr wurde kein Antrag auf Verlängerung der Sitzungszeit gestellt, einige blieben jedoch noch im Videokonferenzraum, um die Diskussion weiterzuführen.
In Kürze:
• Der StuRa arbeitet an einer Stellungnahme zur Systemakkreditierung an der Uni Tübingen.
• Allgemein ist der StuRa nicht zufrieden mit dem unbedachten Kauf von Zoom-Lizenzen der Uni und setzt sich mit diesem Thema nochmal genauer auseinander.
• Es gab eine Anfrage der AfD-Fraktion an den StuRa bezüglich der Förderung linker Hochschulgruppen. Gefördert werden vom StuRa allerdings nur Veranstaltungen, keine Gruppen.
• Die StuRa-Wahlen werden analog zu den Uni-Wahlen auf Dezember verschoben.
Die nächste StuRa-Sitzung findet am 18. Mai um 20:15 Uhr online statt und ist wie immer öffentlich. Die Arbeitskreise freuen sich über Mitarbeit. Mehr Informationen zum StuRa und den AKs findet ihr auf dessen Website oder per Email an ga@stura-tuebingen.de.
Grafik: Yvonne Pless