Am Samstagabend elektrisierte BETTEROV das Sudhaus in Tübingen. Mit treibenden Gitarren, intensiven Songtexten und einem unkonventionellen Indierock-Sound zog er das Publikum in seinen Bann. Die Kupferblau berichtet von einem Konzert zum Tanzen und zum Weinen, voller Intimität und Energie.
Der Saal im Sudhaus ist gefüllt mit Indie-Fans und den Musikgeschmack sieht man ihnen an. Die Leute neben mir tragen Dr. Martens und Schnauzer und warten gespannt auf Betterov. Der Künstler aus Thüringen präsentiert zurzeit sein Debütalbum OLYMPIA auf der ersten eigenen Tour – und macht dafür Halt in Tübingen. Die Texte, die sich durch OLYMPIA ziehen, könnten purer kaum sein: Mit ihrer ungefilterten, nahbaren Sprache transportieren sie Geschichten voller Emotion. Untermalt vom schweren Sound der Gitarren, erzählen sie vom Aufwachsen in der Provinz, von dem Gefühl nicht dazuzugehören und von Erinnerungen, die man niemals wieder loswird.
Es war, als gäb’s in dieser Welt, in die ich kam, nur diesen einen Sound
Betterov heißt mit bürgerlichem Namen übrigens Manuel Bittdorf und wuchs in einem kleinen Dorf in Thüringen auf. Zur Musik kam er über das Theater. Er zog vom Land in die Metropole, um in Berlin Schauspiel zu studieren. Doch seine große Liebe galt dem Songwriting. Mit OLYMPIA veröffentlichte er 2022 sein erstes Album und krönte die dreizehn Tracks in einer „Ehrenrunde Deluxe“-Version noch mit acht weiteren. Darunter sind auch zwei ruhige Klavierinterpretationen und vier Features mit alten Bekannten der Indie-Branche, wie Provinz und JEREMIAS.
Taucht mein Gesicht in ein kaltes Licht, während alles um mich dunkel ist
Als Vorband wärmt Sofia Portanet das Publikum für den Höhepunkt des Abends auf. Sie hat Betterov, wie sie selbst erzählt, an einem sehr kalten Tag in Berlin kennengelernt. Pünktlich um 21:01 Uhr wird es dann dunkel im Saal, die Bühne wird in blaues Licht getaucht und eine spannungsgeladene Melodie beginnt zu spielen. Nach und nach kommen die Bandmitglieder auf die Bühne, bevor zuletzt Betterov auftritt und die ersten Töne von „Viertel vor Irgendwas“ ertönen.
In den nächsten eineinhalb Stunden weckt Betterov jedes erdenkliche Gefühl in mir. Es wird viel getanzt, laut mitgegrölt und auch ein bisschen geweint. Für ein Akustik-Set verschwindet die Band komplett von der Bühne, es bleibt nur Betterov am Klavier zurück. Er scheint selbst Tränen wegzublinzeln, während das Publikum gemeinsam mit ihm „Dussmann“ anstimmt. Zwischendurch singt er sogar eine zweite Stimme dazu, während die Zuschauer*innen die Hauptmelodie weitertragen. Nach einem langanhaltenden Applaus schmunzelt er und meint, das funktioniere nicht in jeder Stadt.
In dieser Stunde, in diesem Licht, ist alles gut so wie es ist
Betterov redet nicht besonders viel zwischen den Songs, er erzählt keine ausschweifenden Geschichten, scheint ganz generell eher ein ruhiger Typ zu sein. Aber er nimmt sich mehrmals extra Zeit, um seinem Team und der Band hinter sich zu danken. Er wirkt auf mich menschlich, nahbar und einfach sehr sympathisch. Die intime Atmosphäre im Sudhaus verstärkt diese Authentizität, uns trennen buchstäblich nur einige Meter. Von der Arroganz eines Bühnen-Stars ist er Welten entfernt. Für eine Zugabe kommt auch die Sängerin der Vorband, Sofia Portanet, erneut auf die Bühne und singt mit ihm die zweite Strophe von „Mein Leben ist monoton“. Sofia und Betterov umarmen sich zum Abschied.
Das Konzert geht viel zu schnell vorbei. Nach der Zugabe lässt sich die ganze Band ausgiebig beklatschen. Dann verbeugen sie sich und schon ist das Licht wieder an. Es zieht mich zurück in die Realität. Was bleibt, ist die Erinnerung an ein Konzert mit Sprengkraft und an einen sympathischen Kerl, der verdammt gute Musik macht.
Beitragsbild: Julian Mathieu