Holly Geiß (25 Jahre) ist Studentin an der Universität Tübingen (Internationale Literatur & Slavistik). Dieses Jahr hat sie ein Buch mit dem Titel ‚Vorlesungs-Gedanken-Welten‘ veröffentlicht. Es besteht aus 17 Kurzgeschichten über alle möglichen Alltagssituationen, die sich – mal mehr mal weniger – ins Absurde entwickeln. Bunt zusammengewürfelt und allesamt entstanden während der Vorlesungszeit, lesen sich die meist dreiseitigen Geschichten auch gut in einer 5 Minuten Pause oder auf dem Weg zur Uni. Über absurde Geschichten, Gehirngespinste und die Liebe zum Lesen erzählt uns Holly im Interview.
Seit wann schreibst du Geschichten?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Es hat sich irgendwann so entwickelt, so im 2. oder 3. Semester. (mittlerweile ist Holly im 5. Semester). Geschrieben hab ich eigentlich schon immer. Ich habe irgendwann mal meine Notizhefte durchgeschaut und ich hab schon ziemlich früh angefangen, verschiedene Geschichten aufzuschreiben. Aber dass ich Geschichten vollendet habe und sie zeigen möchte, da waren die für das Buch die ersten, davor waren das meistens nur Fetzen. Nichts, was ich irgendwo veröffentlicht hätte.
“Ich mache das, was gerade ins Gehirn kommt”
Holly Geiß
Fällt es dir schwer, Geschichten zu Ende zu schreiben?
Ja, also (beim Schreiben) lange einen Faden zu behalten, fällt mir schwer. Dieses kurze Gedanken aufschreiben, einfach mal machen, bringt sehr viel mehr bei mir. Die meisten Geschichten (aus dem Buch) sind in 20 Minuten entstanden. Klar bastelt man danach noch ein bisschen rum. Ich plane nicht, was ich schreibe, sondern ich mache das, was gerade ins Gehirn kommt.
Wie würdest du deinen Schreibstil beschreiben?
Also beim kreativen Schreiben kriege ich das ganz gut hin, kurze Sätze zu schreiben. Wenn es um die Uni geht, kann ich das glaube ich nicht so gut. Da wird es dann immer sehr lang und kompliziert. Was meinen Mitarbeitern aufgefallen ist, ist, dass ich manchmal in einen saloppen Sprachgebrauch übergehe. Das habe ich aber meistens wieder rausgenommen. Wenn man zum Beispiel Dialekt mit reinbringt ist das so spezifisch, dass es nicht gut bei der breiten Masse ankommt. Ich habe das meistens wieder rausgenommen und es ersetzt durch einfache Sätze und ‚richtiges‘ Hochdeutsch (lacht).
Publiziert wird das Buch über den Veranstalter des Schreibwettbewerbs „Young Storyteller“, story.one. Dieser schreibt jährlich für Autor*innen Newcomer bis 35 Jahren einen Award in Kooperation mit dem Buchhandelsunternehmen Thalia aus.
Du hast eben von Mitarbeitern gesprochen – was hat es damit auf sich?
Wir haben ein Schreibseminar zusammen gemacht beim SLT (Studio Literatur und Theater), einen Kurs zum Lektorat. Das war voriges Wintersemester. Ich kannte dann drei Personen in diesem Kurs ein bisschen besser. Und wir waren die vier, die nach dem Kurs noch übrig waren und sind noch was trinken gegangen. Dann saßen wir da und haben festgestellt, dass wir alle super gerne schreiben, aber das meistens nicht tun, wenn wir nicht dazu angehalten werden. Und dann haben wir beschlossen, wir gründen jetzt eine Art Autorengruppe und haben angefangen, uns zwar unregelmäßig, aber immer wieder zu treffen. Anhand von Stichworten haben wir dann Geschichten geschrieben. Die Geschichten haben wir uns gegenseitig vorgelesen und uns Feedback gegeben. Wie unterschiedlich dann bei einem Stichwort die Geschichten waren von vier Personen, war echt faszinierend. Dann hat Patrick von dem Wettbewerb mitbekommen und wir haben uns von da an sehr viel öfter getroffen. Viele Geschichten aus dem Buch sind auch so entstanden – aus einem Stichwort. Patrick (Muczczeck), Alex (Alexander Schwab) und Ronja (Ronja Hornik) haben auch jeweils ein Buch geschrieben.
“Wenn man in der Realität bleibt, ist das schon fast ein bisschen langweilig.”
Holly Geiß
Gibt es denn ein Thema, über das du am liebsten schreibst?
Es passiert allermeistes, dass ich in dieses Absurde abdrifte beim Schreiben. Dass ich nicht in der Realität bleibe. Ich glaube, weil mir das beim Lesen gefällt, wenn es nicht direkt im echten Leben spielt. Ich lese über die Bandbreite hinweg fast alles, aber am besten gefällt mir, wenn es ein bisschen absurd ist, wenn es Fantasy ist, wenn eine neue Welt aufgeht. Weil man durch das Lesen ja irgendwo hingeht. Und wenn man dabei in der Realität bleibt, ist das schon fast ein bisschen langweilig. Ich mag das, wenn man im Lesen komplett weg sein kann. Ich glaube, ich habe das auch bei den Kurzgeschichten probiert umzusetzen. Dass man dieses Rutschen in eine andere Welt hat.
Was ist deine Motivation oder der Grund beim Schreiben?
Du fragst Sachen. Ich glaube, dass es da viele Gründe gibt. Zum einen glaube ich, dass ich ein Stück weit Sachen, die mir passieren, damit verarbeite. Oder auch Gedanken. Ich denke, dass einige Leute das kennen, dass man im Bus sitzt und jemanden beobachtet und sich Gedanken darüber macht. Vielleicht macht diese Person eine Bewegung oder hat etwas in der Hand. Bei mir gehen diese Gedanken eben sehr weit. Ich spinne sie dann in Geschichten noch weiter. Irgendwo ist das einfach meine Fantasie aufs Papier bringen. Teilweise haben die Geschichten mehr mit mir zu tun, teilweise aber auch gar nichts. Nichts, was ich schreibe, hat aber wirklich biographischen Hintergrund, weder von mir noch von Personen in meinem Umfeld. Mehr einen kleinen Hauch von dem, was man kennt. Es heißt ja, man soll nicht schreiben, was man nicht kennt. Das finde ich Quatsch. Es geht mir darum, Gehirngespinste niederzuschreiben. Abgesehen davon finde ich lesen furchtbar toll. Ich habe definitiv eine Sucht, Bücher zu kaufen und sie zu lesen (lacht). Und da als Autorin dabei zu sein, ist glaube ich schon auch ein wichtiger Teil.
“Es geht mir darum, Gehirngespinste niederzuschreiben.”
Holly Geiß
Hast du vor, mehr Bücher zu schreiben und zu veröffentlichen?
Mit der Autorengruppe versuchen wir momentan wieder bei einem Wettbewerb mitzumachen, diesmal in Berlin. Dabei geht es um ein Romanprojekt. Man muss bis Ende März ein Skript oder einen Auszug von 30 Seiten einreichen. Wenn man dann ausgewählt wird, veröffentlichen die Veranstalter den eigenen fertigen Roman von ca. 150 Seiten im Sommer. Ich weiß aber nicht, ob Roman meine Sparte ist, von daher wage mich mal ran, rechne aber nicht damit, zu gewinnen. Abgesehen davon schreibe ich ständig. Und viel. Da entsteht immer wieder was.
Beitragsbild und Fotos: Ronja Hornik