Vergangene Woche lud die Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg, Außenstelle Tübingen, zusammen mit dem Institut für Osteuropäische Geschichte und dem Slavischen Seminar, die Autor*innen Gesine Dornblüth und Thomas Franke ein, um ihr gemeinsames Buch „Putins Gift“, moderiert von Professor Klaus Gestwa, zu präsentieren.
Klaus Gestwa, Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Tübingen, stellte die beiden Autor*innen vor. Gesine Dornblüth ist für ihre Aufklärungsarbeit in Bezug auf Russland und Osteuropa bekannt, besonders hat sie entlarvt, wie pro-russisch angehauchte Experten immer wieder in deutschen Medien mitmischen. Thomas Franke hat außerdem Werke über russische Politik, besonders zur Herrschaftssicherung, geschrieben.

Die beiden eint vor allem, dass für sie der großangelegte Überfall Russlands auf die Ukraine keine Überraschung war. Ganz im Gegenteil. Sie sehen ihn als die Fortsetzung eines andauernden Krieges, der bereits 2014 richtig angefangen hat. Auch bescheinigt Gestwa den beiden die Fähigkeit, die komplizierten Verhältnisse in Russland und den Staaten, die es direkt militärisch bedroht, besetzt und belagert, präzise in Worte fassen zu können.
Wie Russland die freiheitliche Gesellschaft Europas angreift
Zusammen haben Dornblüth und Franke zwei Bücher zu Russland geschrieben. Zunächst „Jenseits von Putin – Russlands toxische Gesellschaft“ und nun auch das der Veranstaltung titelgebende Werk „Putins Gift. Russlands Angriff auf Europas Freiheit“. Gemeinsam haben die Bücher ein Thema, das höchst aktuell ist: die fortwährenden Angriffe Russlands auf die freiheitliche Gesellschaft Deutschland und Europas. Dass sich die Deutschen, besonders wenn sich im Mai die Befreiung vom Nationalsozialismus jährt, mit Russland als Feind schwertun, wird von russischer Seite gerne als Möglichkeit zur Störung verstanden. Gegen Ende der Vorstellungsrunde macht jemand auf dem Podium die sich später bewahrheitete Prophezeiung, dass Putin, trotz seiner angeblichen Verhandlungsbereitschaft, den Gesprächen mit der Ukraine in der Türkei fernbleiben wird.
Gift ist die zentrale Metapher für das Wirken russischer Politik nach innen und außen. So erklären Dornblüht und Franke bei der Veranstaltung, Gift habe auch die Herren des Kremls selbst infiziert und treibe sie um. Es habe verschiedene Anwendungen, verschiedene Wirkungsweisen, aber häufig denselben Namen. Denn das wichtigste von Putins Giften heiße überall: Angst.

Diese Angst habe den jungen KGBler Putin (Komittee für Staatssicherheit der Sowjetunion) in tiefe Verzweiflung getrieben, als er von Demonstrierenden belagert in einer Außenstelle tief in der DDR festsaß, während das Sowjetimperium zerbrach, und ließe ihn freiheitliche Nachbarländer, und insbesondere jene die es werden wollen, bis heute fürchten. Diese Angst sei es aber auch, mit der sich der Tschekist (Geheimpolizist in der frühen Sowjetunion) Putin das eigene Land gefügig mache, sodass sich russische Bürger*innen nicht trauen würden, einen Maidan – also Massenproteste – auf dem Roten Platz zu versuchen.
Verbreitung von Angst auch in Europa als Strategie
Am relevantesten für deutsche Lesende sei jedoch die Angst, mit dem Putin seit Jahren Europäische Länder, allen voran Deutschland, lähmen und gefügig machen wolle. Ängste werden bewusst durch Drohungen und Propaganda verbreitet und geschürt: Angst vor offenem Krieg, Angst vor Atomarer Vernichtung, Angst vor Wohlstandsverlust, Angst im Winter frieren zu müssen. Exemplarisch an der Angst könne man sehen, was das Ziel von Putins Gift sei. Denn die ständige neurotische Angst gehe einher mit einem totalen Vertrauensverlust in jene Institutionen, die unsere Freiheitlich Demokratische Grundordnung ausmachen.
Ohne Vertrauen in Institutionen drohe die Gemeinschaft zu zerbrechen und wird nur noch durch Menschen kontrollierbar, die über eine Gesellschaft herrschen, als wäre es eine Nachbarschaft unter dem „Schutz“ der Mafia – also Menschen wie Putin.
Beitragsbild: Sebastian Hoffmann