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Angela Merkel – Feministin auf ihre Art

Im November letzten Jahres veröffentlichte die ehemalige Bundeskanzlerin Deutschlands Angela Merkel ihre Autobiografie Freiheit-Erinnerungen 1954 – 2021. Welche pikanten Details sie darin preisgibt und wie sie unter anderem zum Thema Feminismus steht, verrät sie auf 735 Seiten.

In Zusammenarbeit mit ihrer langjährigen Beraterin Beate Baumann blickt sie auf ihre Kindheit in der DDR, ihr Physikstudium und ihren politischen Werdegang zurück. Dabei spricht sie offen über umstrittene politische Entscheidungen während ihrer Amtszeit – von Wirtschafts- und Eurokrisen über die Flüchtlingspolitik bis hin zu Entwicklungen verschiedener Kriege. Merkel zeigt, bei welchen Entscheidungen sie heute Zweifel hegt – und wo sie weiterhin klar dahintersteht.

Von der DDR zur Politik 

Angefangen hat alles in Hamburg: Dort wurde Angela Kasner am 17. Juli 1954 als Tochter eines Theologen und einer Lehramtsstudentin geboren. Noch im selben Jahr zog die Familie nach Brandenburg. Ihr Vater arbeitete dort als Pfarrer und sah es als seine Bestimmung, den Menschen in der neu gegründeten DDR beizustehen. Dank ihrer ausgezeichneten schulischen Leistungen – und auch aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Freie Deutsche Jugend (FDJ), was im DDR-System von Vorteil war – erhielt sie die Möglichkeit, Physik an der Universität Leipzig zu studieren. 1978 erhielt sie ihren Doktortitel und arbeitete am Zentralinstitut für Physikalische Chemie.

Kurz vor dem Mauerfall begann Merkels politische Karriere – allerdings nicht in der CDU, sondern in der Partei „Demokratischer Aufbruch“. Da die Partei bei den Volkskammerwahlen 1990 nur 0,9 Prozent der Stimmen erreichte, verbündete sie sich mit der Ost-CDU. 1991 wurde Merkel bereits zur Bundesministerin für Frauen und Jugend gewählt. Angela Merkel war zwar nicht die einzige CDU-Politikerin aus der DDR, musste sich jedoch mit vielen Vorurteilen auseinandersetzen.

So wurde etwa ihr Englisch hinterfragt – obwohl sie bereits während ihres Studiums auf Englisch publiziert hatte. Auch wurde ihr unterstellt, sie würde in politischen Kreisen alles hinterfragen und niemandem vertrauen. Merkel kritisierte in ihrer Autobiografie zudem, wie sehr die westdeutsche Öffentlichkeit ihre DDR-Vergangenheit als Belastung angesehen hatte. Sie selbst sieht ihr Leben in der DDR als eine prägende Zeit an, die sie formte.

Bild: Sofie Stefanischin

Zudem wurde zu Beginn ihrer politischen Karriere auch ihr Modestil kommentiert. Die damalige Bundesministerin trug lange Röcke und Strickpullover. Diese tauschte sie – nachdem ihr geraten wurde, sich ordentlicher zu kleiden – gegen einen Blazer mit passendem Rock. Aus Gründen der Angemessenheit und Bequemlichkeit wechselte sie später zu Hosen. Ihr ikonischer Look etablierte sich als eine Art Schutzschild: Durch die Festlegung auf Hose und passenden Blazer wollte sie sicherstellen, dass sich die Öffentlichkeit auf ihren Inhalt ihrer Politik konzentrierte und nicht auf ihre Kleidung.

Sehen Sie sich selbst als Feministin?

In dem Unterkapitel „Feminismus“ geht die Bundeskanzlerin A. D. auf die Frage „Sehen sie sich selbst als Feministin“ ein. Diese Frage wurde ihr während des G-20-Gipfels 2017 in einer Podiumsdiskussion gestellt. Nur zögerlich antworte sie mit „Wenn Sie finden, dass ich eine bin, dann stimmen Sie ab, okay?“ Merkel beschrieb, wie sie weder zu Ja noch zu Nein tendierte und der Frage unsicher aus dem Weg gehen wollte.

Heute würde sie die Frage allerdings mit einem klaren Ja beantworten. Das bestätigt sie nicht nur in ihrer Autobiografie, sondern auch in einem Interview kurz vor ihrem Amtsende 2021. 

 

Ja, ich bin Feministin, auf meine Art.

Angela Merkel

Nicht nur, dass sie die erste Bundeskanzlerin Deutschlands wurde, sondern auch ihre Biografie zeigt dies deutlich. Obwohl sie sich lange nicht offen zum Feminismus bekannte, war ihre Wirkung auf Frauen in der Politik enorm: Merkel wurde für viele zum Vorbild – Ihr 16-jähriges Wirken in einer von Männern dominierten politischen Landschaft spricht für sich. Sie zeigte Frauen, dass politische Spitzenämter erreichbar sind – auch ohne plakative feministische Labels. 

Zum Schluss bleibt nur noch eines zu sagen. Dr. Angela Merkel war eine einzigartige Bundeskanzlerin, die  durch ihren Humor auszeichnete. So benutzte sie beim Schreiben ihrer Autobiografie viele Redewendungen wie „Die Kirche im Dorf lassen“ auch bei ernsten politischen Themen. Auch in ihrer 16-jährigen Amtszeit setzte sie sich regelmäßig gegen ihren männlichen Kollegen durch. Sie überzeugte sich durch ihre ruhige, geduldige Art, statt emotional und impulsiven aufzutreten. Merkel nutzte es aus, unterschätzt zu werden, und hob sich mit ihren sachlichen, analytischen Führungsstil deutlich von ihren Kollegen ab. So eine wie sie wird es nie wieder geben.

Beitragsbild: Sofie Stefanischin

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